Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

Zur Geschichte der Forderung „Schmeißt EU/NATO-Unterstützer aus der Linken!“

Angesichts dessen, dass die Führungen der Sozialdemokratie (SPD und Linkspartei) und der Gewerkschaften, und in ihrem Gefolge ein großer Teil der Linken zum Russland-Ukraine-Krieg die Seite der NATO- und EU-Imperialisten und der von ihnen aufgerüsteten Ukraine einnehmen, ist „Schmeißt EU/NATO-Unterstützer aus der Linken!“1 eine korrekte Forderung. Der folgende Artikel aus den 1980er Jahren zeigt die historische Kontinuität zur trotzkistischen Taktik gegenüber der sozialdemokratischen Labour Party. Er ist übersetzt aus Spartacist Britain,2 von 1978 bis 1984 Vorläufer des heutigen Workers Hammer, Zeitung der Spartacist League/Britain, Sektion der Internationalen Kommunistischen Liga (IKL).

Ein Abriss des historischen Kontexts findet sich im Abschnitt „Labours Kalter Krieg“ des Artikels „Über die trotzkistische Position zur Labour Party – Ursprünge und Entwicklung der Spartacist-Tendenz in Britannien“3

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Besiegt die Hexenjagd! Schmeißt den NATO/CIA-liebenden rechten Flügel raus!

Die Linken in der Labour Party unter Beschuss

Nach fast zwei Jahren erbitterter Fraktionskämpfe nähert sich der Links-Rechts-Kampf innerhalb der Labour Party seinem Ende. Mit dem Labour-Führer Michael Foot, der jetzt nachweislich ein Frontmann der Rechten ist, treibt der NATO/IWF-liebende rechte Flügel um Denis Healey die vollständige Entmannung der Benn-Linken voran. Die vom Nationalen Exekutivkomitee (NEC) befürwortete Hexenjagd gegen Militant4 ebnet den Rechten nur den Weg für einen Angriff auf ihr eigentliches Ziel – Tony Benn und seine Unterstützer in der Arbeiterbewegung. Es steht viel mehr auf dem Spiel als nur die Zukunft von Ted Grants Labour-treuer Militant-Tendenz. Die Zukunft von Labour als „regierungsfähige“ (d.h. für zuverlässige bürgerliche Herrschaft taugliche) Partei steht auf dem Spiel. Ein kürzlich erschienener Leitartikel der Times5 brachte die Probleme klar auf den Punkt:

„Die Labour Party hat die Wahl. Sie kann sich für den inneren Frieden um den Preis der Ohnmacht entscheiden. Oder sie kann beschließen, dass sie sich wieder für die Regierung fit macht. Das kann kein schmerzloser Prozess sein. Und er kann auch nicht kurz sein. Es wird nicht ausreichen, einfach Militant auszuschließen.“

In der letzten Zeit hat sich die Linke zunehmend isoliert und ist unter dem Druck ins Wanken geraten und zersplittert. Militant ist zwar formell Teil der gegen die Hexenjagd gerichteten „Unregistered Alliance“,6 hat sich aber im Voraus bereit erklärt, sich registrieren zu lassen, sollte die Rechte gewinnen. Die „Kampagne für Demokratie in der Labour Party“ (CLPD)7 hat eine „Ausweichstrategie“ zur „Demokratisierung“ des Registers beschlossen, falls es eingeführt wird. Und sie alle schreien über die Notwendigkeit von „Einheit“ und „Frieden“ in der Partei, selbst wenn die rechte Führung auf ihre politischen Köpfe schießt.

Während die Polarisierung innerhalb der Labour Party immer weiter voranschreitet, gewinnt der rechte Flügel an Stärke. Die „weichen Linken“, Neil Kinnock, Joan Lestor, Alex Kitson u.a., sind praktisch zur Rechten übergelaufen und haben die Tribune-Fraktion8 in der Frage der Unterstützung der NEC-Hexenjagd gespalten. „Der Tod der Tribune-Gruppe?“ lautete eine Schlagzeile in der … Tribune! Während die Zeitung in den Händen des Benn-freundlichen Herausgebers Chris Mullin verbleibt, war die Eroberung der Tribune bestenfalls ein Pyrrhussieg, der nicht über die zunehmende Isolierung der Benn-Unterstützer hinwegtäuschen kann.

