Ergebnisse & Perspektiven des Marxismus

Das Kapital – gekürzte Fassung von Julian Borchardt, 1931

9. Oktober 2021 – Wir veröffentlichen im folgenden erstmals in digitaler Form die von Julian Borchardt zusammengestellte, gekürzte „gemeinverständliche Ausgabe“ von Karl Marx’ Kapital. Wir beginnen zunächst mit einem Auszug aus Borchardts „Vorrede des Herausgebers zur ersten Auflage“, in der er sein Vorgehen beim Zusammenstellen und Kürzen beschreibt, gefolgt von den ersten fünf Kapiteln:

  1. Ware, Preis und Profit

  2. Profit und Warenumsatz

  3. Gebrauchswert und Tauschwert. Die gesellschaftlich notwendige Arbeit

  4. Kauf und Verkauf der Arbeitskraft

  5. Wie der Mehrwert entsteht.

Die weiteren Kapitel folgen in den nächsten Monaten.

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  • 5. Februar 2022 – Kapitel 6, „Konstantes und variables Kapital. Fixes und zirkulierendes (flüssiges) Kapital“, ergänzt.

  • 8. April 2022 – Kapitel 7, „Wie der gleichmäßige Profit zustande kommt“, und Kapitel 8, „Methoden zur Steigerung des Mehrwerts“, ergänzt.

  • 11. Juni 2022 – Kapitel 9, „Die Umwälzung der Produktionsweise durch das Kapital“, ergänzt.

  • 4. November 2022 – Kapitel 10, „Einwirkung dieser Fortschritte auf die Lage der Arbeiterklasse“, ergänzt.

  • 10. April 2023 – Kapitel 11, „Sinken der Profitrate“, ergänzt.

  • 16. April 2023 – Kapitel 12, „Die Akkumulation des Kapitals“, ergänzt.

  • 19. August 2023 – Kapitel 13, „Wirkung der Akkumulation auf die Arbeiter. Die industrielle Reservearmee. Die Verelendungstheorie.“, ergänzt.

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Julian Borchardt (1868–1932) war seit 1900 Redakteur verschiedener SPD-Zeitungen, 1908 bis 1913 als Wanderredner für die Bildungsarbeit der SPD tätig, insbesondere mit Vorträgen über Nationalökonomie und historischen Materialismus. Gemeinsam mit Hippolyte Vanderrydt fertigte er die erste französischsprachige Übersetzung des zweiten Bandes des Kapital an, die 1900 erschien.

Ab 1913 gab er die Zeitschrift Lichtstrahlen heraus und sammelte eine Gruppe linker Sozialdemokraten, die Internationalen Sozialisten Deutschlands (ISD), um sich. Diese lehnten, wie auch der Spartakusbund von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, die „Burgfrieden“-Politik der SPD-Führung ab, d. h. die Unterstützung des kapitalistischen Deutschen Reichs im Ersten Weltkrieg. 1914 trat er aus der SPD aus. Bei der Zimmerwalder Antikriegskonferenz 1915 unterstützte er als einziger deutscher Teilnehmer der Konferenz die von Lenin und Sinowjew geführten „Zimmerwalder Linken“. Diese betonten den imperialistischen Charakter des Krieges, verurteilten die „sozialimperialistische“ Politik der II. Internationale, die ihre jeweiligen Bourgeoisien im Krieg unterstützten, und griffen auch die Zentristen um Kautsky an, die mit linken Phrasen für eine Versöhnung mit den offenen Unterstützern des Imperialismus eintraten. Sie beharrten darauf, dass „nur die soziale Revolution den dauernden Frieden wie die Befreiung der Menschheit verwirklichen kann“.1 1916 wurde Borchardt verhaftet und seine Zeitschrift verboten. In der Novemberrevolution bildeten Borchardts ISD mit anderen Linksradikalen die Internationalen Kommunisten Deutschlands (IKD), die sich Ende 1918 mit dem Spartakusbund zur KPD vereinigten. Borchardt wurde allerdings noch 1918 wegen „anarchistischer Tendenzen“ aus den IKD ausgeschlossen.

In der Folge gehörte er keiner Partei an, betätigte sich weiter als Journalist, Publizist und Lehrer an der Marxistischen Arbeiterschule (MASCH) der KPD. Seine Volksausgabe des Kapital veröffentlichte er erstmals 1920. Bis 1931 erschien sie in sieben Auflagen und wurde in mehrere Sprachen übersetzt. Ein Nachdruck der Ausgabe von 1931 erschien 2018 im Westhafen-Verlag (siehe www.westhafen-verlag.de). 1931 erhielt Borchardt von David Rjasanow eine Berufung an das Marx-Engels-Institut in Moskau, um an der ersten Marx-Engels-Gesamtausgabe mitzuarbeiten. Auf Grund einer Erkrankung starb er jedoch vor der Übersiedlung 1932 in Berlin.

Unsere Digitalisierung basiert auf der Original-Ausgabe der E. Laubschen Verlagsbuchhandlung von 1931. Sämtliche Fußnoten und Randverweise von Borchardt wurden in durchlaufend nummerierte Fußnoten umgewandelt. Zusätzliche Fußnoten oder Ergänzungen von Ergebnisse & Perspektiven sind mit „E&P“ gekennzeichnet und ggf. in eckige Klammern gesetzt. Borchardts Verweise auf die vollständige Ausgabe des Kapital beziehen sich auf die „Volksausgabe“, die 1914/1926/1929 (1. bis 3. Band) von Karl Kautsky herausgegeben wurde. Diese Verweise wurden von uns durch solche auf die im Dietz-Verlag Berlin erschienenen Werke von Marx und Engels (MEW) ergänzt.

Als Begleitlektüre empfehlen wir den Artikel „Marxismus in unserer Zeit“ von Leo Trotzki, der 1939 zuerst als Vorwort zu einer von Otto Rühle herausgegebenen Kurzfassung des ersten Bandes des Kapital erschienen ist.2 Weiterführend verweisen wir auf die Arbeit „The ‚law of the falling tendency of the rate of profit‘ – Its place in the Marxian theoretical system and relevance to the U. S. economy“ von Shane Mage (neu veröffentlicht durch Ergebnisse & Perspektiven am 1. Mai 2020).

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Vorwort des Herausgebers (Auszug)

Nun noch wenige Worte über die Art, wie ich die mir gestellte Aufgabe zu lösen gesucht habe. Mein Bestreben mußte es sein, soviel wie nur irgend möglich Marx’ eigene Worte stehen zu lassen und meine Tätigkeit auf das Auslassen und Umstellen zu beschränken. Wie bereits oben bemerkt, liegt die schwere Verständlichkeit des Marxschen Werkes zu einem großen Teil daran, daß man, um einen Teil richtig aufzufassen, eigentlich alle anderen schon kennen müßte. Es dürfte kaum übertrieben sein, daß die ersten Abschnitte den Laien, der sich zum erstenmal daran wagt, anmuten, als seien sie chinesisch geschrieben. Das liegt eben daran, daß er von dem Geist, von der Anschauungsweise des Werks noch keine Ahnung hat. Ihm diese zu vermitteln, dazu gehört die Kenntnis wichtiger Abhandlungen, die erst im dritten Bande stehen. Mir war deshalb von vornherein klar, daß ich die Reihenfolge der Gedanken und ihrer Abhandlungen ganz und gar umkehren mußte. Vieles von dem, was im dritten Bande steht, mußte ganz an den Anfang gesetzt werden. Auch sonst mußte ich vielfach Abhandlungen, die über verschiedene, oft weit voneinander entlegene Kapitel verteilt sind, zusammenbringen, andere umgekehrt voneinander entfernen und dabei natürlich des öfteren Verbindungssätze schreiben, während im großen und ganzen stets der Wortlaut, wie er von Marx selbst herrührt, stehengeblieben ist.

Damit war schon viel gewonnen. Wer sich vielleicht die Mühe nimmt, meine Bearbeitung mit dem Original zu vergleichen, wird mit Erstaunen bemerken, wie viele sonst äußerst schwer zu fassende Gedankengänge durch die bloße Umkehrung der Reihenfolge klar und verständlich geworden sind.

Nicht minder fruchtbar waren die Auslassungen. Es verstand sich von selbst, daß von den endlosen Wiederholungen des zweiten und dritten Bandes jedesmal nur eine Fassung ausgewählt und aufgenommen wurde. Aber darüber hinaus war es ja überhaupt nicht mein Zweck, das ganze Werk in allen seinen Einzelheiten wiederzugeben. Sondern es mußte eine Auswahl getroffen werden derart, daß der Leser den ganzen grundlegenden Gedankengang mit Marx’ eigenen Worten kennenlernt, ohne doch durch zu großen Umfang des Werks abgeschreckt oder übermüdet zu werden. Wer will, kann ja durch Vergleichung jederzeit feststellen, ob etwa Wesentliches fehlt. Um solche Kontrolle zu erleichtern, habe ich bei allen Kapitelanfängen und auch sonst, so oft es tunlich erschien, am Fuß der Seite angegeben, aus welchen Teilen des Originals ich geschöpft habe.

Trotzdem blieben freilich eine nicht geringe Anzahl von Stellen übrig, die schlechterdings nicht in dem von Marx verfaßten Wortlaut belassen werden konnten. Sie wären sonst unverständhch geblieben und mußten also sozusagen ins Deutsche „übersetzt“ werden. Um auch hier eine Kontrolle zu ermöglichen, ob ich mir dabei etwa unzulässige Freiheiten erlaubt und den Sinn des Originals geändert habe, will ich zwei solcher Stellen als Probe hierhersetzen.

Im ersten Band Kap. 13, 13 heißt es im Original:

„In der einfachen und selbst in der durch Teilung der Arbeit spezifizierten Kooperation erscheint die Verdrängung des vereinzelten Arbeiters durch den vergesellschafteten immer noch mehr oder minder zufällig. Die Maschinerie, mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen, funktioniert nur in der Hand unmittelbar vergesellschafteter oder gemeinsamer Arbeit. Der kooperative Charakter des Arbeitsprozesses wird jetzt also durch die Natur des Arbeitsmittels selbst diktierte technische Notwendigkeit.“

Das habe ich (auf S. 62 dieser Ausgabe) wie folgt umgewandelt:

„In der einfachen, und selbst in der durch Arbeitsteilung verfeinerten Kooperation erscheint die Verdrängung des vereinzelten Arbeiters durch den vergescllschafteten immer noch mehr oder minder zufällig. Die Maschinerie (mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen) erfordert ohne weiteres vergesellschaftete Arbeit (d. h. planmäßig gemeinsame Arbeit vieler). Die Natur des Arbeitsmittels selbst macht jetzt das planmäßige Zusammenwirken zur technischen Notwendigkeit.“

Der zweite Band enthält auf S. 544 die folgende Stelle:

„Fungiert das Geld in den Transaktionen unseres Geldkapitalisten als Zahlungmittel (in der Art, daß die Ware erst in kürzerem oder längerem Termin vom Käufer zu zahlen), so verwandelt sich das zur Kapitalisation bestimmte Mehrprodukt nicht in Geld, sondern in Schuldforderungen, Eigentumstitel auf ein Äquivalent, das der Käufer vielleicht schon im Besitz, vielleicht erst in Aussicht hat.“

Daraus habe ich (auf S. 199) gemacht:

„Sind die Waren, die unser Geldkapitalist verkauft, nicht sofort, sondern erst nach kürzerer oder längerer Frist zahlbar, so wird derjenige Teil des Mehrprodukts, der zum Kapital geschlagen werden soll, nicht zu Geld, sondern zu Schuldforderungen, Eigentumstiteln auf einen Gegenwert, den der Käufer vielleicht schon im Besitz, vielleicht erst in Aussicht hat.“5

Ich schließe, indem ich der Hoffnung Ausdruck gebe, mit dieser Arbeit etwas geleistet zu haben, das nicht nur dem Verständnis von Marx, sondern dem nationalökonomischen Wissen überhaupt und insbesondere der Sache des Sozialismus Nutzen bringt. Besonders würde ich mich freuen, wenn meine gemeinverständliche Ausgabe in recht vielen Lesern den Wunsch erwecken würde, danach auch das Originalwerk selbst zur Hand zu nehmen.

Berlin-Lichterfelde, im August 1919

Julian Borchardt

1 Ware, Preis und Profit6

Die politische Ökonomie handelt von der wirtschaftlichen Versorgung der Menschen mit den Gütern, deren sie zu ihrem Lebensunterhalt bedürfen. Diese geschieht in den modernen kapitalistischen Staaten ausschließlich durch Kauf und Verkauf von Waren, in deren Besitz sich die Menschen setzen, indem sie sie für das Geld kaufen, das ihr Einkommen bildet. Es gibt sehr verschiedene Arten von Einkommen, die sich jedoch in drei große Gruppen zusammenfassen lassen: das Kapital wirft jahraus, jahrein dem Kapitalisten Profit ab, der Boden dem Grundeigentümer Grundrente und die Arbeitskraft – unter normalen Verhältnissen und solange sie eine brauchbare Arbeitskraft bleibt – dem Arbeiter Arbeitslohn. Dem Kapitalisten erscheint sein Kapital, dem Grundeigentümer sein Boden und dem Arbeiter seine Arbeitskraft oder vielmehr seine Arbeit selbst so als drei verschiedene Quellen ihrer Einkünfte, des Profits, der Grundrente und des Arbeitslohns. Und die Einkünfte erscheinen als jährlich zu verzehrende Früchte eines nie vergehenden Baumes oder vielmehr dreier Bäume; sie bilden das jährliche Einkommen dreier Klassen: des Kapitalisten, des Grundeigentümers und des Arbeiters. Aus dem Kapital, dem Grundeigentum und der Arbeit als aus drei verschiedenen, unabhängigen Quellen scheinen also die Werte zu entspringen, welche jene Einkünfte bilden.

Für das Maß der Versorgung mit wirtschaftlichen Gütern sind neben der Höhe der Einkünfte der drei Klassen offenbar die Preise der Waren ausschlaggebend, und die Frage, wonach die Höhe der Preise sich richtet, hat denn auch die politische Ökonomie von jeher auf das eingehendste beschäftigt.

Auf den ersten Blick scheint diese Frage keine Schwierigkeit zu bieten. Betrachten wir ein beliebiges Industrieprodukt, so kommt die Höhe des Preises zustande, indem der Fabrikant auf seine Selbstkosten den in seiner Branche üblichen Profit aufschlägt. Der Preis hängt demnach ab von der Höhe der Selbstkosten und von der Höhe des Profits.

Als Selbstkosten rechnet der Fabrikant alles, was er fiir die Herstellung der Ware ausgegeben hat. Das sind in erster Linie die Ausgaben für Rohstoffe und Hilfsstoffe der Fabrikation (z. B. Baumwolle, Kohlen usw.), ferner für Maschinen, Apparate, Baulichkeiten; sodann was er an Grundrente (z. B. Miete) zahlen muß, und endlich der Arbeitslohn. Man kann also sagen, daß die Selbstkosten des Fabrikanten sich aus drei Posten zusammensetzen:

  1. den Produktionsmitteln (d. h. Rohstoffe, Hilfsstoffe, Maschinen, Apparate, Baulichkeiten);

  2. der zu entrichtenden Grundrente (die auch dann berechnet wird, wenn die Fabrik auf eigenem Grund und Boden steht);

  3. dem Arbeitslohn.

Betrachtet man nun jeden dieser drei Posten näher, so zeigen sich ungeahnte Schwierigkeiten. Nehmen wir zuerst den Arbeitslohn. Je höher oder niedriger er ist, desto höher oder niedriger sind die Selbstkosten, desto höher oder niedriger also auch der Preis der fertigen Ware. Aber wonach richtet sich die Höhe des Arbeitslohnes? Wir wollen sagen, nach Angebot und Nachfrage von Arbeitskraft. Die Nachfrage nach Arbeitskraft geht vom Kapital aus, das Arbeiter für seine Betriebe braucht. Starke Nachfrage nach Arbeitskräften ist also gleichbedeutend mit starker Zunahme des Kapitals. Woraus aber besteht das Kapital? Aus Geld und Waren. Oder vielmehr, da das Geld (wie später noch genauer gezeigt werden wird) auch nur eine Ware ist, so besteht das Kapital einfach aus Waren. Je wertvoller diese Waren, desto größer das Kapital, desto größer die Nachfrage nach Arbeitskräften und ihr Einfluß auf die Höhe des Lohns sowie – weiter wirkend – auf den Preis der Fabrikate. Wonach aber richtet sich der Wert (oder Preis) der Waren, die das Kapital bilden? Nach der Höhe der Selbstkosten, die zu ihrer eigenen Fabrikation nötig waren. Und unter diesen Selbstkosten befindet sich Arbeitslohn! Es wird also letzten Endes die Höhe des Arbeitslohns aus der – Höhe des Arbeitslohns erklärt oder der Preis der Waren aus dem – Preis der Waren!