Linke in der Labour Party für Einheit

Alle wohlklingenden Phrasen von Tony Benn und seinem Pendant in den Gewerkschaften, Arthur Scargill, können nicht darüber hinwegtäuschen, dass sie durch die Offensive der Rechten in die Enge getrieben worden sind. Gefangen im politischen Rahmen des linken Reformismus, dem Parlamentarismus und der Beibehaltung der Labour Party als Träger dieser Strategie verpflichtet, ist die Linke nicht in der Lage, eine ernsthafte politische Herausforderung gegen die Rechte zu stellen. Scargill kann so oft wiederholen, wie er will, dass diejenigen in der Labour Party, die mit Klausel IV9 nicht einverstanden sind, der Sozialdemokratischen Partei10 beitreten sollten, aber die schlichte Tatsache ist, dass die Rechten bereit sind, den Kampf notfalls bis zur Spaltung zu führen, während die Linke keine Zukunft mit einer Rumpf-Labour-Party hat, die nicht in der Lage wäre, ein Regierungsamt zu übernehmen. Während also die Rechten den Einsatz eskalieren, kann die Linke nur um sich schlagen und nach einem nicht vorhandenen Kompromiss suchen. Bezeichnenderweise titelte das Benn-freundliche London Labour Briefing „Gebt dem Frieden eine Chance“ und erklärte, es sei nicht der richtige Zeitpunkt, „damit anzufangen, sich gegenseitig aus der Partei auszuschließen, anstatt die allzu realen Feinde zu bekämpfen, denen wir gegenüberstehen“.11 Wie Nye Bevan vor ihm hat Tony Benn die Labour Party an den Rand einer Spaltung gebracht, ohne das politische Rüstzeug zu haben, um den Todesstoß zu versetzen.

Vor einigen Monaten wiesen wir darauf hin, dass die Labour Party ihre bedeutendste interne Differenzierung und Spaltung seit mehr als einem halben Jahrhundert erlebt (siehe „Labour’s Cold War“12). Unter dem Einfluss des Kalten Krieges wurde eine uneinheitliche und verzerrte Klassenlinie durch die Labour Party gezogen, was zu einer tiefen Spaltung zwischen Healeys Pro-NATO-Internationalisten und Benns Little-England-Sozialisten13 führte. Diese Spaltung ist zwangsläufig mit innenpolitischen Fragen verbunden, wobei die Benn-Bewegung in erster Linie eine Ablehnung der Bilanz der Labour-Regierung von 1974–79 darstellt – vor allem ihrer auf Klassenzusammenarbeit ausgerichteten, gewerkschaftsfeindlichen Haltung, die 1979 den „Winter der Unzufriedenheit“14 auslöste. Der Angriff der Callaghan/Healey-Regierung auf die Gewerkschaften war in der Tat so brutal, dass er dazu führte, Teile der Gewerkschaftsbürokratie zu entfremden, was den Weg für Benns knappe Herausforderung des diskreditierten Healey bei der Wahl zum stellvertretenden Parteivorsitzenden ebnete und es ermöglichte, die demokratischen Reformen der „Blackpool-Revolution“15 durchzusetzen.

Der Grund dafür ist jedoch Benns Unterstützung der aufkeimenden Kampagne für nukleare Abrüstung (CND)16 und sein Widerstand gegen die Stationierung US-amerikanischer Raketen in Britannien – eine Haltung, die das seit langem bestehende Bekenntnis der Labour Party zum antisowjetischen Kriegskurs der NATO zu sprengen droht. In einem Interview in Straight Left17 erläuterte Benn die Position, die die Rechte dazu veranlasst hat, seine politische Zerstörung anzustreben:

„Das kurzfristige Ziel, alle Atomwaffen loszuwerden … das ist das Wichtigste, was man jetzt tun kann. Wenn man das tut, dann verändert man die Beziehungen zur NATO grundlegend…“

Diese „grundlegende Veränderung“ droht die Arbeit zunichte zu machen, die die Labour-Rechte in den 1950er Jahren geleistet hat, um die Labour Party als Pro-NATO-Bastion in der europäischen Arbeiterbewegung zu konsolidieren. Ob Benn beabsichtigt, sein Programm umzusetzen, ist nicht die Frage – die Bourgeoisie ist nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Und die Rechte hat hinter den Kulissen hart gearbeitet, um zu verhindern, dass Benn sich durchsetzt. Das von der NATO finanzierte Labour Committee for Transatlantic Understanding18 hat kürzlich eine Erklärung zum Thema „Unilateralismus und NATO“ verfasst, in der die wachsenden unilateralistischen19 Bewegungen in Europa angegriffen werden. Zu den Unterzeichnern gehörten die rechten Labour-Politiker Frank Chapple, Sid Weighell und Terry Duffy sowie die SDP-Abgeordneten Bill Rodgers und Alan Lee Williams.

Raus mit den NATO/CIA-Liebhabern!

In einer Zeit des sich verschärfenden Kalten Krieges sind die Positionen von Benn und der Rechten unversöhnlich. Eine Seite wird sich durchsetzen müssen. Benns Antikommunismus steht nicht in Frage; seine Opposition gegen die sowjetische Intervention in Afghanistan und seine Unterstützung der konterrevolutionären Solidarność zeigen das deutlich. Aber sein Wunsch, Britannien aus dem nuklearen Kreuzfeuer herauszuziehen, steht nicht im Einklang mit den Bedürfnissen der britischen Bourgeoisie, die keinen anderen Weg nach vorn sieht außer als Juniorpartner des US-Imperialismus. Und in einer Zeit, in der die Kriegstreiberei eskaliert, kann jeder, der aus dem Takt gerät, unter die Räder kommen.

Die Spaltung der Labour Party hat sich durch den Falkland-Krieg und seine Folgen noch verschärft. Während des Krieges spaltete sich die Labour Party grob entlang der etablierten Fraktionslinien. Healey stellte sich vorhersehbar hinter Thatcher und erlangte die daraus resultierende politische Autorität, als Britannien in einem Rausch des Sozialchauvinismus versank und Thatchers Handlanger in der Boulevardpresse jedes Anzeichen von Opposition als „Verrat“ brandmarkten. Und die Welle des unverhohlenen Sozialchauvinismus, die die Rechte und die Mitte der Labour Party/TUC erfasste, diente dazu, die Rolle des rechten Flügels als zentrale Kraft hinter dem Angriff auf die Benn-Anhänger zu verschleiern. Benns Ratschlag an die britische Bourgeoisie, sie sei nicht mehr in der Lage, Tausende von Meilen entfernte Kolonialkriege zu führen und solle die Task Force20 zurückziehen, kam nicht gut an. Wenn die Bourgeoisie noch mehr Überzeugung brauchte, dass Benn kein geeigneter zukünftiger Regierender ist, dann hat sie sie im Falklandkrieg bekommen. Die heftigen Angriffe gegen Benn von allen Flügeln der Bourgeoisie trugen zur weiteren Isolierung der Benn-Unterstützer bei.

Nach dem britischen Sieg ritten die Tories für eine brutale, gegen die Arbeiterklasse gerichtete Regierung während des Großteils ihrer Amtszeit auf der Welle des nationalen Chauvinismus zu ungeahnter Popularität empor. Die Labour Party erlitt eine Reihe vernichtender Niederlagen bei Nachwahlen und landete auf dem dritten Platz hinter der Allianz aus Liberalen und SDP, die sich weitgehend behaupten konnte.

Dann kam der ASLEF-Streit. Eine kleine Spartengewerkschaft unter der Führung des TUC-Linken Ray Buckton, unterstützt vom neu eingesetzten NUM-Präsidenten Arthur Scargill und dem scheinbar unverbesserlichen Tony Benn, steht vor der Zerschlagung durch das British Railways Board.21 Der politisch unbeständige Labour-Führer Michael Foot hält eine Rede auf der Bergarbeiter-Gala in Durham, und die Pressemitteilung, in der darüber berichtet wird (aber offenbar nicht die Rede selbst!), enthält eine Erklärung zur Unterstützung der ASLEF. Kaum war die Tinte auf den Seiten der Boulevardpresse, die Foot angriff, getrocknet, da intervenierte er schon an der Seite des TUC und drängte auf ein Ende des Konflikts zu den Bedingungen des BRB. Der Streik wurde gebrochen und die Linke erlitt eine weitere Niederlage. Die so genannte Mitte des TUC hatte sich aufgrund ihrer mangelnden Kampfbereitschaft mit der Rechten und insbesondere mit dem Vorsitzenden der National Union of Railwaymen,22 Sid Weighell, verbündet, um der bereits im Belagerungszustand befindlichen Linken einen weiteren vernichtenden Schlag zu versetzen.