Außerdem nützt uns das Hereinbringen der Konkurrenz (Nachfrage und Angebot von Arbeitskräften) nichts. Die Konkurrenz macht die Arbeitslöhne steigen oder fallen. Aber gesetzt, Nachfrage und Angebot von Arbeitskraft decken sich. Wodurch wird dann der Arbeitslohn bestimmt?

Oder aber, man nimmt an, daß der Arbeitslohn durch den Preis der notwendigen Lebensmittel der Arbeiter bestimmt wird. Die Lebensmittel jedoch sind selbst Waren, in deren Preisbestimmung der Arbeitslohn mitwirkt, und so liegt der Fehler sofort auf der Hand.

Ein zweiter Posten in den Selbstkosten des Fabrikanten waren die Produktionsmittel. Es bedarf keiner längeren Darlegungen, um einzusehen, daß die Baumwolle, die Maschinen, die Kohlen usw. ebenfalls Waren sind, für die genau das gleiche gilt wie für die Waren, welche die Lebensmittel der Arbeiter oder das Kapital der Kapitalisten bilden.

Der Versuch, die Höhe des Preises aus den Selbstkosten zu erklären, ist also kläglich mißlungen. Er läuft ganz einfach darauf hinaus, die Höhe des Preises aus sich selbst zu erklären.

Auf die Selbstkosten schlägt der Fabrikant den üblichen Profit. Hier scheinen alle Schwierigkeiten beseitigt, denn der Prozentsatz (die Rate) des Profits, den er sich berechnen muß, ist dem Fabrikanten bekannt, er ist in der Branche allgemein üblich. Natürlich schließt das nicht aus, daß ein einzelner Fabrikant infolge besonderer Umstände in einzelnen Fällen mehr oder weniger als den üblichen Profit nimmt. Aber im allgemeinen Durchschnitt ist der Profitsatz in allen Unternehmungen derselben Branche der gleiche. Es besteht also in der Branche eine gemeinsame Durchschnittsprofitrate.

Doch nicht nur das. Auch die Profitraten verschiedener Branchen werden durch die Konkurrenz in einen gewissen Einklang miteinander gesetzt. Das kann ja auch nicht anders sein. Denn sobald in einer Branche besonders hohe Profite gemacht werden, strömen die Kapitale aus anderen Branchen, die nicht so günstig gestellt sind, in die bevorzugte Branche hinein. Oder die fortwährend neu entstehenden Kapitale, die nach gewinnbringender Anlage suchen, wenden sich mit Vorliebe solchen besonders rentablen Branchen zu, die Produktion darin müßte alsbald bedeutend wachsen, und um die stark vermehrten Waren an den Mann zu bringen, müßten die Preise und damit die Profite ermäßigt werden. Das Umgekehrte müßte eintreten, wenn in irgendeiner Branche besonders niedrige Profite gemacht werden: die Kapitale würden diese Branche so schnell wie möglich verlassen, es würde darin um so viel weniger produziert, was eine Erhöhung der Preise und der Profite zur Folge haben müßte.

So wirkt die Konkurrenz auf eine allgemeine Ausgleichung der Profitraten in allen Branchen hin, und man kann mit Recht von einer allgemeinen Durchschnittsprofitrate sprechen, die in sämtlichen Zweigen der Produktion zwar nicht genau, aber doch annähernd die gleiche ist. Allerdings springt das nicht so in die Augen wie die Gleichheit der Profitrate innerhalb einer Branche, weil in den verschiedenen Branchen die allgemeinen Unkosten, die Verwendung und Abnutzung von Maschinen usw. sehr verschieden sein können. Um diese Verschiedenheiten auszugleichen, kann es sein, daß der Bruttoprofit – das ist derjenige Prozentsatz, den der Fabrikant auf seine errechneten Selbstkosten tatsächlich aufschlägt – in der einen Branche wesentlich höher oder niedriger ist als in der anderen. Dies verschleiert den wahren Sachverhalt. Aber nach Abzug der verschiedenen Unkostcn bleibt eben doch in den verschiedenen Branchen ein annähernd gleicher Nettoprofit übrig.

Da somit eine allgemeine Durchschnittsprofitrate besteht, so richtet sich die Höhe des Profits, den eine Unternehmung tatsächlich abwirft, nach der Größe ihres Kapitals. Zwar ist es – wie bereits erwähnt – nicht ganz gleichgültig, ob das Unternehmen Kanonen oder baumwollene Strümpfe fabriziert, weil je nach der Sicherheit der Anlage, der Leichtigkeit des Absatzes usw. der Profitsatz schwankt. Aber diese Unterschiede sind nicht allzu erheblich. Nehmen wir nun an, daß die allgemeine Durchschnittsprofitrate 10% betrage, so leuchtet ein, daß ein Kapital von einer Million 10mal so viel Profit erbringen muß als ein Kapital von 100000 M. (Natürlich unter der Voraussetzung sachgemäßer Geschäftsführung, sowie überhaupt ohne Berücksichtigung aller besonderen Glücks- oder Unglücksfälle, die ein einzelnes Unternehmen treffen können.)

Es kommt hinzu, daß nicht nur die Industriebetriebe – d. h. diejenigen Betriebe, die Waren produzieren – Profit machen, sondern auch die Handelsgeschäfte, welche nur den Umsatz der Waren vom Produzenten bis zum Konsumenten vermitteln; ebenso die Bankgeschäfte, die Transportunternehmer, die Eisenbahnen usw. Und bei ihnen allen richtet sich der Profit, wenn nur die Geschäfte ordentlich erledigt werden, nach der Höhe des in ihnen angelegten Kapitals. Was wunder, daß sich im Bewußtsein derer, welche praktisch mit der Erledigung dieser Geschäfte zu tun haben, die Überzeugung festsetzt, der Profit entstehe gewissermaßen von selbst aus dem Kapital; er wachse aus ihm empor, so wie die Früchte aus einem Baum, wenn er richtig gepflegt wird. Soweit aber nicht als Natureigenschaft des Kapitals, wird der Profit als Frucht der Arbeit des Kapitalisten angesehen. Denn in der Tat: wir mußten immer und immer wieder die Voraussetzung sachgemäßer Geschäftsführung machen. Sehr viel kommt auf die persönliche Tüchtigkeit des Geschaftsführers an. Fehlt es daran, so wird der Profit des einzelnen Unternehmens leicht unter die allgemeine Durchschnittsprofitrate herabsinken, während es einem tüchtigen Geschäftsführer gelingen mag, ihn darüber hinauszutreiben.

2 Profit und Warenumsatz7

Wie kann denn aber „von selbst“ ein Profit aus dem Kapital erwachsen? Zur Produktion einer Ware braucht der Kapitalist eine bestimmte Summe, sagen wir 100 M. Darin sollen seine ganzen Selbstkosten enthalten sein, also Rohstoffe, Zutaten, Arbeitslöhne, Abnutzung von Maschinen, Apparaten, Gebäuden usw. Er verkauft nachher die fertige Ware für 110 M. Annehmen, daß die fertige Ware wirklich 110 M wert sei, hieße annehmen, daß dieser ihr zugewachsene Wert während der Produktion aus nichts entstanden sei. Denn die Werte, die der Kapitalist mit den 100 M bezahlt hat, waren alle schon vor der Produktion dieser Ware vorhanden. Eine solche Schöpfung aus nichts widerstrebt allem gesunden Menschenverstande. Deshalb ist man von jeher und ist man auch heute noch meist der Ansicht, daß während der Produktion der Wert der Ware sich nicht vergrößert, sondern daß auch nach Fertigstellung der Ware der Kapitalist nur denselben Wert in Händen hat wie vorher – in unserem Beispiel also 100 M.

Wo sind aber dann die überschießenden 10 M hergekommen, die er beim Verkauf der Ware kriegt? Durch den bloßen Umstand, daß die Ware aus der Hand des Verkäufers in die des Käufers übergeht, kann ihr Wert ja auch nicht größer werden; denn auch dies wäre eine Schöpfung aus nichts.

Zwei Wege werden gewöhnlich eingeschlagen, um aus dieser Schwierigkeit herauszukommen; die einen sagen: die Ware ist in der Hand des Käufers wirklich mehr wert als in der des Verkäufers, weil sie dem Käufer ein Bedürfnis befriedigt, das der Verkäufer nicht hat; die anderen sagen: die Ware hat in der Tat nicht den Wert, den der Käufer zahlen muß, der Überschuß wird dem Käufer ohne Gegenwert abgenommen.

Betrachten wir beide Wege. Der französische Schriftsteller Condillac schrieb 1776 (in einer Abhandlung über Handel und Regierung): „Es ist falsch, daß man im Warenaustausch gleichen Wert gegen gleichen Wert gibt. Umgekehrt. Jeder der beiden Kontrahenten gibt immer einen kleineren Wert für einen größeren … Tauschte man in der Tat immer gleiche Werte aus, so wäre kein Gewinn zu machen für irgendeinen Kontrahenten. Aber alle beide gewinnen oder sollten doch gewinnen. Warum? Der Wert der Dinge besteht bloß in ihrer Beziehung auf unsere Bedürfnisse. Was für den einen mehr, ist für den andern weniger, und umgekehrt … Wir wollen eine uns nutzlose Sache weggeben, um eine uns notwendige zu erhalten; wir wollen weniger für mehr geben …“

Ein sonderbares Rechenexempel in der Tat! Wenn zwei Leute etwas miteinander austauschen, soll jeder dem andern mehr geben, als er kriegt? Das hieße: wenn ich vom Schneider einen Rock für 20 M kaufe, ist der Rock im Besitze des Schneiders weniger als 20 M wert, in meinem Besitze aber 20 M! Aber auch die Ausflucht, daß der Wert der Dinge bloß in ihrer Beziehung auf unsere Bedürfnisse besteht, hilft nicht weiter. Denn (abgesehen von der Verwechslung zwischen Gebrauchswert und Tauschwert, worauf später zurückzukommen) wenn auch der Rock dem Käufer nützlicher ist als das Geld, so ist doch dem Verkäufer das Geld nützlicher als der Rock.

Wird statt dessen angenommen, daß die Waren allgemein zu einem höheren Preise verkauft werden, als sie wert sind, so ergeben sich noch sonderbarere Konsequenzen. Gesetzt, es sei durch irgendein unerklärliches Privilegium dem Verkäufer gegeben, die Ware über ihrem Werte zu verkaufen, zu 110 M, wenn sie nur 100 M wert ist, also mit einem Preisaufschlag von 10%. Der Verkäufer kassiert also einen Mehrwert von 10 M ein. Aber nachdem er Verkäufer war, wird er Käufer. Ein dritter Warenbesitzer begegnet ihm jetzt als Verkäufer und genießt seinerseits das Privilegium, die Ware 10% zu teuer zu verkaufen. Unser Mann hat als Verkäufer 10 M gewonnen, um als Käufer 10 M zu verlieren. Das Ganze kommt in der Tat darauf hinaus, daß alle Warenbesitzer ihre Waren einander 10% über dem Wert verkaufen, was durchaus dasselbe ist, als ob sie sie zu ihren Werten verkauften. Die Geldnamen, d. h. die Preise der Waren würden anschwellen, aber ihre Wertverhältnisse unverändert bleiben.

Unterstellen wir umgekehrt, es sei das Privilegium des Käufers, die Waren unter ihrem Wert zu kaufen. Hier ist es nicht einmal nötig, zu erinnern, daß der Käufer wieder Verkäufer wird. Er war Verkäufer, bevor er Käufer ward. Er hat bereits 10% als Verkäufer verloren, bevor er 10% als Käufer gewinnt. Alles bleibt wieder beim alten.

Man mag einwenden, daß dieser Ausgleich des Verlustes durch nachfolgenden Gewinn nur für solche Käufer gilt, die später wieder verkaufen, daß es doch aber auch Menschen gibt, die nichts zu verkaufen haben. Die konsequenten Vertreter der Illusion, daß der Mehrwert aus einem nominellen Preisaufschlag entspringt oder aus dem Privilegium des Verkäufers, die Ware zu teuer zu verkaufen, unterstellen daher eine Klasse, die nur kauft, ohne zu verkaufen, also nur konsumiert, ohne zu produzieren. Aber das Geld, womit eine solche Klasse beständig kauft, muß ihr beständig ohne Austausch, umsonst, auf beliebige Rechts- und Gewaltstitel hin von den Warenbesitzern selbst zufließen. Dieser Klasse die Waren über dem Wert verkaufen heißt nur, umsonst weggegebenes Geld sich zum Teil wieder zurückschwindeln. So zahlten im Altertum die kleinasiatischen Städte jährlichen Geldtribut an Rom. Mit diesem Gelde kaufte Rom Waren von ihnen und kaufte sie zu teuer. Die Kleinasiaten prellten die Römer, indem sie den Eroberern einen Teil des Tributs wieder abluchsten auf dem Wege des Handels. Aber dennoch blieben die Kleinasiaten die Geprellten. Ihre Waren wurden ihnen nach wie vor mit ihrem eigenen Gelde gezahlt. Es ist dies keine Methode der Bereicherung oder der Bildung von Mehrwert.

Natürlich soll hiermit keineswegs bestritten werden, daß der einzelne Warenbesitzer sich durch Übervorteilung bei Kauf oder Verkauf bereichern kann. Warenbesitzer A mag so pfiffig sein, seine Kollegen B oder C übers Ohr zu hauen, während sie trotz des besten Willens die Revanche schuldig bleiben. A verkauft Wein zum Wert von 40 M an B und erwirbt im Austausch Getreide zum Wert von 50 M. A hat seine 40 M in 50 M verwandelt, mehr Geld aus weniger Geld gemacht. Aber sehen wir näher zu. Vor dem Austausch hatten wir für 40 M Wein in der Hand von A und für 50 M Getreide in der Hand von B, Gesamtwert 90 M. Nach dem Austausch haben wir denselben Gesamtwert von 90 M. Der umgesetzte Wert hat sich um kein Atom vergrößert, nur seine Verteilung zwischen A und B hat sich verändert. Derselbe Wechsel hätte sich ereignet, wenn A ohne die verhüllende Form des Austausches dem B 10 M direkt gestohlen hätte. Die Summe der umgesetzten Werte kann offenbar durch keinen Wechsel in ihrer Verteilung vermehrt werden, so wenig wie ein Jude die Masse der edlen Metalle in einem Lande dadurch vermehrt, daß er eine Kupfermünze aus dem 18. Jahrhundert für ein Goldstück verkauft. Die Gesamtheit der Kapitalistenklasse eines Landes kann sich nicht selbst übervorteilen.

Man mag sich also drehen und wenden, wie man will, das Fazit bleibt dasselbe. Werden gleiche Werte ausgetauscht, so entsteht kein Mehrwert, und werden ungleiche Werte ausgetauscht, so entsteht auch kein Mehrwert. Die Zirkulation oder der Warenaustausch schafft keinen Wert.