Den TUC-Führern Len Murray und David Basnett mag die Aussicht auf eine weitere Healey-Regierung nicht gefallen, aber sie wollen noch weniger ernsthafte Arbeitskampfmaßnahmen gegen die Tories. Da die TUC-Bürokraten nicht bereit sind zu kämpfen, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als sich der Labour-Rechten anzupassen. Die jüngste „Woodstock-Verpflichtung“,23 die von „Trades Unions For A Labour Victory“24 und Foot ausgearbeitet wurde, sieht einen überarbeiteten „Social Contract“25 vor, wobei Murray und Basnett dieses Mal ein Mitspracherecht bei der Umsetzung haben wollen.

Die Benn-Linken sind Opfer einer Situation, die sie nicht kontrollieren können, und sehen der Niederlage ins Auge. Auf einer Anti-Hexenjagd-Kundgebung der Tribune-Gruppe in London am 20. Juli [1982] forderte Scargill, dass diejenigen in der Labour Party, die mit Klausel IV nicht einverstanden sind, der SDP beitreten sollten, und drohte damit, dass die NUM der Labour Party die Mittel entziehen würde, wenn die Hexenjagd fortgesetzt würde. Tatsache ist jedoch, dass die Linke keine Perspektive hat, wenn sie nicht bereit ist, mit dem NATO/CIA-liebenden rechten Flügel zu brechen. Und das ist sie nicht. Die Unordnung in den Reihen der Benn-Anhänger ist Ausdruck ihrer politischen Unfähigkeit, die gesamte Tradition des Labourismus in Frage zu stellen und die gegenwärtige kalte Spaltung mit einer Offensive gegen den Healey-Flügel zu Ende zu führen. Trotzki sprach das grundlegende Dilemma der Labour-Linken in seinem 1926 erschienenen Artikel „Fragen der englischen Arbeiterbewegung“26 an:

„Eine ideelle und organisatorische Formierung einer wahrhaft revolutionären, d.h. kommunistischen Partei auf der Grundlage der Bewegung der Massen ist nur denkbar unter der Bedingung einer beständigen, systematischen, unentwegten, unermüdlichen und unversöhnlichen Entlarvung der pseudolinken Führer aller Schattierungen…

… Die linken Wirrköpfe sind unfähig zur Herrschaft, und wenn diese im Gange der Ereignisse in ihre Hände fiele, so würden sie sich beeilen, sie ihren älteren Brüdern von rechts zu übergeben. Sie würden im Staate das Gleiche tun, was sie jetzt in der Partei tun.“

Und während die Rechte den Einsatz erhöht, kann die Linke nur herumstochern und nach einem Kompromiss suchen, den es nicht gibt.

Trotzkisten sehen in dieser Krise der Labour Party eine Chance, den Prozess der politischen Differenzierung voranzutreiben, die CIA-verliebte Rechte hinauszudrängen und Benn in eine Position zu bringen, in der sein linker Reformismus wirksamer entlarvt und durch die Gegenüberstellung mit einem alternativen, revolutionären Programm bekämpft werden kann. Doch der Einfluss des Labourismus auf die vorgeblich trotzkistischen Anhänger der Benn-Linken ist so stark, dass sie ausnahmslos gegen eine Spaltung argumentieren und sich einseitig auf Fragen der Demokratie und der Einheit konzentrieren; in vielen Fällen gehen sie nicht einmal so weit wie Benn, wenn es darum geht, die grundlegenden politischen Fragen der Hexenjagd zu stellen. Ihr ganzer Ansatz wird durch den an die Hexenjäger gerichteten Appell in Socialist Challenge erfasst: „Bekämpft die Tories – nicht die Linken“.

Demokraten für … Sozialdemokratie

Für Militant, die Tendenz, die am unmittelbarsten unter Beschuss steht, ist ein Leben ohne die Labour Party unvorstellbar – daher verpflichten sie sich, was auch immer geschieht, „weiterhin für die Labour Party zu arbeiten, Arbeiter in sie zu rekrutieren und vor allem für sozialistische Politik in ihr zu streiten“.27 Sie gehen sogar so weit, sich damit zu brüsten, dass sie gegen den Ausschluss eines Anhängers der rechten Solidarity-Gruppe in St. Helens gestimmt haben, mit der Begründung, dass „wir unsere Probleme innerhalb der Partei lösen und eine Massenpartei für die Arbeiterklasse sein können“.28 Die erbärmliche Verteidigung der „Massenpartei“ durch Militant ist nicht überraschend, wenn man bedenkt, dass ihr Programm für die „Revolution“ aus einem „Ermächtigungsgesetz“ (das natürlich vom Parlament verabschiedet werden würde) zur Verstaatlichung der berühmten 200 Monopole besteht, sowie aus der Weigerung, den Abzug der britischen Truppen aus Irland zu fordern, aus der Unterstützung der konterrevolutionären Solidarność in Polen und zuletzt der hinterhältigen Unterstützung von Thatchers Falklandkrieg.

Auch die Socialist Organiser Alliance (SOA) schwadroniert über „Demokratie“, greift die Labour-Rechte vom Standpunkt des sozialdemokratischen Antikommunismus aus an, wettert gegen die „stalinistischen“ Methoden der Rechten und behauptet, dass der Sturz der Beschlüsse der „Blackpool-Revolution“ zu einer qualitativen Degeneration führen würde, die der der „pseudokommunistischen Parteien“ gleiche. Die Lösung des Problems besteht für die SOA darin, Tony Benn zur Kandidatur aufzufordern und damit Benns linksreformistisches Programm zu unterstützen.

Und was ist mit den gewohnheitsmäßig mild-linken Kritikern der SOA, der Gruppe Workers Power (WP)?29 In einem Artikel mit der Überschrift „Raus mit den Hexenjägern“30 skizziert WP eine Strategie zur Bekämpfung der Rechten, die wiederum nie über das Niveau der Verteidigung der demokratischen Rechte in der Arbeiterpartei hinausgeht:

„Nicht nur Revolutionäre, sondern alle Unterstützer der Arbeiterdemokratie, ob sie nun rechte oder linke Reformisten sind, sollten sich diesen Bestrebungen widersetzen, die darauf abzielen, den Prozess der Umwandlung der Labour Party in eine streng kontrollierte sozialdemokratische Partei oder letztendlich in eine einfache liberale Partei zu vollenden.“31

Und zur Verteidigung dieser Position werden den Lesern von Workers Power einige erstaunliche Argumente vorgesetzt. Laut WP ist die Labour Party „nach wie vor ein föderales Gremium“; außerdem habe „Labour nie ein Programm gehabt“ und „das berühmte Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie ... ist [nicht] in den in der Labour-Satzung definierten Zielen zu finden“.

Hinter dieser Reihe von juristischen Argumenten und satzungsrechtlichen Spitzfindigkeiten steht die Vorstellung, dass die Labour Party ein leeres Gefäß ist, das für jede Art von Politik offen ist – wenn sie nur „demokratisch“ bleibt. Und wohin führt das? Erstens führt es dazu, einen „Treueeid“ auf die Labour Party zu fordern, wie es WP im Februar 1981 tat. Zweitens, und noch grundsätzlicher, eröffnet es die Aussicht, dass die Labour Party in ein revolutionäres Instrument verwandelt werden kann – eine Position, gegen die sich WP in der Vergangenheit gewehrt hat, insbesondere in der Polemik gegen die SOA und ihre Vorgänger. Aber jetzt?

Workers Power würde gut daran tun, sich noch einmal anzuschauen, was Lenin über die Labour Party zu sagen hatte. Lenin hatte trotz ihrer Satzung nie einen Zweifel daran, dass die Labour Party ein ganz bestimmtes Programm hatte – ein Programm des parlamentarischen Reformismus, das dem Programm des Kommunismus zuwiderlief (tatsächlich eröffnet Ralph Miliband seine Geschichte der Labour Party, Parliamentary Socialism, mit dem Hinweis, dass die Labour Party von Anfang an eine der dogmatischsten Parteien war, nicht in Bezug auf den Sozialismus, sondern auf den Parlamentarismus). Als sich Lenin und die Kommunistische Internationale 1920 mit der Frage der Taktik gegenüber der Labour Party befassten, war diese noch eine einigermaßen föderale und „offene“ sozialdemokratische Partei, auch wenn Lenin damals feststellte, dass sie dabei war, sich zu einer verfestigten Partei zu homogenisieren, die unwiderruflich unter der Führung der Sozialchauvinisten stand. Um diesen Prozess zu vereiteln, schlug Lenin vor, dass sich die junge Kommunistische Partei der Labour Party anschließen und für deren volles Programm kämpfen sollte, um eine Spaltung zwischen der Führung und ihrer Massenbasis zu erzwingen. Die Labour Party lehnte jedoch den Anschluss der Kommunisten ab und verfestigte sich in einer harten Gegenposition zur Komintern. Die Behauptung, dass die Labour Party sechzig Jahre später immer noch eine föderale Organisation à la 1920 sei, ist schlichtweg irrsinnig.