Jedenfalls kann die Wertvergrößerung, die nach dem Verkauf der Ware sichtbar wird, nicht durch den Verkauf entstanden sein. Sie kann nicht aus der Abweichung der Warenpreise von den Warenwerten erklärt werden. Weichen die Preise von den Werten wirklich ab, so muß man sie erst auf die letzteren reduzieren, d. h. von diesem Umstande als einem zufälligen absehen, um nicht durch störende Nebenumstände verwirrt zu werden. Übrigens geschieht diese Reduktion nicht nur in der Wissenschaft. Die beständigen Schwankungen der Marktpreise, ihr Steigen und Sinken, heben sich wechselseitig auf und reduzieren sich selbst zum Durchschnittspreis als ihrer inneren Regel. Diese bildet den Leitstern z. B. des Kaufmanns oder des Industriellen in jeder Unternehmung, die längeren Zeitraum umfaßt. Er weiß also, daß, eine längere Periode im ganzen betrachtet, die Waren wirklich weder unter noch über, sondern zu ihrem Durchschnittspreis verkauft werden. Demgemäß muß die Entstehung des Profits, die Wertvergrößerung erklärt werden unter der Voraussetzung, daß die Waren zu ihren wirklichen Werten verkauft werden. Dann aber muß offenbar der Mehrwert schon in der Produktion entstanden sein. Die Ware muß schon in dem Augenblick, wo sie fertig wird und sich noch in der Hand ihres ersten Verkäufers befindet, so viel wert sein, wie der letzte Käufer, der Konsument, schließlich dafür zahlt. Mit anderen Worten: ihr Wert muß die Selbstkosten des Fabrikanten übersteigen, es muß während der Produktion der Ware neuer Wert entstanden sein.

Dies führt uns auf die Frage, wie denn der Wert der Waren überhaupt entsteht.

3 Gebrauchswert und Tauschwert. Die gesellschaftlich notwendige Arbeit8

Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Jedes nützliche Ding, wie Eisen, Papier usw. ist unter doppeltem Gesichtspunkt zu betrachten, nach Qualität (Beschaffenheit) und Quantität (Menge). Jedes solche Ding hat viele Eigenschaften und kann daher nach verschiedenen Seiten nützlich sein. Die Nützlichkeit eines Dings macht es zum Gebrauchswert. Aber diese Nützlichkeit schwebt nicht in der Luft. Durch die Eigenschaften des Warenkörpers bedingt, existiert sie nicht ohne ihn. Der Warenkörper selbst, wie Eisen, Weizen, Diamant usw. ist daher ein Gebrauchswert oder Gut.

Der Tauschwert erscheint zunächst als das quantitative Verhältnis, worin sich Gebrauchswerte einer Art gegen Gebrauchswerte anderer Art austauschen. Eine bestimmte Menge von einer Ware wird regelmäßig ausgetauscht gegen so und so viel von einer anderen Ware: das ist ihr Tauschwert – ein Verhältnis, das beständig mit Zeit und Ort wechselt. Der Tauschwert scheint daher etwas Zufälliges und rein Relatives zu sein, d. h. (wie Condillac es ausdrückte) er scheint „bloß in der Beziehung der Waren auf unsere Bedürfnisse zu bestehen“. Ein den Waren innewohnender Tauschwert scheint ein Widersinn zu sein. Betrachten wir die Sache näher.

Eine gewisse Ware, ein Zentner Weizen z. B., tauscht sich mit so und so viel Stiefelwichse oder mit so und so viel Seide oder mit so und so viel Gold usw., kurz mit anderen Waren in den verschiedensten Proportionen. Mannigfache Tauschwerte also hat der Weizen. Aber da diese bestimmten Mengen Stiefelwichse, Seide, Gold usw. der Tauschwert von einem Zentner Weizen sind, müssen sie gleich große Tauschwerte sein. Es folgt daher erstens: die gültigen Tauschwerte derselben Ware drücken ein Gleiches aus. Zweitens aber: es muß überhaupt hinter dem Tauschwert ein Gehalt stecken, den er nur ausdrückt.

Nehmen wir ferner zwei Waren, z. B. Weizen und Eisen. Welches immer ihr Austauschverhältnis, es ist stets darstellbar in einer Gleichung, worin ein gegebenes Quantum Weizen irgendeinem Quantum Eisen gleichgesetzt wird. Zum Beispiel ein Zentner Weizen ist gleich zwei Zentner Eisen. Was besagt diese Gleichung? Daß ein Gemeinsames von derselben Größe in zwei verschiedenen Dingen existiert, in einem Zentner Weizen und ebenfalls in zwei Zentnern Eisen. Beide sind also gleich einem Dritten, das an und für sich weder das eine noch das andere ist. Jedes der beiden, soweit es Tauschwert, muß also auf dieses Dritte reduzierbar sein.

Dieses Gemeinsame kann keine natürliche Eigenschaft der Waren sein. Ihre körperlichen Eigenschaften kommen überhaupt nur in Betracht, soweit selbe sie nutzbar machen, also zu Gebrauchswerten. Im Tauschverhältnis wird augenscheinlich vom Gebrauchswert der Waren gerade abgesehen. Da gilt ein Gebrauchswert gerade so viel wie jeder andere, wenn er nur in gehöriger Proportion vorhanden ist. Oder, wie der alte Barbon (1696) sagt: „Die eine Warensorte ist so gut wie die andere, wenn ihr Tauschwert gleich groß ist. Es existiert keine Verschiedenheit oder Unterscheidbarkeit zwischen Dingen von gleich großem Tauschwert … Für 100 M Blei oder Eisen sind von ebenso großem Tauschwert wie für 100 M Silber und Gold.“ Als Gebrauchswerte sind die Waren vor allem von verschiedener Qualität, als Tauschwerte können sie nur von verschiedener Quantität sein.

Sieht man nun vom Gebrauchswert der Warenkörper ab, so bleibt ihnen nur noch eine Eigenschaft, die von Arbeitsprodukten. Jedoch ist uns auch das Arbeitsprodukt bereits in der Hand verwandelt. Sehen wir von seinem Gebrauchswert ab, so sehen wir auch von den körperlichen Bestandteilen und Formen ab, die es zum Gebrauchswert machen. Es ist nicht länger Tisch oder Haus oder Garn oder sonst ein nützlich Ding. Alle seine sinnlichen Beschaffenheiten sind ausgelöscht. Es ist auch nicht länger das Produkt der Tischlerarbeit oder der Bauarbeit oder der Spinnarbeit oder sonst einer bestimmten produktiven Arbeit. Sondern es ist nur noch ein Produkt menschlicher Arbeit schlechthin, abstrakt menschlicher Arbeit, d. h. ein Produkt der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft ohne Rücksicht auf die Form ihrer Verausgabung, ohne Rücksicht darauf, ob sie von einem Tischler, einem Maurer, einem Spinner usw. verausgabt ist. Diese Dinge stellen nur noch dar, daß in ihrer Produktion menschliche Arbeitskraft verausgabt, menschliche Arbeit aufgehäuft ist.

Ein Gebauchswert oder Gut hat also nur deshalb einen Wert, weil abstrakt menschliche Arbeit in ihm vergegenständlicht ist. Wie nun die Größe seines Wertes messen? Durch das Quantum der in ihm enthaltenen „wertbildenden Substanz“, der Arbeit. Die Quantität der Arbeit selbst mißt sich an ihrer Zeitdauer, und die Arbeitszeit besitzt wieder ihren Maßstab an bestimmten Zeitteilen, wie Stunde, Tag usw.

Wenn der Wert einer Ware durch das während ihrer Produktion verausgabte Quantum Arbeit bestimmt ist, so könnte es scheinen, daß, je fauler oder ungeschickter ein Mann, desto wertvoller seine Ware, weil er desto mehr Zeit zu ihrer Verfertigung braucht. Die Arbeit jedoch, welche die Substanz der Werte bildet, ist gleiche menschliche Arbeit, Verausgabung derselben menschlichen Arbeitskraft. Die gesamte Arbeitskraft der Gesellschaft, die sich in den Werten der Warenwelt darstellt, gilt hier als eine und dieselbe menschliche Arbeitskraft, obgleich sie aus zahllosen individuellen Arbeitskräften besteht. Jede dieser individuellen Arbeitskräfte ist dieselbe menschliche Arbeitskraft wie die andere, soweit sie eine gesellschaftliche Durchschnittsarbeitskraft ist und als solche gesellschaftliche Durchschnittsarbeitskraft wirkt, also in der Produktion einer Ware auch nur die im Durchschnitt notwendige oder gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit braucht. Gesellschaftlich notwendig ist nur diejenige Arbeitszeit, welche erforderlich ist, um irgendeinen Gebrauchswert mit den vorhandenen normalen Produktionsbedingungen und dem gesellschaftlichen Durchschnittsgrad von Geschick und Intensität der Arbeit herzustellen. Nach der Einführung des Dampfwebstuhles in England z. B. genügte vielleicht halb so viel Arbeit als vorher, um ein gegebenes Quantum Garn in Gewebe zu verwandeln. Der englische Handweber brauchte zu dieser Verwandlung in der Tat nach wie vor dieselbe Arbeitszeit, aber das Produkt seiner individuellen Arbeitsstunde stellte jetzt nur noch eine halbe gesellschaftliche Arbeitsstunde dar und fiel daher auf die Hälfte seines früheren Wertes.

Es ist also nur das Quantum gesellschaftlich notwendiger Arbeit oder die zur Herstellung eines Gebrauchswertes gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit, welche seine Wertgröße bestimmt. Die einzelne Ware gilt hier überhaupt als Durchschnittsexemplar ihrer Art. Waren, worin gleich große Arbeitsquanta enthalten sind oder die in derselben Arbeitszeit hergestellt werden können, haben daher dieselbe Wertgröße. Der Wert einer Ware verhält sich zum Wert jeder anderen Ware wie die zur Produktion der einen notwendige Arbeitszeit zu der für die Produktion der anderen notwendigen Arbeitszeit. „Als Werte sind alle Waren nur bestimmte Masse festgeronnener Arbeitszeit.“9

Die Wertgröße einer Ware bliebe daher unverändert, wäre die zu ihrer Produktion erheischte Arbeitszeit immer dieselbe. Letztere wechselt aber mit jedem Wechsel in der Produktivkraft der Arbeit. Die Produktivkraft der Arbeit ist durch mannigfache Umstände bestimmt, unter anderen durch den Durchschnittsgrad des Geschickes der Arbeiter, die Entwicklungsstufe der Wissenschaft und ihrer technologischen Anwendbarkeit, die Art, wie der Produktionsprozeß geregelt ist, den Umfang und die Wirkungsfähigkeit der Produktionsmittel und durch Naturverhältnisse. Dasselbe Quantum Arbeit stellt sich z. B. mit günstiger Jahreszeit in doppelt so viel Weizen dar wie mit ungünstiger. Dasselbe Quantum Arbeit liefert mehr Metalle in reichhaltigen als in armen Minen usw. Diamanten kommen selten in der Erdrinde vor, und sie zu finden, kostet daher im Durchschnitt viel Arbeitszeit. Folglich stellen sie in wenig Produkt viel Arbeit dar. Mit reichhaltigeren Gruben würde dasselbe Arbeitsquantum sich in mehr Diamanten darstellen und ihr Wert sinken. Gelingt es, mit wenig Arbeit Kohle in Diamant zu verwandeln, so kann sein Wert unter den von Ziegelsteinen fallen. Allgemein: je größer die Produktivkraft der Arbeit, desto kleiner die zur Herstellung eines Artikels erheischte Arbeitszeit, desto kleiner die in ihm enthaltene Arbeitsmasse, desto kleiner sein Wert. Umgekehrt, je kleiner die Produktivkraft der Arbeit, desto größer die zur Herstellung eines Artikels notwendige Arbeitszeit, desto größer sein Wert.

Ein Ding kann Gebrauchswert sein, ohne Wert zu sein. Es ist dies der Fall, wenn sein Nutzen den Menschen ohne Arbeit zur Verfügung steht. So Luft, jungfräulicher Boden, natürliche Wiesen, wildwachsendes Holz usw. Ein Ding kann nützlich und Produkt menschlicher Arbeit sein, ohne Ware zu sein. Wer durch sein Produkt sein eigenes Bedürfnis befriedigt, schafft zwar Gebrauchswert, aber nicht Ware. Um Ware zu produzieren, muß er nicht nur Gebrauchswert produzieren, sondern Gebrauchswert für andere, gesellschaftlichen Gebrauchswert. Endlich kann kein Ding Wert sein, ohne Gebrauchsgegenstand zu sein. Ist es nutzlos, so ist auch die in ihm enthaltene Arbeit nutzlos, zählt nicht als Arbeit und bildet daher keinen Wert.

4 Kauf und Verkauf der Arbeitskraft10

Nachdem wir gesehen haben, daß der Wert der Waren nichts anderes ist als die in ihnen enthaltene menschliche Arbeit, kehren wir zu der Frage zurück, wie es kommt, daß der Fabrikant aus der Produktion seiner Waren einen größeren Wert herausziehen kann, als er in sie hineingetan hat.

Wir wiederholen die Fragestellung: Zur Produktion einer bestimmten Ware braucht der Kapitalist eine bestimmte Summe, sagen wir 100 M. Nachher verkauft er die fertige Ware für 110 M. Da die Untersuchung gezeigt hat, daß der überschießende Wert von 10 M nicht in der Zirkulation (d. h. im Umsatz der Waren) entstanden sein kann, muß er in der Produktion entstanden sein. Und nun handelt es sich darum, nachzuweisen, wie das zugegangen ist.

Zwar ist das Problem zum Teil gelöst, sobald man weiß, daß Wert durch gesellschaftlich notwendige Arbeit entsteht. Um aus den vorhandenen Produktionsmitteln, z. B. Spinnmaschinen und Baumwolle nebst Zubehör, Garn zu machen, wird in der Spinnerei Arbeit geleistet. Soweit diese Arbeit gesellschaftlich notwendig ist, erzeugt sie Wert. Sie setzt also den vorhandenen Produktionsstoffen – in diesem Fall der rohen Baumwolle – einen neuen Wert zu, indem sie zugleich den Wert der vernutzten Maschinen usw. auf das Garn überträgt. Es bleibt jedoch die Schwierigkeit, daß der Kapitalist auch die neu geleistete Arbeit in seinen Selbstkosten bezahlt zu haben scheint. Denn neben dem Wert der Maschinen, Gebäude, Rohstoffe und Zutaten figuriert in seinen Selbstkosten auch der Arbeitslohn. Und den zahlt er doch eben für die geleistete Spinnarbeit. Es scheint also, daß alle nach der Produktion vorhandenen Werte auch schon vor der Produktion vorhanden gewesen seien.

Indessen leuchtet ein, daß der Wert, welcher durch die Spinnarbeit neu erzeugt wird, nicht unbedingt übereinstimmen muß mit dem Wert, welchen der Kapitalist als Arbeitslohn bezahlt. Er kann größer oder kleiner sein. Ist er größer, so hätten wir hier den Ursprung des Mehrwerts gefunden.

Aber haben wir denn nicht die Voraussetzung gemacht, daß bei allen Käufen und Verkäufen der richtige Wert gezahlt wird? Haben wir uns nicht überzeugt, daß Abweichungen der Preise von den Werten zwar oft vorkommen, daß sie uns aber nichts erklären? Es kann deshalb auch der Fall, daß der Kapitalist den Arbeiter unter seinem Wert bezahlt – mag dieser Fall noch so oft vorkommen –, hier nur als Ausnahme betrachtet werden. Die Entstehung des Mehrwertes muß auch für den normalen Fall erklärt werden, daß der Kapitalist den vollen Wert dessen bezahlt, was er für den Arbeitslohn kauft. Es muß deshalb dieser besondere Kauf und Verkauf, der zwischen Kapitalist und Arbeiter vor sich geht, näher betrachtet werden.

Was der Kapitalist durch Zahlung des Lohns in seinen Dienst stellt, was er also dem Arbeiter abkauft, ist dessen Arbeitsvermögen oder Arbeitskraft. Damit jedoch der Geldbesitzer die Arbeitskraft kaufen kann, müssen verschiedene Bedingungen erfüllt sein. Die Arbeitskraft kann als Ware auf dem Markte nur erscheinen, sofern und weil sie von ihrem eigenen Besitzer zum Verkauf angeboten wird. Damit ihr Besitzer sie als Ware verkaufe, muß er über sie verfügen können, also freier Eigentümer seines Arbeitsvermögens, seiner Person sein. Er und der Geldbesitzer begegnen sich auf dem Markt und treten in Verhältnis zueinander als ebenbürtige Warenbesitzer, nur dadurch unterschieden, daß der eine Käufer, der andere Verkäufer, also beide juristisch gleiche Personen sind. Die Fortdauer dieses Verhältnisses erheischt, daß der Eigentümer der Arbeitskraft sie stets nur für eine bestimmte Zeit verkaufe. Denn verkauft er sie in Bausch und Bogen, ein für allemal, so verkauft er sich selbst, verwandelt sich aus einem Freien in einen Sklaven, aus einem Warenbesitzer in eine Ware.