Spaltet Labour – für eine trotzkistische Partei!

Die taktische Haltung der Trotzkisten gegenüber der Labour Party muss unter den gegenwärtigen Umständen darin bestehen, die bereits bestehende Spaltung mit dem Ziel zu verschärfen, den NATO/CIA-liebenden rechten Flügel aus der Arbeiterbewegung zu vertreiben. Im Gegensatz zu Militant wären Trotzkisten für Maßnahmen zum Ausschluss solcher Elemente; in der Tat wären alle Revolutionäre, die diesen Namen verdienen, die energischsten Befürworter davon, den fanatischen NATO-Liebhabern die „Demokratie“ in der Labour Party zu verweigern. In dem Bestreben, mit einer möglichst großen Organisation aus der Labour Party herauszugehen, würden Revolutionäre, auch wenn sie taktisch mit den Kräften der Benn-Unterstützer zusammenarbeiten, um die Rechten zu vertreiben, einen unnachgiebigen politischen Kampf gegen alle Flügel der Labour Party führen, einschließlich des Benn’schen Reformismus.

Dem Benn’schen Programm des „Sozialismus“ im „kleinen England“ stellen wir das Programm der internationalen sozialistischen Revolution entgegen. Wo Benn auf einen utopischen erneuerten britischen Kapitalismus im Rahmen der „alternativen Wirtschaftsstrategie“ setzt, kämpfen Trotzkisten für die proletarische Machtergreifung, um die marode britische Wirtschaft auf der Grundlage des vergesellschafteten Eigentums neu zu organisieren. Gegen Benns Fantasiepläne, die Bourgeoisie zur Abrüstung und zum Verzicht auf einen Krieg mit der Sowjetunion zu bewegen, treten Trotzkisten für eine unnachgiebige Verteidigung der Sowjetunion durch eine Arbeiterrevolution zur Entwaffnung der Bourgeoisie ein. Eine proletarische Revolution ist das, was dieses Land dringend braucht, während es immer tiefer in die Krise schlittert und droht, das Proletariat in einen weiteren blutigen Weltkrieg zu ziehen, der noch verheerender ist als die beiden vorangegangenen imperialistischen Flächenbrände. Nein zur Hexenjagd – Verteidigt Militant! Nein zur Labour-Einheit! Vertreibt die NATO/IWF/CIA-liebende Rechte! Nicht Reformismus à la Benn, sondern eine revolutionäre Führung der Arbeiterbewegung, eine leninistische/trotzkistische Partei, die den Kampf um die proletarische Macht führt!


  1. Spartakist Nr. 224, Frühjahr 2022.

  2. Nr. 44, August/September 1982.

  3. Spartakist Nr. 175, Januar 2009.

  4. Reformistische Organisation, die in der Labour Party vergraben war. In Deutschland wird ihr politisches Erbe – gekennzeichnet durch jahrzehntelange Unterstützung der Sozialdemokratie, früher der SPD und heute der Linkspartei, sowie Feindschaft gegenüber den bürokratisch deformierten bzw. degenerierten Arbeiterstaaten – heute von drei Organisationen fortgeführt: „Sozialistische Alternative“ (SAV), „Sozialistische Organisation Solidarität“ (Sol) und „der funke – marxistische linke“ – E&P.

  5. 24. Juni 1982.

  6. Der Name bezieht sich auf ein Register von Organisationen, die in der Labour Party arbeiten dürfen – dieses sollte damals gerade angelegt werden, um gegen Militant und andere Oppositionelle vorzugehen – E&P.

  7. Auf Englisch: „Campaign for Labour Party Democracy“ – E&P.

  8. Tribune ist bis heute eine sozialdemokratische Zeitschrift, die die Labour Party unterstützt – E&P.

  9. Von Reformisten heiß geliebter Abschnitt in der Satzung, der als „Maximalprogramm“ der Labour Party gilt: „Den Arbeitern von Stirn und Faust die vollen Früchte ihres Fleißes und deren gerechteste Verteilung zu sichern, auf der Basis des Gemeineigentums an den Mitteln der Produktion, der Verteilung und des Handels“ – E&P.