Die zweite wesentliche Bedingung, damit der Geldbesitzer die Arbeitskraft auf dem Markt als Ware vorfinde, ist die, daß ihr Besitzer, statt Waren verkaufen zu können, worin sich seine Arbeit vergegenständlicht hat, vielmehr seine Arbeitskraft selbst, die nur in seiner lebendigen Leiblichkeit existiert, als Ware feilbieten muß. Dies ist der Fall, wenn er keine Produktionsmittel besitzt, z. B. Rohstoffe, Arbeitsinstrumente usw., deren er zur Herstellung von Waren bedarf, und auch keine Lebensmittel, um bis zur Fertigstellung und bis zum Verkauf der Waren sich erhalten zu können.

Der Geldbesitzer muß also den freien Arbeiter auf dem Warenmarkt vorfinden, frei in dem Doppelsinn, daß er als freie Person über seine Arbeitskraft als Ware verfügt, und daß er andererseits andere Waren nicht zu verkaufen hat, los und ledig, frei ist von allen zur Betätigung seiner Arbeitskraft nötigen Sachen.

Die Frage, warum dieser freie Arbeiter ihm auf dem Warenmarkte gegenübertritt, interessiert den Geldbesitzer nicht. Und einstweilen interessiert sie uns ebensowenig. Eins jedoch ist klar: die Natur produziert nicht auf der einen Seite Geld- oder Warenbesitzer und auf der anderen bloße Besitzer der eigenen Arbeitskräfte. Dieses Verhältnis ist kein naturgeschichtliches und ebensowenig ein gesellschaftliches, das allen Geschichtsperioden gemein wäre. Es ist offenbar selbst das Resultat einer vorhergegangenen historischen Entwicklung, das Produkt vieler ökonomischer Umwälzungen, des Unterganges einer ganzen Reihe älterer Formationen der gesellschaftlichen Produktion.

Diese eigentümliche Ware, die Arbeitskraft, ist nun näher zu betrachten. Gleich allen anderen Waren besitzt sie einen Wert. Wie wird er bestimmt?

Der Wert der Arbeitskraft, gleich dem jeder anderen Ware, ist bestimmt durch die zu ihrer Produktion, also auch Reproduktion (Neuherstellung) notwendige Arbeitszeit. Die Arbeitskraft existiert nur als Anlage des lebendigen Individuums, setzt also seine Existenz voraus. Ist das Individuum vorhanden, so wird die Arbeitskraft erzeugt durch seine eigene Erhaltung. Zu seiner Erhaltung bedarf das lebendige Individuum einer gewissen Summe von Lebensmitteln. Die zur Produktion der Arbeitskraft notwendige Arbeitszeit löst sich also auf in die zur Produktion dieser Lebensmittel notwendige Arbeitszeit, oder der Wert der Arbeitskraft ist der Wert der zur Erhaltung ihres Besitzers notwendigen Lebensmittel.

Die Summe der Lebensmittel muß hinreichen, das arbeitende Individuum in seinem normalen Lebenszustand zu erhalten. Die natürlichen Bedürfnisse selbst, wie Nahrung, Kleidung, Heizung, Wohnung usw., sind verschieden je nach der natürlichen Beschaffenheit eines Landes. Andererseits hängt der Umfang der sogenannten notwendigen Bedürfnisse wie die Art ihrer Befriedigung großenteils von der Kulturstufe eines Landes ab, unter anderem auch wesentlich davon, unter welchen Bedingungen und daher mit welchen Gewohnheiten und Lebensansprüchen die Klasse der freien Arbeiter sich gebildet hat. Im Gegensatz zu den anderen Waren enthält also die Wertbestimmung der Arbeitskraft ein historisches und moralisches Element. Für ein bestimmtes Land, zu einer bestimmten Zeit jedoch ist der Durchschnittsumkreis der notwendigen Lebensmittel gegeben.

Der Eigentümer der Arbeitskraft ist sterblich. Soll seinesgleichen dauernd auf dem Markt erscheinen, wie es die dauernden Bedürfnisse des Kapitals verlangen, so müssen die durch Abnutzung oder Tod dem Markt entzogenen Arbeitskräfte zum allermindesten durch eine gleiche Zahl neuer Arbeitskräfte ersetzt werden. Die Summe der zur Produktion der Arbeitskraft notwendigen Lebensmittel schließt also die Lebensmittel der Ersatzkräfte ein, d. h. der Kinder der Arbeiter. – Ferner gehören dazu die Ausbildungskosten zum Erlernen der für einen bestimmten Arbeitszweig erheischten Geschicklichkeit und Fertigkeiten, Kosten, die allerdings für die gewöhnliche Arbeitskraft verschwindend klein sind.

Der Wert der Arbeitskraft besteht aus dem Wert einer bestimmten Summe von Lebensmitteln. Er wechselt daher auch mit dem Wert dieser Lebensmittel, d. h. mit der Größe der zu ihrer Produktion erheischten Arbeitszeit. Ein Teil der Lebensmittel, z. B. Nahrungsmittel, Heizmaterial usw., werden täglich verzehrt und müssen täglich ersetzt werden. Andere Lebensmittel, wie Kleider, Möbel usw. verbrauchen sich in längeren Zeiträumen und sind daher nur in längeren Zeiträumen zu ersetzen. Waren einer Art müssen täglich, andere wöchentlich, vierteljährlich usw. gekauft oder gezahlt werden. Wie sich die Summe dieser Ausgaben aber immer während eines Jahres z. B. verteilen möge, sie muß gedeckt sein durch die Durchschnittseinnahmen tagein, tagaus. Der wirkliche Tageswert der Arbeitskraft wird also herauskommen, wenn man den Wert aller notwendigen Lebensmittel, die der Arbeiter das Jahr über verbraucht, zusammenzählt und die Summe durch 365 teilt. Angenommen, in dieser für den Durchschnittstag nötigen Warenmenge steckten sechs Stunden gesellschaftlicher Arbeit, so vergegenständlicht sich in der Arbeitskraft täglich ein halber Tag gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit oder ein halber Arbeitstag ist zur täglichen Produktion der Arbeitskraft erheischt.11 Dieses zu ihrer täglichen Produktion erheischte Arbeitsquantum bildet den Tageswert der Arbeitskraft oder den Wert der täglich reproduzierten Arbeitskraft. Wenn sich ein halber Tag gesellschaftlicher Durchschnittsarbeit ebenfalls in einer Goldmenge zum Werte von 3 M oder einem Taler darstellt, so ist ein Taler der dem Tageswert der Arbeitskraft entsprechende Preis. Bietet der Besitzer der Arbeitskraft sie feil für einen Taler täglich, so ist ihr Verkaufspreis gleich ihrem Wert, und nach unserer Voraussetzung zahlt der Geldbesitzer diesen Wert.

Die eigentümliche Natur der Ware Arbeitskraft bringt es mit sich, daß mit der Abschließung des Kontrakts zwischen Käufer und Verkäufer ihr Gebrauchswert noch nicht wirklich in die Hand des Käufers übergegangen ist. Ihr Gebrauchswert besteht erst in der nachträglichen Kraftäußerung. Die Veräußerung der Kraft und ihre wirkliche Äußerung fallen daher der Zeit nach auseinander. Bei solchen Waren aber, wo die formelle Veräußerung des Gebrauchswerts durch den Verkauf und seine wirkliche Überlassung an den Käufer der Zeit nach auseinanderfallen, geschieht die Zahlung meist auch erst nachträglich. In allen Ländern kapitalistischer Produktionsweise wird die Arbeitskraft erst gezahlt, nachdem sie bereits funktioniert hat, z. B. am Ende jeder Woche. Überall schießt daher der Arbeiter dem Kapitalisten den Gebrauchswert der Arbeitskraft vor; er läßt sie vom Kaufer konsumieren, bevor er ihren Preis bezahlt erhält. Überall kreditiert daher der Arbeiter dem Kapitalisten.

5 Wie der Mehrwert entsteht12

Der Gebrauch der Arbeitskraft ist die Arbeit selbst. Der Käufer der Arbeitskraft konsumiert sie, indem er ihren Verkäufer arbeiten läßt. Mit Kennerblick hat der Kapitalist die für sein besonderes Geschäft, Spinnerei, Stiefelfabrikation usw., passenden Produktionsmittel und Arbeitskräfte ausgewählt und läßt nun den Arbeiter durch seine Arbeit die Produktionsmittel verbrauchen. Er muß die Arbeitskraft zunächst nehmen, wie er sie vorfindet, also auch ihre Arbeit, wie sie zu einer Zeit entsprang, wo es noch keinen Kapitalisten gab. Die Verwandlung der Produktionsweise selbst durch die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital kann sich erst später ereignen und ist daher erst später zu betrachten.

Der Arbeitsprozeß, als Gebrauch der dem Kapitalisten verkauften Arbeitskraft des Arbeiters, zeigt nun zwei Eigentümlichkeiten.

Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten. Dieser paßt auf, daß die Arbeit ordentlich vonstatten geht und die Produktionsmittel zweckmäßig verwandt werden. Mit anderen Worten: die Selbständigkeit des Arbeiters beim Arbeitsprozeß ist dahin.

Zweitens aber: Das Produkt ist Eigentum des Kapitalisten, nicht des Arbeiters. Da der Kapitalist – nach unserer Voraussetzung – den Tageswert der Arbeitskraft zahlt, so gehört ihm deren Gebrauch. Ebenso gehören ihm die anderen zur Erzeugung des Produkts nötigen Elemente, die Produktionsmittel. Folglich geht der Arbeitsprozeß zwischen Dingen vor sich, die der Kapitalist sämtlich gekauft hat, und somit ist das Produkt sein Eigentum.

Dieses Produkt ist ein Gebrauchswert, Garn, Stiefel usw. Aber obgleich Stiefel z. B. gewissermaßen die Basis des gesellschaftlichen Fortschritts bilden und unser Kapitalist ein entschiedener Fortschrittsmann ist, fabriziert er die Stiefel nicht ihrer selbst wegen. Gebrauchswerte werden hier überhaupt nur produziert, weil und sofern sie Träger des Tauschwerts sind. Unserm Kapitalisten handelt es sich um zweierlei: Erstens will er einen Gebrauchswert produzieren, der einen Tauschwert hat, einen zum Verkauf bestimmten Artikel, eine Ware. Und zweitens will er eine Ware produzieren, deren Wert höher ist als die Wertsumme der Produktionsmittel und der Arbeitskraft, für die er sein gutes Geld auf dem Warenmarkt vorschoß. Er will nicht nur einen Gebrauchswert produzieren, sondern Wert, und nicht nur Wert, sondern auch Mehrwert.

Wir wissen, daß der Wert jeder Ware bestimmt ist durch das Quantum der in ihr enthaltenen Arbeit. Dies gilt auch für das Produkt, das sich unserm Kapitalisten als Resultat des Arbeitsprozesses ergab. Es ist also zunächst die in diesem Produkt vergegenständlichte Arbeit zu berechnen.

Es sei z. B. Garn. Zur Herstellung des Garns war zuerst sein Rohmaterial nötig, z. B. 10 Pfund Baumwolle. Wie hoch der Wert der Baumwolle, ist nicht erst zu untersuchen, denn der Kapitalist hat sie zu ihrem Wert, z. B. zu 10 M, gekauft. In dem Preis der Baumwolle ist die zu ihrer Produktion erheischte Arbeit schon als allgemein gesellschaftliche Arbeit dargestellt. Wir wollen ferner annehmen, daß die in der Verarbeitung der Baumwolle verzehrten Arbeitsmittel, die Spindeln usw., einen Wert von 2 M besitzen. Ist eine Goldmenge von 12 M das Produkt von 24 Arbeitsstunden oder 2 Arbeitstagen, so folgt zunächst, daß im Garn 2 Arbeitstage vergegenständlicht sind. Die zur Produktion der Baumwolle erheischte Arbeitszeit ist Teil der zur Produktion des Garns, dessen Rohmaterial sie bildet, erheischten Arbeitszeit und deshalb im Garn enthalten. Ebenso verhält es sich mit der Arbeitszeit, die zur Produktion der Spindeln erheischt ist, ohne deren Verschleiß die Baumwolle nicht versponnen werden kann. Jedoch ist vorausgesetzt, daß nur die unter den gegebenen gesellschaftlichen Produktionsbedingungen notwendige Arbeitszeit verwandt wurde. Wäre also nur 1 Pfund Baumwolle nötig, um 1 Pfund Garn zu spinnen, so darf nur 1 Pfund Baumwolle verzehrt sein in der Bildung von 1 Pfund Garn. Ebenso verhält es sich mit der Spindel. Hat der Kapitalist die Phantasie, goldene statt eiserner Spindeln anzuwenden, so zählt im Garnwert dennoch nur die gesellschaftlich notwendige Arbeit, d. h. die zur Produktion eiserner Spindeln notwendige Arbeitszeit.

Nunmehr handelt es sich um den Wertteil, welchen die Arbeit des Spinners selbst der Baumwolle zusetzt. Wir nehmen an, daß die Spinnarbeit einfache Arbeit, gesellschaftliche Durchschnittsarbeit ist. Man wird später sehen, daß die gegenteilige Annahme nichts an der Sache ändert.

Es ist nun entscheidend wichtig, daß während der Dauer des Spinnprozesses nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit verzehrt wird. Müssen unter normalen Produktionsbedingungen 1231\frac{2}{3} Pfund Baumwolle während einer Arbeitsstunde in 1231\frac{2}{3} Pfund Garn verwandelt sein,13 so gilt nur der Arbeitstag als Arbeitstag von 12 Stunden, der 12×12312\times 1\frac{2}{3} Pfund Baumwolle in 12×12312\times 1\frac{2}{3} Pfund Garn verwandelt. Denn nur die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zählt als wertbildend.

Daß die Arbeit gerade Spinnarbeit, ihr Material Baumwolle und ihr Produkt Garn, ist für die Wertbildung vollkommen gleichgültig. Wäre der Arbeiter, statt in der Spinnerei, in der Kohlengrube beschäftigt, so wäre der Arbeitsgegenstand, die Kohle, von Natur vorhanden. Dennoch stellte ein bestimmtes Quantum aus dem Bett losgebrochener Kohle, z. B. 1 Zentner, ein bestimmtes Quantum aufgesaugter Arbeit dar.

Beim Verkauf der Arbeitskraft ward unterstellt, daß ihr Tageswert = 3 M, und daß in 3 M 6 Arbeitsstunden verkörpert sind, daß also 6 Arbeitsstunden erforderlich sind, um die Durchschnittssumme der täglichen Lebensmittel des Arbeiters zu produzieren. Verwandelt unser Spinner nun während einer Arbeitsstunde 1231\frac{2}{3} Pfund Baumwolle in 1231\frac{2}{3} Pfund Garn, so in 6 Stunden 10 Pfund Baumwolle in 10 Pfund Garn. Während der Dauer des Spinnprozesses saugt die Baumwolle also 6 Arbeitsstunden ein. Dieselbe Arbeitszeit stellt sich in einem Goldquantum von 3 M dar. Der Baumwolle wird also durch das Spinnen selbst ein Wert von 3 M zugesetzt.

Sehen wir uns nun den Gesamtwert des Produkts, der 10 Pfund Garn, an. In ihnen sind 2122\frac{1}{2} Arbeitstage vergegenständlicht, 2 Tage enthalten in Baumwolle und Arbeitsmitteln, 12\frac{1}{2} Tag Arbeit eingesaugt während des Spinnprozesses. Dieselbe Arbeitszeit stellt sich in einer Goldmasse von 15 M dar. Der dem Wert der 10 Pfund Garn entsprechende Preis beträgt also 15 M, der Preis eines Pfundes Garn 1121\frac{1}{2} M.

Unser Kapitalist stutzt. Der Wert des Produkts ist gleich dem Wert des vorgeschossenen Kapitals. Der vorgeschossene Wert hat sich nicht verwertet, hat keinen Mehrwert erzeugt. Der Preis der 10 Pfund Garn ist 15 M, und 15 M wurden verausgabt: 10 M für Baumwolle, 2 M für die verzehrten Arbeitsmittel und 3 M für Arbeitskraft.

Der Kapitalist sagt vielleicht, er habe sein Geld mit der Absicht vorgeschossen, mehr Geld daraus zu machen. Der Weg zur Hölle ist jedoch mit guten Absichten gepflastert, und er konnte ebensogut der Absicht sein, Geld zu machen, ohne zu produzieren. Er droht. Man werde ihn nicht wieder ertappen. Künftig werde er die Ware fertig auf dem Markt kaufen, statt sie selbst zu fabrizieren. Wenn aber alle seine Brüder Kapitalisten desgleichen tun, wo soll er Ware auf dem Markt finden? Und Geld kann er nicht essen. Er wird salbungsvoll. Man soll seine Aufopferung bedenken. Er konnte seine 15 M verprassen. Statt dessen hat er sie produktiv verwandt und Garn daraus gemacht. Aber dafür ist er ja im Besitz von Garn statt von Gewissensbissen. Außerdem, wo nichts ist, hat der Kaiser sein Recht verloren. Welches immer das Verdienst seiner Entsagung, es ist nichts da, um sie extra zu zahlen, da der Wert des Produkts, das aus dem Prozeß herauskommt, nur gleich der Summe der hineingeworfenen Warenwerte. Er beruhige sich also dabei, daß Tugend der Tugend Lohn. Statt dessen wird er zudringlich. Das Garn ist ihm unnütz. Er hat es für den Verkauf produziert. So verkaufe er es oder, noch besser, produziere in Zukunft nur Dinge für seinen eigenen Bedarf. Er stellt sich trutzig auf die Hinterbeine. Sollte der Arbeiter mit seinen eigenen Gliedmaßen in der blauen Luft Waren produzieren? Gab er ihm nicht den Stoff, womit und worin er allein seine Arbeit verleiblichen kann? Da nun der größte Teil der Gesellschaft aus solchen Habenichtsen besteht, hat er nicht der Gesellschaft durch seine Produktionsmittel, seine Baumwolle und seine Spindeln, einen unermeßlichen Dienst erwiesen? Nicht dem Arbeiter selbst, den er obendrein noch mit Lebensmitteln versah? Und soll er den Dienst nicht berechnen? Hat der Arbeiter ihm aber nicht den Gegendienst erwiesen, Baumwolle und Spindel in Garn zu verwandeln? Außerdem handelt es sich hier nicht um Dienste. Ein Dienst ist nichts als die nützliche Wirkung eines Gebrauchswerts, sei es der Ware, sei es der Arbeit. Hier aber gilt’s den Tauschwert. Er zahlte dem Arbeiter den Wert von 3 M. Der Arbeiter gab ihm einen genau gleichen Wert zurück in dem der Baumwolle zugesetzten Wert von 3 M, Wert für Wert. Unser Freund, eben noch so kapitalübermütig, nimmt plötzlich die anspruchslose Haltung seines eigenen Arbeiters an. Hat er nicht selbst gearbeitet?, nicht die Arbeit der Überwachung, der Oberaufsicht über den Spinner verrichtet? Bildet diese seine Arbeit nicht auch Wert? Sein eigener Werkmeister und sein Geschäftsführer zucken die Achseln. Unterdes hat er aber bereits mit heiterem Lächeln seine alte Miene wieder angenommen. Er foppte uns mit der ganzen Litanei. Er gibt keinen Deut darum. Er überläßt diese und ähnliche faule Ausflüchte und hohle Flausen den dafür eigens bezahlten Professoren der politischen Ökonomie. Er selbst ist ein praktischer Mann, der zwar nicht immer bedenkt, was er außerhalb des Geschäfts sagt, aber stets weiß, was er im Geschäft tut.

Sehen wir näher zu. Der Tageswert der Arbeitskraft betrug 3 M, weil in ihr selbst ein halber Arbeitstag vergegenständlicht ist, d. h. weil die täglich zur Produktion der Arbeitskraft nötigen Lebensmittel einen halben Arbeitstag kosten. Aber die vergangene Arbeit, die in der Arbeitskraft steckt, und die lebendige Arbeit, die sie leisten kann, ihre täglichen Erhaltungskosten und ihre tägliche Verausgabung, sind zwei ganz verschiedene Größen. Daß ein halber Arbeitstag nötig, um ihn während 24 Stunden am Leben zu erhalten, hindert den Arbeiter keineswegs, einen ganzen Tag zu arbeiten. Der Wert der Arbeitskraft und ihre Verwertung im Arbeitsprozeß sind zwei verschiedene Größen. Diese Wertdifferenz hatte der Kapitalist im Auge, als er die Arbeitskraft kaufte. Ihre nützliche Eigenschaft, Garn oder Stiefel zu machen, war nur eine unerläßliche Nebenbedingung, weil Arbeit in nützlicher Form verausgabt werden muß, um Wert zu bilden. Was aber entschied, war der besondere Gebrauchswert dieser Ware, Quelle von Wert zu sein und von mehr Wert, als sie selbst hat. Dies ist der Dienst, den der Kapitalist von ihr erwartet. Und er verfährt dabei den ewigen Gesetzen des Warenaustausches gemäß. In der Tat, der Verkäufer der Arbeitskraft wie der Verkäufer jeder anderen Ware bekommt ihren Tauschwert und veräußert ihren Gebrauchswert. Der Gebrauchswert der Arbeitskraft, die Arbeit selbst, gehört ebensowenig ihrem Verkäufer, wie der Gebrauchswert des verkauften Öls dem Ölhändler. Der Geldbesitzer hat den Tageswert der Arbeitskraft gezahlt, ihm gehört daher ihr Gebrauch während des Tages, die tagelange Arbeit. Der Umstand, daß die tägliche Erhaltung der Arbeitskraft nur einen halben Arbeitstag kostet, obgleich die Arbeitskraft einen ganzen Tag wirken kann, daß daher der Wert, den ihr Gebrauch während eines Tages schafft, doppelt so groß ist als ihr eigener Tageswert, ist ein besonderes Glück für den Käufer, aber durchaus kein Unrecht gegen den Verkäufer.

Unser Kapitalist hat den Kasus, der ihn lachen macht, vorgesehen. Der Arbeiter findet daher in der Werkstätte die nötigen Produktionsmittel nicht nur für einen 6stündigen, sondern für einen 12stündigen Arbeitsprozeß. Saugten 10 Pfund Baumwolle 6 Arbeitsstunden ein und verwandelten sich in 10 Pfund Garn, so werden 20 Pfund Baumwolle 12 Arbeitsstunden einsaugen und in 20 Pfund Garn verwandelt. Betrachten wir das Produkt des verlängerten Arbeitsprozesses. In den 20 Pfund Garn sind jetzt 5 Arbeitstage vergegenständlicht, 4 in dem verzehrten Quantum Baumwolle und Arbeitsmittel, einer von der Baumwolle eingesaugt während des Spinnprozesses. Der Goldausdruck von 5 Arbeitstagen ist aber 30 M. Das ist also der Preis der 20 Pfund Garn. Das Pfund Garn kostet nach wie vor 1121\frac{1}{2} M. Aber die Wertsumme der in den Prozeß geworfenen Waren betrug 27 M, der Wert des Garns beträgt 30 M. Der Wert des Produkts ist um 19\frac{1}{9} gewachsen über den zu seiner Produktion vorgeschossenen Wert. So haben sich 27 M in 30 M verwandelt. Sie haben einen Mehrwert von 3 M gesetzt. Das Kunststück ist endlich gelungen.

Alle Bedingungen des Problems sind gelöst und die Gesetze des Warenaustausches in keiner Weise verletzt. Gleicher Wert wurde gegen gleichen Wert ausgetauscht. Der Kapitalist zahlte als Käufer jede Ware zu ihrem Wert, Baumwolle, Spindeln, Arbeitskraft. Er tat dann, was jeder andere Käufer von Waren tut: er konsumierte ihren Gebrauchswert. Der Verbrauch der Arbeitskraft ergab ein Produkt von 20 Pfund Garn mit einem Wert von 30 M. Der Kapitalist kehrt nun zum Markt zurück und verkauft Ware, nachdem er Ware gekauft hat. Er verkauft das Pfund Garn zu 1121\frac{1}{2} M, keinen Deut über oder unter seinem Wert. Und doch zieht er 3 M mehr aus der Zirkulation heraus, als er ursprünglich in sie hineinwarf.

Vergleichen wir nun Wertbildungsprozeß und Verwertungsprozeß, so ist der Verwertungsprozeß nichts als ein über einen gewissen Punkt hinaus verlängerter Werbildungsprozeß. Dauert der letztere nur bis zu dem Punkt, wo der vom Kapital gezahlte Wert der Arbeitskraft ersetzt ist, so ist er einfacher Wertbildungsprozeß. Dauert der Wertbildungsprozeß über diesen Punkt hinaus, so wird er Verwertungsprozeß.

Als wertbildend zählt die Arbeit aber nur, soweit die zur Produktion des Gebrauchswertes verbrauchte Zeit gesellschaftlich notwendig ist. Die Arbeitskraft muß unter normalen Bedingungen funktionieren. Ist die Spinnmaschine das gesellschaftlich herrschende Arbeitsmittel für die Spinnerei, so darf dem Arbeiter nicht ein Spinnrad in die Hand gegeben werden. Statt Baumwolle von normaler Güte muß er nicht Schund erhalten, der jeden Augenblick reißt. In beiden Fällen würde er mehr als die gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit zur Produktion eines Pfundes Garn verbrauchen, diese überschüssige Zeit würde aber nicht Wert oder Geld bilden. Ferner muß die Arbeitskraft selbst normal sein. In dem Fach, worin sie verwandt wird, muß sie das herrschende Durchschnittsmaß von Geschick, Fertigkeit und Raschheit besitzen. Sie muß in dem gewöhnlichen Durchschnittsmaß der Anstrengung, mit dem gesellschaftlich üblichen Grad von Intensität verausgabt werden. Darüber wacht der Kapitalist ebenso ängstlich, als daß keine Zeit ohne Arbeit vergeudet wird. Er hat die Arbeitskraft für bestimmte Zeitfrist gekauft. Er hält darauf, das Seine zu haben. Er will nicht bestohlen sein. Endlich darf kein zweckwidriger Verbrauch von Rohmaterial und Arbeitsmitteln stattfinden, weil vergeudetes Material oder Arbeitsmittel überflüssig verausgabte Arbeit darstellen, also nicht zählen und nicht in das Produkt der Wertbildung eingehen.

Es wurde früher bemerkt, daß es für den Verwertungsprozeß durchaus gleichgültig ist, ob die vom Kapitalisten angeeignete Arbeit einfache gesellschaftliche Durchschnittsarbeit oder komplizierte Arbeit ist. Die Arbeit, die als höhere, kompliziertere Arbeit gilt, ist die Äußerung einer Arbeitskraft, worin höhere Bildungskosten eingehen, deren Produktion mehr Arbeitszeit kostet und die daher einen höheren Wert hat als die einfache Arbeitskraft. Ist der Wert dieser Kraft höher, so äußert sie sich aber auch in höherer Arbeit und vergegenständlicht sich daher, in denselben Zeiträumen, in verhältnismäßig höheren Werten. Welches jedoch immer der Gradunterschied zwischen Spinnarbeit und Juwelierarbeit, die Portion Arbeit, wodurch der Juwelenarbeiter nur den Wert seiner eigenen Arbeitskraft ersetzt, unterscheidet sich qualitativ in keiner Weise von der zusätzlichen Portion Arbeit, wodurch er Mehrwert schafft. Nach wie vor kommt der Mehrwert nur heraus durch die verlängerte Dauer desselben Arbeitsprozesses, in dem einen Fall Garnproduktion, in dem andern Fall Juwelenproduktion.14

6 Konstantes und variables Kapital. Fixes und zirkulierendes (flüssiges) Kapital15

Nachdem wir nun wissen, daß und auf welche Weise der Mehrwert in der Produktion der Ware entsteht, ist es klar, daß der in jedem einzelnen Unternehmen erzeugte Mehrwert verschieden groß sein muß, und zwar ohne Rücksicht auf die Größe des Kapitals. Denn wir haben gesehen, daß der Mehrwert nur aus der lebendigen, neu geleisteten Arbeit entspringt, nicht aus den schon vorhandenen Produktionsmitteln. In unserem Beispiel des Baumwollspinners hat der Kapitalist für die sämtlichen Produktionsmittel (Baumwolle und Arbeitsinstrumente) 24 M bezahlt; dazu 3 M Arbeitslohn. An den 24 M – d. h. an dem Wert der Produktionsmittel – hat die Spinnarbeit nichts geändert; sie hat ihn in genau derselben Größe auf das Garn übertragen. Dagegen sind die 3 M Arbeitslohn verzehrt worden, und an ihre Stelle ist ein neuer Wert von 6 M getreten.

Der Teil des Kapitals also, den der Kapitalist für Produktionsmittel – d. h. für Rohmaterial, Hilfsstoffe und Arbeitsmittel – verwendet, ändert seine Wertgröße nicht im Produktionsprozeß. Wir nennen ihn daher konstantes Kapital.

Der in Arbeitskraft umgesetzte Teil des Kapitals verändert dagegen seinen Wert im Produktionsprozeß. Er reproduziert seinen eigenen Wert und einen Überschuß darüber, den Mehrwert, der selbst größer oder kleiner sein kann. Aus einer konstanten (feststehenden) Größe verwandelt sich dieser Teil des Kapitals fortwährend in eine variable (veränderliche). Wir nennen ihn daher variables Kapital.

Nun liegt auf der Hand, daß auf dieselbe Menge Arbeitslohn (variables Kapital) in den verschiedenen Branchen sehr verschiedene Mengen Produktionsmittel (konstantes Kapital) kommen können. In einer Maschinenfabrik wird die Masse Produktionsmittel, die eine Arbeitskraft verarbeitet, anders sein als in einer Baumwollspinnerei, wieder anders in einer Kohlengrube usw. Die organische Zusammensetzung“ des Kapitals (wie wir dieses Verhältnis zwischen seinem konstanten und seinem variablen Teil nennen wollen), wechselt also von Branche zu Branche. Die allerverschiedensten Verhältnisse sind da nicht nur denkbar, sondern auch wirklich vorhanden.

Stellen wir uns nun drei verschiedene Kapitale (aus drei verschiedenen Branchen) mit der folgenden organischen Zusammensetzung vor: I80c(konstant)+20v(variabel)II50c+50vIII20c+80v\begin{aligned} \mathrm{I}\quad 80\ & c\ \mathrm{(konstant)} & + 20\ & v\ \mathrm{(variabel)} \\ \mathrm{II}\quad 50\ & c & + 50\ & v \\ \mathrm{III}\quad 20\ & c & + 80\ & v \end{aligned}

Wenn wir annehmen, daß die Ausnutzung der Arbeitskraft in allen drei Branchen genau dieselbe ist, also z. B. daß überall die Arbeitskräfte genau doppelt so viel Wert liefern, wie sie im Arbeitslohn kriegen, so ergibt sich folgendes Resultat: KapitalIerzielt20m(Mehrwert),,II,,50,,,,,,III,,80,,,,\begin{aligned} & \mathrm{Kapital} & \mathrm{I} & \mathrm{erzielt} & 20\ & m\ \mathrm{(Mehrwert)} \\ & \quad \mathrm{,,} & \mathrm{II} & \mathrm{,,}\quad & 50\ & \mathrm{,,}\qquad \mathrm{,,} \\ & \quad \mathrm{,,} & \mathrm{III} & \mathrm{,,}\quad & 80\ & \mathrm{,,}\qquad \mathrm{,,} \end{aligned}

Da der Profit als Prozentsatz des Überschusses auf das ganze verzehrte Kapital berechnet wird, so bedeutet dies einen Profit von 20% und 50% und 80%. Dazu kommt noch, daß ja die Ausnutzung der Arbeiter nicht überall dieselbe, sondern in dem einen Unternehmen größer, in dem anderen kleiner ist. Es kommt ferner hinzu, daß noch andere Umstände auf die Größe des Mehrwerts in den einzelnen Branchen und sogar in den einzelnen Unternehmungen einwirken, wie z. B. die Geschwindigkeit, mit der das Kapital umgeschlagen wird, wovon später noch zu handeln. Aus alledem folgt, daß die Menge des wirklich erzeugten Mehrwerts noch nicht einmal von einem Unternehmen zum andern, geschweige denn von einer Branche zur andern gleich sein kann. Wie kommt trotzdem die doch tatsächlich vorhandene gleiche Profitrate zustande?