  10. Bürgerliche Partei, die Anfang der 1980er als Abspaltung von Labour entstand, sich dann mit der ebenfalls bürgerlichen Liberal Party vereinigte und seit den 1990ern erneut als selbstständige bürgerliche Partei gegründet wurde – E&P.

  11. August 1982.

  12. Spartacist Britain Nr. 41, April 1982. [Zu Deutsch: „Labours Kalter Krieg“ – E&P.]

  13. Zu Deutsch: „kleines England“, als Markenzeichen einer sozialpatriotischen Politik, die die Illusion eines „sozialistischen“, d.h. von der Labour Party reformierten kapitalistischen Britannien vertritt – E&P.

  14. Auf Englisch: „winter of discontent“. Bezeichnet ausgedehnte Streiks und Proteste der Gewerkschaften gegen die Kahlschlagspolitik der damaligen Labour-Regierung – E&P.

  15. Nachdem Labour 1979 zugunsten der konservativen Margaret Thatcher abgewählt worden war, fand im Ort Blackpool 1980 eine Konferenz der Labour Party statt. Nun wieder in der Opposition, nahm die Partei ein paar links aussehende, klassisch sozialdemokratische Positionen (wieder) an, darunter Forderungen für die Abschaffung des Oberhauses („House of Lords“); für den Austritt aus der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG), dem Vorläufer der imperialistischen EU; für die Wiederverstaatlichung vieler Industriezweige. Außerdem wurde die Wahl von Parteiführern stärker von den Stimmen der Parteimitglieder als denen der Labour-Parlamentsabgeordneten abhängig gemacht. Die Gesamtheit der Beschlüsse dieser Konferenz wurde beschönigend als „Blackpool-Revolution“ bezeichnet – E&P.

  16. Auf Englisch: Campaign for Nuclear Disarmament – E&P.

  17. Juli 1982. [Zeitung einer Fraktion der reformistischen Communist Party of Great Britain (CPGB), deren Unterstützer wie die Militant-Strömung in der Labour Party vergraben waren – E&P.]

  18. Zu Deutsch: „Labour-Komitee für transatlantische Verständigung“ – E&P.

  19. „Unilaterialismus“ ist ein Begriff der bürgerlichen politischen Ideologie und soll eine Politik bezeichnen, die auf die Interessen eines einzelnen Staates ohne Rücksicht auf die anderer gerichtet ist. Hinter diesem Begriff steckt im Kern die Lüge, dass imperialistische Bündnisse wie NATO, EU oder UNO den darin agierenden kapitalistischen Staaten zu etwas anderem dienen, als die Interessen ihrer eigenen nationalen Kapitalistenklasse durchzusetzen. (Diese Tatsache wird auch dadurch nicht eingeschränkt, dass in solchen imperialistischen Bündnissen auch nicht-imperialistische oder – im Fall der UNO – auch nicht-kapitalistische Staaten wie China, Kuba, Nordkorea, Vietnam und Laos agieren.) – E&P.

  20. D.h. die eingesetzten Truppen – E&P.

  21. BRB – die britische Eisenbahnbehörde bis zur Privatisierung 1997 – E&P.

  22. Gewerkschaft der Eisenbahner – E&P.

  23. Auf Englisch: „Woodstock Commitment“ – E&P.

  24. Zu Deutsch: „Gewerkschaften für einen Sieg der Labour Party“ – E&P.

  25. Zu Deutsch: „Gesellschaftsvertrag“. Unter der Labour-Regierung von Harold Wilson (1974–76) durchgesetzte Politik, bei der die Gewerkschaftsführungen sich auf sehr weitreichende Zugeständnisse bei der Höhe und Häufigkeit von Lohnforderungen verpflichteten, was durch einige begrenzte Reformen wie ein Einfrieren der Mieten abgedeckt wurde – E&P.

  26. Kommunistische Internationale, 7. Jahrgang, Heft 5/6 (Mai–Juni 1926), S. 460-477.

  27. Militant, 25. Juni 1982.

  28. 9. Juli 1982.

  29. In Deutschland heute vertreten durch die Gruppe ArbeiterInnenmacht (GAM) – E&P.

  30. Auf Englisch: „Kick Out the Witch-Hunters“ – E&P.

  31. Workers Power, Juli/August 1982.

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