Nehmen wir fünf verschiedene Produktionszweige mit jedesmal verschiedener organischer Zusammensetzung der in ihnen angelegten Kapitale (und unter der Voraussetzung, daß die Arbeitskraft jedesmal 100% ihres eigenen Wertes als Mehrwert liefert), etwa wie folgt:

Kapital Mehrwert Wert des Produkts Profitrate
I. 80cc + 20vv 20 120 20%
II. 70cc + 30vv 30 130 30%
III. 60cc + 40vv 40 140 40%
IV. 85cc + 15vv 15 115 15%
V. 95cc + 5vv 5 105 5%

Wir haben hier für verschiedene Branchen bei gleichmäßiger Ausnutzung der Arbeit sehr verschiedene Profitraten.

Die Gesamtsumme der in den fünf Branchen angelegten Kapitale ist = 500; die Gesamtsumme des von ihnen produzierten Mehrwertes = 110; der Gesamtwert der von ihnen produzierten Waren = 610. Betrachten wir die 500 als ein einziges Kapital, von dem I bis V nur verschiedene Teile bilden (wie etwa in einer Baumwollfabrik in den verschiedenen Abteilungen, im Kardierraum, Vorspinnraum, Spinnsaal und Websaal verschiedenes Verhältnis von variablem und konstantem Kapital existiert und das Durchschnittsverhältnis für die ganze Fabrik erst berechnet werden muß), so wäre erstens die Durchschnittszusammensetzung des Kapitals von 500 = 390cc+ 110vv oder, in Prozente umgerechnet, 78cc + 22vv. Jedes der Kapitale von 100 nur als 15\frac{1}{5} des Gesamtkapitals betrachtet, wäre seine Zusammensetzung diese durchschnittliche von 78cc + 22vv; ebenso fiele auf jedes 100 als durchschnittlicher Mehrwert 22. Daher wäre die Durchschnittsrate des Profits 22%, und endlich wäre der Preis von jedem Fünftel des Gesamtprodukts = 122. Das Produkt von jedem Fünftel des vorgeschossenen Gesamtkapitals müßte also zu 122 verkauft werden.

Nun ist aber, um nicht zu ganz falschen Schlüssen zu kommen, noch ein Umstand zu berücksichtigen. Das konstante Kapital – d. h. also die Produktionsmittel – besteht selbst wieder aus zwei wesentlich verschiedenen Teilen. Die Produktionsmittel, welche das konstante Kapital bilden, sind von verschiedener Art. Es sind im wesentlichen Gebäude, Maschinen und Apparate, Rohstoffe, Hilfsstoffe; also die Arbeitsmittel, mit deren Hilfe gearbeitet wird, und die Arbeitsgegenstände, an denen die Arbeit sich vollzieht. Es leuchtet ein, daß die Arbeitsmittel in der Produktion eine wesentlich andere Rolle spielen als die Arbeitsgegenstände. Die Kohle, womit die Maschine geheizt wird, verschwindet spurlos, ebenso das Öl, womit man die Achse des Rades schmiert usw. Farbe und andere Hilfsstoffe verschwinden, zeigen sich aber in den Eigenschaften des Produkts. Das Rohmaterial bildet die Substanz des Produkts, hat aber seine Form verändert. Kurz, das Rohmaterial und die Hilfsstoffe werden in der Produktion vollständig verzehrt; von der selbständigen Gestalt, womit sie in den Arbeitsprozeß eintraten, bleibt nichts übrig. Anders mit den Arbeitsmitteln. Ein Instrument, eine Maschine, ein Fabrikgebäude, ein Gefäß usw. dienen im Arbeitsprozeß nur, solange sie ihre ursprüngliche Gestalt bewahren und morgen wieder in eben derselben Form in den Arbeitsprozeß eingehen wie gestern. Wie sie während ihres Lebens, des Arbeitsprozesses, ihre selbständige Gestalt dem Produkt gegenüber bewahren, so auch nach ihrem Tode. Die Leichen von Maschinen, Werkzeugen, Arbeitsgebäuden usw. existieren immer noch getrennt von den Produkten, die sie bilden halfen. Betrachten wir nun die ganze Zeit, während der ein solches Arbeitsmittel dient, von dem Tage seines Eintritts in die Werkstätte bis zum Tage seiner Verbannung in die Rumpelkammer, so ist während dieser Zeit sein Gebrauchswert von der Arbeit vollständig verzehrt worden und sein Tauschwert daher vollständig auf das Produkt übergegangen. Hat eine Spinnmaschine z. B. in 10 Jahren ausgelebt, so ist während des 10jährigen Arbeitsprozesses ihr Gesamtwert auf das 10jährige Produkt übergegangen. Die Lebensperiode eines Arbeitsmittels umfängt also eine größere oder kleinere Anzahl stets von neuem wiederholter Arbeitsprozesse. Und es geht dem Arbeitsmittel wie dem Menschen. Jeder Mensch stirbt täglich um 24 Stunden ab. Man sieht aber keinem Menschen genau an wie, wieviel Tage er bereits verstorben ist. Dies verhindert Lebensversicherungsgesellschaften jedoch nicht, aus dem Durchschnittsleben der Menschen sehr sichere und, was noch viel mehr ist, sehr profitliche Schlüsse zu ziehen. So mit dem Arbeitsmittel. Man weiß aus der Erfahrung, wie lang ein Arbeitsmittel, z. B. eine Maschine von gewisser Art, durchschnittlich vorhält. Gesetzt, sein Gebrauchswert im Arbeitsprozeß dauere nur sechs Tage, so verliert es im Durchschnitt jeden Arbeitstag 16\frac{1}{6} seines Gebrauchswertes und gibt daher 16\frac{1}{6} seines Wertes an das tägliche Produkt ab. In dieser Art wird der Verschleiß aller Arbeitsmittel berechnet.

Es zeigt sich so schlagend, daß ein Produktionsmittel nie mehr Wert an das Produkt abgibt, als es im Arbeitsprozeß durch Vernichtung seines eigenen Gebrauchswertes verliert. Hätte es keinen Wert zu verlieren, d. h. wäre es nicht selbst Produkt menschlicher Arbeit, so würde es keinen Wert an das Produkt abgeben. Es diente als Bildner von Gebrauchswert, ohne als Bildner von Tauschwert zu dienen. Dies ist daher der Fall mit allen Produktionsmitteln, die von Natur, ohne menschliches Zutun, vorhanden sind, mit Erde, Wind, Wasser, dem Eisen in der Erzader, dem Holze des Urwaldes usw.

Wenn aber auch mit vermindertem Tauschwert, so muß doch das Arbeitsmittel stets mit seiner ganzen Leiblichkeit am Produktionsprozeß mitwirken. Eine Maschine sei z. B. 1000 M wert und schleiße sich in 1000 Tagen ab. In diesem Fall geht täglich ein Tausendstel des Wertes der Maschine von ihr selbst auf ihr tägliches Produkt über. Zugleich, wenn auch mit abnehmender Lebenskraft, wirkt stets die Gesamtmaschine im Arbeitsprozeß.

Das Eigentümliche dieses Teils des konstanten Kapitals – der Arbeitsmittel – ist also das: mit der Funktion und daher der Abnutzung des Arbeitsmittels geht ein Teil seines Wertes auf das Produkt über, ein anderer bleibt fixiert im Arbeitsmittel und daher im Produktionsprozeß. Der so fixierte Wert nimmt beständig ab, bis das Arbeitsmittel ausgedient und daher auch sein Wert sich über eine Masse von Produkten verteilt hat, die aus einer Reihe beständig wiederholter Arbeitsprozesse hervorgehen. Solange es aber noch als Arbeitsmittel wirksam ist, also nicht durch ein neues Exemplar derselben Art ersetzt werden muß, bleibt stets konstanter Kapitalwert in ihm fixiert, während ein anderer Teil des ursprünglich in ihm fixierten Wertes auf das Produkt übergeht und daher als Bestandteil des Warenwertes zirkuliert.

Dieser im Arbeitsmittel fixierte Teil des Kapitalwerts zirkuliert so gut wie jeder andere. Der ganze Kapitalwert ist in beständiger Zirkulation begriffen, und in diesem Sinne ist daher alles Kapital zirkulierendes Kapital. Aber die Zirkulation des hier betrachteten Kapitalteils ist eigentümlich. Er zirkuliert nicht in seiner Gebrauchsform, sondern nur sein Wert zirkuliert, und zwar allmählich, bruchweis, im Maß, wie er von ihm auf das Produkt übergeht, das als Ware zirkuliert. Während seiner ganzen Funktionsdauer bleibt ein Teil seines Werts stets in ihm fixiert, selbständig gegenüber den Waren, die es produzieren hilft. Durch diese Eigentümlichkeit erhält dieser Teil des konstanten Kapitals die Form: Fixes Kapital. Alle andern Bestandteile des vorgeschossenen Kapitals dagegen bilden im Gegensatz dazu: Zirkulierendes oder flüssiges Kapital.

Es versteht sich, daß dieser Unterschied, wie die einzelnen Teile des Kapitals ihren Wert an das Produkt abgeben, auch einen Einfluß ausüben muß auf die Menge Mehrwert, die von jedem einzelnen Kapital tatsächlich produziert wird. Außerdem trägt er dazu bei, die Entstehung des Mehrwerts überhaupt zu verschleiern.

Wenn der Kapitalist16 die fertiggestellte Ware betrachtet, so kann ihm darin der Unterschied zwischen konstantem Kapital (Produktionsmitteln) und variablem Kapital (Arbeitslohn) nicht auffallen. Wohl weiß er, daß von seinen Selbstkosten (dem Kostpreis der Ware) ein Teil für Produktionsmittel und ein anderer Teil für Arbeitslohn ausgegeben ist, und daß er, soll die Produktion fortgesetzt werden, das durch den Verkauf der Ware erzielte Geld wieder in der gleichen Weise zum Ankauf von Produktionsmitteln und Arbeitskraft teilen muß. Aber über die Entstehung des Wertes und des Mehrwerts sagt ihm das nichts. Was er sieht, ist vielmehr nur, daß im Kostpreis der Ware der Wert der Produktionsmittel genau so wiederkehrt, wie er vor Beginn der Produktion vorhanden war, und der Arbeitslohn ebenfalls genau so wiederkehrt, wie er vor Beginn der Produktion vorhanden war. Der charakteristische Unterschied zwischen konstantem und variablem Kapital ist also durch den Schein der Dinge ausgelöscht, und der nach Abschluß der Produktion vorhandene Mehrwert scheint aus allen Teilen des Kapitals gleichmäßig hervorgegangen zu sein.

Dagegen fällt der Unterschied zwischen fixem und zirkulierendem Kapital sehr deutlich in die Augen. Nehmen wir an, es seien ursprünglich Arbeitsmittel im Werte von 1200 M vorhanden gewesen, dazu Rohstoffe usw. für 380 M und Arbeitskräfte für 100 M. Nehmen wir weiter an, es seien bei diesem Produktionsvorgang für 20 M Arbeitsmittel verschlissen, so ist der Kostpreis des Produkts = 20 M für Verschleiß der Arbeitsmittel + 380 M für Roh- und Hilfsstoffe + 100 M für Arbeitslohn = 500 M. Diesen Wert von 500 M (noch nicht gerechnet den Mehrwert) hält der Kapitalist in der fertigen Ware in seiner Hand. Daneben aber existieren17 noch Maschinen, Fabrikgebäude usw. im Werte von 1180 M.18 Die können schlechterdings nicht aus den Augen verloren werden, und somit kleidet sich der Sachverhalt im Kopf des Kapitalisten in folgende Form: 20 M des Warenwerts sind entstanden durch Verbrauch von Arbeitsmitteln (fixem Kapital), 480 M durch Verbrauch von Rohstoffen und Arbeitslohn (zirkulierendem Kapital). Oder: alles, was ich (der Kapitalist) an Rohstoffen und Arbeitslohn in die Produktion werfe, bekomme ich durch einmalige Produktion wieder heraus; was mich die Arbeitsmittel kosten, bleibt länger drin stehen und kommt nur stückweise wieder heraus, muß deshalb auch stückweise wieder angesammelt werden, damit nach vollständiger Abnutzung der Maschinen usw. der Gegenwert zu ihrer Neuanschaffung wieder da ist. So wird der Unterschied zwischen fixem und zirkulierendem Kapital dem Kapitalisten sozusagen in den Kopf gehämmert. Aber in diesem Sinne gilt der Arbeitslohn ohne weiteres mit als zirkulierendes Kapital. Genau wie die Ausgaben für Rohstoffe, muß auch er aus der einmaligen Produktion wieder hervorgehen und zu neuem Ankauf von Arbeitskraft bereitstehen. So wird der Arbeitslohn (das variable Kapital) durch den Schein der Dinge mit den Rohstoffen (einem Teil des konstanten Kapitals) in einen Topf geworfen und in gemeinsamen Gegensatz gebracht zu den Arbeitsmitteln (dem anderen Teil des konstanten Kapitals). Für den oberflächlichen Beobachter der Praxis stehen jetzt auf der einen Seite die Gebäude, Maschinen usw. als fixes Kapital, auf der anderen Seite die Rohstoffe und Hilfsstoffe gemeinsam mit dem Arbeitslohn als zirkulierendes Kapital. Daß zwischen dem Arbeitslohn und den anderen Teilen des zirkulierenden Kapitals gewichtige Unterschiede bestehen, wird hierdurch ganz und gar verschleiert.

7 Wie der gleichmäßige Profit zustande kommt19

Kehren wir nun zu der Frage zurück, wie der Unterschied zwischen fixem und zirkulierendem Kapital die Profitrate beeinflußt. In unserer Tabelle (oben) haben wir angenommen, daß das ganze konstante Kapital im Wert des Produkts sofort wiedererscheint (daß es also ganz und gar zirkulierendes Kapital ist). Dies kann wohl unter Umständen der Fall sein, aber es ist nicht die Regel. Es muß deshalb berücksichtigt werden, daß gewöhnlich von dem konstanten Kapital nur ein Teil verbraucht wird, der Rest dagegen stehenbleibt. Je nachdem der stehenbleibende Rest größer oder kleiner ist, muß natürlich auch – unter sonst gleichen Umständen – der von mehreren gleich großen Kapitalen tatsächlich erzeugte Mehrwert verschieden sein. Nehmen wir folgende Tabelle (immer unter der Voraussetzung, daß die Mehrwertrate 100% beträgt, d. h. daß die Arbeitskraft außer ihrem eigenen Wert genau noch einmal so viel Mehrwert ergibt):

Kapital Mehrwert Profitrate Verbrauchtes cc Wert der Waren Kostpreis
I. 80cc + 20vv 20 20% 50 90 70
II. 70cc + 30vv 30 30% 51 111 81
III. 60cc + 40vv 40 40% 51 131 91
IV. 85cc + 15vv 15 15% 40 70 55
V. 95cc + 5vv 5 5% 10 20 15
390cc + 110vv 110 110% Summe
78cc + 22vv 22 22% Durchschnitt

Betrachtet man die Kapitale I–V wieder als ein einziges Gesamtkapital, so sieht man, daß auch in diesem Fall die Zusammensetzung der fünf Kapitale =500=390c+110v= 500 = 390c + 110v, also die Durchschnittszusammensetzung =78c+22v= 78c + 22v dieselbe bleibt; ebenso der Durchschnittsmehrwert =22%= 22\%. Diesen Mehrwert gleichmäßig auf I–V verteilt, kämen folgende Warenpreise heraus:

Kapital Mehr- wert Wert der Waren Kostpreis der Waren Preis der Waren Profitrate Abweichung des Preises vom Wert
I. 80c+20v80c + 20v 20 90 70 92 22% + 2
II. 70c+30v70c + 30v 30 111 81 103 22% - 8
III. 60c+40v60c + 40v 40 131 91 113 22% - 18
IV. 85c+15v85c + 15v 15 70 55 77 22% + 7
V. 95c+5v95c + 5v 5 20 15 37 22% + 17

Zusammengenommen, werden die Waren verkauft: +2und8+718+1726über26unterdemWert,\begin{aligned} + 2 & \mathrm{und} & - 8 & \\ + 7 & & - 18 & \\ + 17 & & & \\ 26 & \mathrm{über} & 26 & \mathrm{unter\ dem\ Wert,} \end{aligned} so daß die Preisabweichungen durch gleichmäßige Verteilung des Mehrwerts oder durch Zuschlag des durchschnittlichen Profits von 22 auf 100 vorgeschossenes Kapital zu den verschiedenen Kostpreisen der Waren I–V sich gegenseitig aufheben; in demselben Verhältnis, worin ein Teil der Waren über seinem Wert verkauft wird, wird ein anderer Teil unter seinem Wert verkauft. Und nur ihr Verkauf zu solchen Preisen ermöglicht, daß die Profitrate für I–V gleichmäßig ist, 22%, ohne Rücksicht auf die verschiedene organische Zusammensetzung der Kapitale I–V. Die Preise, die dadurch entstehen, sind die Produktionspreise.20 Der Produktionspreis der Ware ist also gleich ihrem Kostpreis plus dem Durchschnittsprofit.

Beim Verkauf ihrer Waren ziehen daher die Kapitalisten der verschiedenen Branchen genau die in der Produktion dieser Waren verbrauchten Kapitalwerte zurück. Anders dagegen steht es mit dem Mehrwert oder Profit. Hiervon fließt dem einzelnen Kapitalisten nicht diejenige Summe zu, die bei der Produktion seiner Waren erzeugt worden ist, sondern so viel, wie nach dem geltenden Durchschnittsprofit vom gesamten Mehrwert der ganzen Kapitalistenklasse auf sein Kapital entfällt. Pro 100 zieht jedes vorgeschossene Kapital, welches immer seine Zusammensetzung, in jedem Jahr den Profit, der für dieses Jahr auf 100 des Gesamtkapitals kommt. Die verschiedenen Kapitalisten verhalten sich hier, soweit der Profit in Betracht kommt, wie bloße Aktionäre einer Aktiengesellschaft, worin die Anteile am Profit gleichmäßig pro 100 verteilt werden und daher für die verschiedenen Kapitalisten sich nur unterscheiden nach der Größe des von jedem in das Gesamtunternehmen gesteckten Kapitals, nach der Zahl seiner Aktien. Und in dieser Weise ist in der Gesellschaft selbst – die Gesamtheit aller Produktionszweige betrachtet – die Summe der Produktionspreise aller Waren gleich der Summe ihrer Werte.

Diesem Satz scheint die Tatsache zu widersprechen, daß die Waren, welche dem einen Kapitalisten als Produktionsmittel dienen – also die Maschinen, Rohstoffe usw. –, in der Regel von einem anderen Kapitalisten gekauft sind und daher in ihrem Preise bereits dessen Profit enthalten; daß also der Profit des einen Industriezweigs in dem Kostpreis des andern drinsteckt. Aber wenn wir alle Kostpreise des ganzen Landes auf der einen Seite zusammenaddieren und auf der anderen alle Profite, so muß die Rechnung sich richtigstellen. Zur Produktion von Leinenjacken z. B. ist Leinwand erforderlich, die ihrerseits Flachs braucht. Es beschäftigen sich also eine Anzahl Kapitalisten mit der Produktion von Flachs und verwenden dazu ein Kapital von, sage, 100 (z. B. 100000 M). Beträgt die Profitrate 10%, so müssen die Leinwandfabrikanten diesen Flachs zu 110 kaufen und verkaufen ihn an die Jackenhersteller zu 121. Das gesamte in diesen drei Branchen verwandte Kapital beträgt dann: inderFlachsproduktion100,,,,Leinwandproduktion110,,,,Jackenproduktion121_331\begin{aligned} & \mathrm{in} & \mathrm{der} & \mathrm{Flachsproduktion} & 100 \\ & \mathrm{,,} & \mathrm{,,}\ & \mathrm{Leinwandproduktion} & 110 \\ & \mathrm{,,} & \mathrm{,,}\ & \mathrm{Jackenproduktion} & \underline{121} \\ & & & & 331 \end{aligned} Dieses muß einen Profit von insgesamt 33,1 erbringen, was dadurch geschieht, daß die Jacken zuletzt für 133,1 verkauft werden.21 Von diesem Profit kommt den Jackenfabrikanten aber nur die Summe von 12,1 zu; den überschießenden Betrag von 21 müssen sie beim Ankauf der Leinwand an deren Produzenten zahlen, die ihrerseits davon nur 11 behalten und den Rest von 10 an die Flachsproduzenten weitergeben. So bekommt jedes der beteiligten Kapitale denjenigen Anteil am Profit, der ihm kraft seiner Größe gehört.

Sobald eine allgemeine Profitrate hergestellt ist und infolgedessen der Durchschnittsprofit in allen Branchen der Größe des angewandten Kapitals sich anpaßt, ist es nur noch Zufall, wenn in einer bestimmten Branche der wirklich erzeugte Mehrwert mit dem im Verkaufspreis der Ware enthaltenen Profit übereinstimmt. In der Regel sind Profit und Mehrwert nun wirklich verschiedene Größen. Wieviel Mehrwert in einer bestimmten Branche erzeugt wird, ist direkt wichtig nur für den Gesamt-Durchschnittsprofit sämtlicher Kapitale. Aber für die einzelnen Branchen oder gar für die einzelnen Kapitalisten ist es nur indirekt insofern wichtig, als größerer Mehrwert in seiner Branche den gesamten vorhandenen Mehrwert erhöht und somit einen höheren Durchschnittsprofit ergibt. Aber dies ist ein Prozeß, der hinter seinem Rücken vorgeht, den er nicht sieht, nicht versteht, und der ihn in der Tat nicht interessiert. Der tatsächlich vorhandene Größenunterschied zwischen Profit und Mehrwert in den einzelnen Branchen versteckt nun völlig die wahre Natur und den Ursprung des Profits, nicht nur für den Kapitalisten, der hier ein besonderes Interesse hat, sich zu täuschen, sondern auch für den Arbeiter. Schon durch die Tatsache, daß in der Praxis Kostpreis und Profit sich gegenübertreten, kommt dem Kapitalisten der Begriff des Wertes abhanden, weil er nicht die Gesamtarbeit vor sich hat, die die Produktion der Ware kostet, sondern nur den Teil der Gesamtarbeit, den er in den lebendigen und toten Produktionsmitteln bezahlt hat, und ihm so der Profit als etwas außerhalb des inneren Werts der Ware Stehendes erscheint. Diese falsche Vorstellung wird jetzt vollständig bestätigt, befestigt, verknöchert, indem der zum Kostpreis zugeschlagene Profit in der Tat – wenn man die einzelne Branche betrachtet, die der Kapitalist naturgemäß allein im Auge hat – nicht durch die in ihr selbst vorgehende Wertbildung bestimmt, sondern ganz äußerlich dagegen festgesetzt ist. Wirft ja doch in der Praxis tatsächlich jeder Teil des Kapitals gleichmäßig Profit ab. Wie immer das Kapital zusammengesetzt sei, ob es 14\frac{1}{4} tote Arbeit und 34\frac{3}{4} lebendige Arbeit, oder 34\frac{3}{4} tote und 14\frac{1}{4} lebendige Arbeit in Bewegung setzt, ob es in dem einen Fall dreimal so viel Mehrarbeit einsaugt und Mehrwert produziert als in dem anderen – bei gleich starker Ausbeutung der Arbeit (und abgesehen von individuellen Unterschieden, die ohnehin verschwinden, weil wir beidemal nur die Durchschnittszusammensetzung der ganzen Branche vor uns haben) wirft es in beiden Fällen gleich viel Profit ab. Der einzelne Kapitalist, dessen Blick begrenzt ist, glaubt mit Recht, daß sein Profit nicht allein aus der von ihm oder in seiner Branche beschäftigten Arbeit herstamme. Es ist ganz richtig für seinen Durchschnittsprofit. Wie weit dieser Profit vermittelt ist durch die Gesamtausbeutung der Arbeit durch das Gesamtkapital, d. h. durch alle seine Kapitalistengenossen, dieser Zusammenhang ist ihm ein vollständiges Geheimnis, um so mehr, als selbst die Bourgeoistheoretiker, die Professoren der politischen Ökonomie, es bis jetzt nicht enthüllt hatten. Ersparung an Arbeit – nicht nur an der Arbeit, notwendig um eine bestimmte Ware zu produzieren, sondern auch Ersparung an der Anzahl der beschäftigten Arbeiter – und größere Anwendung toter Arbeit (konstanten Kapitals) erscheint als wirtschaftlich ganz richtige Operation. Wie sollte daher die lebendige Arbeit ausschließliche Quelle des Profits sein, da Verminderung der zur Produktion nötigen Menge Arbeit unter gewissen Umständen als nächste Quelle zur Vermehrung des Profits erscheint, wenigstens für den einzelnen Kapitalisten?

8 Methoden zur Steigerung des Mehrwerts22

Mehrwert wird erzeugt durch Anwendung der Arbeitskraft. Das Kapital kauft die Arbeitskraft und zahlt dafür den Lohn. Indem dann der Arbeiter arbeitet, erzeugt er neuen Wert, der nicht ihm, sondern dem Kapitalisten gehört. Eine gewisse Zeit muß er arbeiten, um nur den Wert des Arbeitslohns wiederzuerstatten. Aber, nachdem dies geschehen, hört er nicht auf, sondern arbeitet noch einige Stunden des Tages. Der neue Wert, den er jetzt erzeugt, und der also den Betrag des Arbeitslohns übersteigt, ist der Mehrwert.

Das Kapital erzwingt demnach die Erzeugung von Mehrwert zunächst einfach durch Verlängerung des Arbeitstages über die „notwendige“ Arbeitszeit hinaus („notwendig“ zum Ersatz des Wertes der Arbeitskraft). Das Kapital ordnet sich zunächst die Arbeit unter mit den technischen Bedingungen, worin es sie historisch vorfindet. Es verändert daher nicht unmittelbar die Produktionsweise. Die Erzeugung von Mehrwert durch einfache Verlängerung des Arbeitstages war in der altmodischen Bäckerei nicht minder wirksam als in der modernen Baumwollspinnerei.

Jedoch hat der Arbeitstag eine Schranke. Er ist über eine gewisse Grenze hinaus nicht verlängerbar. Diese Schranke ist doppelt bestimmt. Einmal durch die körperlichen Bedürfnisse der Arbeitskraft. Ein Mensch kann während 24 Stunden nur ein bestimmtes Quantum Lebenskraft verausgaben. So kann ein Pferd tagaus, tagein nur 8 Stunden arbeiten. Während eines Teils des Tages muß die Kraft ruhen, schlafen, während eines anderen Teils muß der Mensch sich nähren, reinigen, kleiden usw. Außer dieser rein körperlichen Schranke stößt die Verlängerung des Arbeitstages auf moralische Schranken. Der Arbeiter braucht Zeit zur Befriedigung geistiger und sozialer Bedürfnisse, deren Umfang und Zahl durch den allgemeinen Kulturzustand bedingt sind. Beide Schranken sind aber sehr elastischer Natur und erlauben den größten Spielraum. So finden wir Arbeitstage von 8, 10, 12, 14, 16, 18 Stunden, also von der verschiedensten Länge.

Das ständige Streben des Kapitals, den Arbeitstag zu verlängern, rief den Widerstand der Arbeiterklasse hervor und führte zu erbitterten sozialen und politischen Kämpfen.

Indessen gibt es noch andere Methoden, den Mehrwert zu steigern. Vor allem die schärfere Anspannung der Arbeitskraft, so daß sie in gegebener Zeit mehr leisten muß. Sodann die Herabdrückung des Lohns unter den Wert der Arbeitskraft. Trotz der wichtigen Rolle, welche die Methode in der wirklichen Bewegung des Arbeitslohns spielt, muß sie hier außer Betracht bleiben wegen unserer Voraussetzung, daß die Waren, also auch die Arbeitskraft, zu ihrem vollen Wert gekauft und verkauft werden.

Bleibt endlich noch die Steigerung des sogenannten „relativen“ Mehrwerts. Damit hat es folgende Bewandtnis.

Wenn der Arbeitstag, sagen wir, 10 Stunden lang ist, wovon 6 Stunden den Wert der Arbeitskraft ersetzen, so wird in den übrigen 4 Stunden eine bestimmte Menge Mehrwert erzeugt. Gelingt es, den Arbeitstag auf 11 Stunden zu verlängern oder während der 10 Stunden eine größere Leistung aus den Arbeitern herauszuholen, oder gar beides zugleich, so wird die Menge des Mehrwerts entsprechend vergroßert. Es tritt eine absolute Steigerung des Mehrwerts ein.

Ist es dagegen unmöglich, den Arbeitstag über 10 Stunden hinaus zu verlängern, und ebenso unmöglich, die Arbeiter zu größerer Intensität zu zwingen, so mag man vielleicht die „notwendige“ Arbeitszeit verkürzen können. Sie betrug in unserm Beispiel 6 Stunden, weil diese Zeit notwendig war, um die Lebensmittel zu produzieren, welche die tägliche Erhaltung der Arbeitskraft erfordert. Können diese Lebensmittel in geringerer Zeit, mit geringerem Arbeitsaufwand produziert werden, dann genügen statt der 6 Stunden vielleicht 5, und von dem 10stündigen Arbeitstag blieben statt 4 Stunden 5 übrig zur Erzeugung von Mehrwert; dieser wäre „relativ“ zum Arbeitstag gesteigert.

Um solche „relative“ Steigerung des Mehrwerts zu verwirklichen, müssen die Waren, welche zum Konsum der Arbeiter dienen, in geringerer Zeit produziert werden. Dies bedeutet mit anderen Worten: Die Produktivkraft der Arbeit muß gesteigert werden, so daß zur Produktion derselben Warenmengen ein geringeres Quantum Arbeit erheischt ist. Hierfür genügt es keineswegs, daß das Kapital sich des Arbeitsprozesses in seiner historisch überlieferten Gestalt bemächtigt und nur seine Dauer verlängert. Es muß die technischen und gesellschaftlichen Bedingungen des Arbeitsprozesses, also die Produktionsweise selbst, umwälzen, um die Produktivkraft der Arbeit zu erhöhen, dadurch den Wert der Arbeitskraft zu senken und so den zum Ersatz dieses Wertes notwendigen Teil des Arbeitstages zu verkürzen.

Um den Wert der Arbeitskraft zu senken, muß die Steigerung der Produktivkraft Industriezweige ergreifen, deren Produkte den Wert der Arbeitskraft bestimmen, also entweder gewohnheitsmäßige Lebensmittel sind oder sie ersetzen können. Dazu gehören nicht nur die Industrien, welche die Lebensmittel selbst produzieren, sondern auch die, welche ihnen die Produktionsmittel liefern. Ist ja doch der Wert eines Stiefels z. B. nicht nur durch die Schusterarbeit bestimmt, sondern auch durch den Wert von Leder, Pech, Draht usw. In Produktionszweigen dagegen, die weder notwendige Lebensmittel liefern noch Produktionsmittel zu ihrer Herstellung, läßt die erhöhte Produktivkraft den Wert der Arbeitskraft unberührt.

Wenn ein einzelner Kapitalist durch Steigerung der Produktivkraft der Arbeit z. B. Hemden verwohlfeilert, schwebt ihm keineswegs notwendig der Zweck vor, den Wert der Arbeitskraft zu senken; aber nur soweit er schließlich zu diesem Resultat beiträgt, trägt er bei zur Erhöhung der allgemeinen Rate des Mehrwerts. Es ist daher der innere Trieb und die beständige Tendenz des Kapitals, die Produktivkraft der Arbeit zu steigern, um die Ware und durch die Verwohlfeilerung der Ware den Arbeiter selbst zu verwohlfeilern.

Da also derselbe Vorgang die Waren verwohlfeilert und den in ihnen enthaltenen Mehrwert steigert, löst sich das Rätsel, daß der Kapitalist, dem es nur um die Produktion von Tauschwert zu tun ist, den Tauschwert der Waren beständig zu senken strebt. Die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, innerhalb der kapitalistischen Wirtschaft, bezweckt, den Teil des Arbeitstages, den der Arbeiter für sich selbst arbeiten muß, zu verkürzen, um gerade dadurch den andern Teil des Arbeitstages, den er für den Kapitalisten umsonst arbeiten kann, zu verlängern.

9 Die Umwälzung der Produktionsweise durch das Kapital

9.1 Kooperation23

Die kapitalistische Produktion beginnt, wo dasselbe individuelle Kapital eine größere Anzahl Arbeiter gleichzeitig beschäftigt. Das Wirken einer größeren Arbeiteranzahl zur selben Zeit in demselben Raum (oder, wenn man will, auf demselben Arbeitsfeld) zur Produktion derselben Warensorte, unter dem Kommando desselben Kapitalisten, bildet historisch und begrifflich den Beginn der kapitalistischen Produktion. Mit Bezug auf die Produktionsweise selbst unterscheidet sich z. B. die Manufaktur in ihren Anfängen kaum anders von der zünftigen Handwerksindustrie als durch die große Zahl der gleichzeitig von demselben Kapital beschäftigten Arbeiter. Die Werkstatt des Zunftmeisters ist nur erweitert.

Der Unterschied ist also zunächst bloß quantitativ. Indes findet doch innerhalb gewisser Grenzen auch ein sachlicher Unterschied statt. In jedem Industriezweig weicht der einzelne Arbeiter, Peter oder Paul, mehr oder minder vom Durchschnittsarbeiter ab. Diese individuellen Abweichungen gleichen sich gegenseitig aus und verschwinden, sobald man eine größere Anzahl Arbeiter zusammennimmt. Der englische Schriftsteller Edmund Burke (1729–1797) will aus seinen praktischen Erfahrungen als Pächter sogar wissen, daß schon beim Zusammenarbeiten von fünf Ackerknechten aller individuelle Unterschied der Arbeit verschwindet, also die ersten besten im Mannesalter befindlichen fünf englischen Ackerknechte zusammengenommen in derselben Zeit geradeso viel Arbeit verrichten als beliebige andere fünf englische Ackerknechte. Wie dem auch sei, es ist klar, daß der gemeinschaftliche Arbeitstag einer größeren Anzahl gleichzeitig beschäftigter Arbeiter an und für sich einen Durchschnitt darstellt. Beschäftigt der Kapitalist z. B. 12 Arbeiter je 12 Stunden, so ist das für den Kapitalisten ein Arbeitstag von 144 Stunden. Obgleich nun die Arbeit eines jeden der zwölf mehr oder minder vom Durchschnitt abweichen, jeder einzelne etwas mehr oder minder Zeit zu derselben Verrichtung brauchen mag – für den Kapitalisten zählt der Arbeitstag jedes einzelnen als ein Zwölftel des Gesamtarbeitstags von 144 Stunden. Werden dagegen von den 12 Arbeitern je 2 von einem Meister beschäftigt, so wird es zufällig, ob jeder einzelne Meister dieselbe Wertmenge produziert und daher die allgemeine Rate des Mehrwerts erreicht. Es fänden individuelle Abweichungen statt. Verbrauchte ein Arbeiter bedeutend mehr Zeit in der Produktion einer Ware, als gesellschaftlich erheischt ist, so gälte seine Arbeit nicht als Durchschnittsarbeit. Von den 6 Kleinmeistern würde der eine mehr, der andere weniger als die allgemeine Rate des Mehrwerts herausschlagen. Die Ungleichheiten würden sich für die Gesellschaft kompensieren, aber nicht für den einzelnen Meister.

Auch bei gleichbleibender Arbeitsweise bewirkt die gleichzeitige Anwendung einer größeren Arbeiteranzahl eine totale Änderung in den Arbeitsmitteln. Baulichkeiten, worin viele arbeiten, Lager für Rohmaterial usw., Gefäße, Instrumente, Apparate usw., die vielen gleichzeitig oder abwechselnd dienen, werden jetzt gemeinsam im Arbeitsprozeß verbraucht. Die erhöhte Ausnutzung ihres Gebrauchswertes vergrößert nicht ihren Tauschwert: sie kosten darum nicht mehr. Und dieser Vorteil wächst mit der Größe des Kapitals. Ein Zimmer, worin 20 Weber mit ihren 20 Webstühlen arbeiten, muß weiter gestreckt sein als das Zimmer eines unabhängigen Webers mit 2 Gesellen. Aber die Herstellung einer Werkstatt für 20 Personen kostet weniger Arbeit als die von 10 Werkstätten für 2 Personen, und so wächst überhaupt der Wert massenweise konzentrierter und gemeinsamer Produktionsmittel nicht verhältnismäßig mit ihrem Umfang und ihrem Nutzeffekt. Gemeinsam vernutzte Produktionsmittel geben also geringeren Wertbestandteil an das einzelne Produkt ab. Damit sinkt der Gesamtwert der Ware. Diese Einsparung in der Anwendung der Produktionsmittel entspringt nur aus ihrem gemeinsamen Verbrauch im Arbeitsprozeß vieler, selbst wenn die vielen nur räumlich zusammen, nicht miteinander arbeiten.

Die Form der Arbeit vieler, die in demselben Produktionsprozeß oder in verschiedenen, aber zusammenhängenden Produktionsprozessen planmäßig neben- oder miteinander arbeiten, heißt Kooperation.

Wie die Angriffskraft einer Kavallerieschwadron oder die Widerstandskraft eines Infanterieregiments wesentlich verschieden ist von der Summe der von jedem Kavalleristen und Infanteristen vereinzelt entwickelten Angriffs- und Widerstandskräfte, so verschieden ist die bloße Summe der Kräfte vereinzelter Arbeiter von der Gesamtkraft, die sich entwickelt, wenn viele Hände gleichzeitig in derselben Tätigkeit zusammenwirken, z. B. wenn es gilt, eine Last zu heben, eine Kurbel zu drehen oder einen Widerstand aus dem Wege zu räumen. Die Wirkung der kombinierten Arbeit könnte hier von der vereinzelten gar nicht oder nur in viel längeren Zeiträumen oder nur auf einem Zwergmaßstab hervorgebracht werden. Es handelt sich hier nicht nur um Erhöhung der individuellen Produktivkraft durch die Kooperation, sondern um die Schöpfung einer Produktivkraft, die an und für sich Massenkraft sein muß. („Während 1 Mann überhaupt nicht imstande ist und 10 Mann sich sehr quälen müßten, um eine 20-Zentner-Last zu heben, schaffen es 100 Mann, wenn jeder nur mit der Kraft eines Fingers zufaßt.“ John Bellers, London 1696.)

Abgesehen von der neuen Kraft, die aus der Verschmelzung vieler Kräfte in eine Gesamtkraft entspringt, erzeugt bei den meisten produktiven Arbeitern der bloße gesellschaftliche Kontakt einen Wetteifer und eine eigene Erregung der Lebensgeister, welche die Leistungsfähigkeit des einzelnen erhöhen, so daß ein Dutzend Personen zusammen in einem gleichzeitigen Arbeitstag von 144 Stunden ein viel größeres Gesamtprodukt liefern als 12 vereinzelte Arbeiter, von denen jeder 12 Stunden, oder als 1 Arbeiter, der 12 Tage nacheinander arbeitet. Dies rührt daher, daß der Mensch von Natur – wenn auch nicht, wie Aristoteles meint, ein politisches – jedenfalls ein gesellschaftliches Tier ist.

Obgleich viele dasselbe oder Gleichartiges gleichzeitig miteinander verrichten, kann die individuelle Arbeit eines jeden dennoch als Teil der Gesamtarbeit verschiedene Phasen des Arbeitsprozesses selbst darstellen, die der Arbeitsgegenstand infolge der Kooperation rascher durchläuft. Zum Beispiel wenn Maurer eine Reihe von Händen bilden, um Bausteine vom Fuß eines Gestells bis zu seiner Spitze zu befördern, so tut jeder von ihnen dasselbe, aber dennoch bilden die einzelnen Verrichtungen zusammenhängende Teile einer Gesamtverrichtung, wodurch etwa die 24 Hände des Gesamtarbeiters den Baustein rascher fördern als die 2 Hände jedes einzelnen Arbeiters, der das Gerüst auf- und abstiege. Der Arbeitsgegenstand durchläuft denselben Raum in kürzerer Zeit. Andererseits findet Kombination der Arbeit statt, wenn ein Bau z. B. von verschiedenen Seiten gleichzeitig angegriffen wird, obgleich die Kooperierenden dasselbe oder Gleichartiges tun. Der kombinierte Arbeitstag von 144 Stunden, der den Arbeitsgegenstand vielseitig im Raum angreift, weil der kombinierte Arbeiter oder Gesamtarbeiter vorn und hinten Augen und Hände hat und in gewissem Grad Allgegenwart besitzt, fördert das Gesamtprodukt rascher als 12 zwölfstündige Arbeitstage mehr oder minder vereinzelter Arbeiter, die ihr Werk einseitiger angreifen müssen. In derselben Zeit reifen verschiedene Raumteile des Produkts.

Ist der Arbeitsprozeß kompliziert, so erlaubt die bloße Tatsache, daß mehrere zusammenarbeiten, die verschiedenen Tätigkeiten unter verschiedene Hände zu verteilen, daher gleichzeitig zu verrichten und dadurch die zur Herstellung des Gesamtprodukts nötige Arbeitszeit zu verkürzen. („Alle zusammen erzielen ein Ergebnis, das ein einzelner nicht hätte erreichen können. Der eine rudert, während der andere das Steuer führt und ein dritter das Netz oder die Harpune auswirft, und auf diese Weise hat der Fischfang einen Erfolg, der ohne dieses Zusammenwirken unmöglich wäre.“ Destutt de Tracy, „Vom Willen und seinen Wirkungen“, Paris 1826, S. 78.)

In vielen Produktionszweigen gibt es kritische Momente, d. h. durch die Natur des Arbeitsprozesses selbst bestimmte Zeiträume, während deren bestimmte Arbeitsresultate erzielt werden müssen. Soll z. B. eine Herde Schafe geschoren oder eine Anzahl Morgen Kornland gemäht und geherbstet werden, so hängt Quantität und Qualität des Produkts davon ab, daß die Arbeit zu einer gewissen Zeit begonnen und zu einer gewissen Zeit beendet wird. Der Zeitraum, den der Arbeitsprozeß einnehmen darf, ist hier vorgeschrieben, wie etwa beim Heringsfang. Die rechtzeitige Wirkung hängt hier ab von der gleichzeitigen Anwendung vieler kombinierter Arbeitstage, der Umfang des Nutzeffekts von der Arbeiteranzahl, die jedoch stets kleiner bleibt als die Anzahl der Arbeiter, die vereinzelt in demselben Zeitraum denselben Wirkungsraum ausfüllen würden. Weil diese Kooperation fehlt, wird im Westen der Vereinigten Staaten eine Masse Korn und in den Teilen Ostindiens, wo englische Herrschaft das alte Gemeinwesen zerstört hat, eine Masse Baumwolle jährlich verwüstet.

Auf der einen Seite erlaubt die Kooperation, den Betätigungsraum der Arbeit auszurecken, und wird daher für gewisse Arbeitsprozesse schon durch den räumlichen Zusammenhang des Arbeitsgegenstandes erheischt, wie bei Trockenlegung von Land, Eindämmung, Bewässerung, Kanal-, Straßen-, Eisenbahnbauten usw. Andererseits ermöglicht sie, verhältnismäßig zum Umfang der Produktion, räumliche Verengung des Produktionsgebiets. Diese Beschränkung des Betätigungsraumes der Arbeit bei gleichzeitiger Ausdehnung ihrer Wirkung, wodurch eine Menge Unkosten erspart werden, entspringt aus der Zusammendrängung der Arbeiter, dem Zusammenrücken verschiedener Arbeitsprozesse und der Konzentration der Produktionsmittel.

Verglichen mit einer gleich großen Summe vereinzelter Arbeitstage, produziert der kombinierte Arbeitstag größere Massen von Gebrauchswert und vermindert daher die zur Produktion eines bestimmten Nutzeffekts nötige Arbeitszeit. Wie unsere Übersicht gezeigt hat, entspringt diese Steigerung der Produktivkraft unter allen Umständen aus der Kooperation selbst. Nun können aber Lohnarbeiter nicht kooperieren, ohne daß dasselbe Kapital, derselbe Kapitalist sie gleichzeitig anwendet, also ihre Arbeitskräfte gleichzeitig kauft. Der Gesamtwert dieser Arbeitskräfte oder die Lohnsumme der Arbeiter für den Tag, die Woche usw. muß daher in der Tasche des Kapitalisten vereint sein, bevor die Arbeitskräfte selbst im Produktionsprozeß vereint werden. Zahlung von 300 Arbeitern auf einmal, auch nur für einen Tag, bedingt mehr Kapitalauslage als Zahlung weniger Arbeiter Woche fur Woche während des ganzen Jahres. Die Anzahl der kooperierenden Arbeiter (oder die „Stufenleiter“ der Kooperation) hängt also zunächst ab von der Größe des Kapitals, das der einzelne Kapitalist im Ankauf von Arbeitskraft auslegen kann.

Und wie mit dem variablen verhält es sich mit dem konstanten Kapital. Die Auslage für Rohmaterial z. B. ist 30mal größer für den einen Kapitalisten, der 300, als für jeden der 30 Kapitalisten, die je 10 Arbeiter beschäftigen. Wert und Menge der gemeinsam benutzten Arbeitsmittel wachsen zwar nicht in demselben Grad wie die beschäftigte Arbeiteranzahl, aber sie wachsen beträchtlich. Konzentration größerer Massen von Produktionsmitteln in der Hand einzelner Kapitalisten ist also materielle Bedingung für die Kooperation von Lohnarbeitern, und der Umfang der Kooperation (oder die „Stufenleiter“ der Produktion) hängt davon ab, wieviel Produktionsmittel der einzelne Kapitalist in seiner Hand vereinigt hat.

Das Kommando des Kapitals über die Arbeit erschien ursprünglich nur als formelle Folge davon, daß der Arbeiter, statt für sich, für den Kapitalisten und daher unter dem Kapitalisten arbeitet. Mit der Kooperation vieler Lohnarbeiter entwickelt sich das Kommando des Kapitals zum Erheischnis für die Ausführung des Arbeitsprozesses selbst, zu einer wirklichen Produktionsbedingung. Der Befehl des Kapitalisten auf dem Produktionsfeld wird jetzt so unentbehrlich wie der Befehl des Generals auf dem Schlachtfeld.

Alle gemeinschaftliche Arbeit auf größerem Maßstab bedarf mehr oder minder einer Direktion, welche die Harmonie der individuellen Tätigkeiten vermittelt und die allgemeinen Funktionen vollzieht, die aus der Bewegung des Gesamtkörpers im Unterschied von der Bewegung seiner selbständigen Organe entspringen. Ein einzelner Violinspieler dirigiert sich selbst, ein Orchester bedarf des Musikdirektors. Diese Funktion der Leitung, Überwachung und Vermittlung wird zur Funktion des Kapitals, sobald die ihm untergeordnete Arbeit kooperativ wird. Als spezifische Funktion des Kapitals erhält sie spezifische Charaktermale.

Zunächst ist das treibende Motiv und der bestimmende Zweck der kapitalistischen Produktion die Erzeugung von möglichst großem Mehrwert, also möglichst große Ausbeutung der Arbeitskraft durch den Kapitalisten. Mit der Masse der gleichzeitig beschäftigten Arbeiter wächst ihr Widerstand und damit notwendig der Druck des Kapitals zur Bewältigung dieses Widerstandes. Die Leitung des Kapitalisten ist nicht nur eine aus der Natur des gesellschaftlichen Arbeitsprozesses entspringende und ihm angehörige besondere Funktion, sie ist zugleich Funktion der Ausbeutung eines gesellschaftlichen Arbeitsprozesses und daher bedingt durch den unvermeidlichen Gegensatz zwischen dem Ausbeuter und den Ausgebeuteten. Ebenso wächst mit dem Umfang der Produktionsmittel, die dem Lohnarbeiter als fremdes Eigentum gegenüberstehen, die Notwendigkeit der Kontrolle über deren sachgemäße Verwendung. Die Kooperation der Lohnarbeiter ist ferner bloße Wirkung des Kapitals, das sie gleichzeitig anwendet. Der Zusammenhang ihrer Funktionen und ihre Einheit als produzierender Gesamtkörper liegen außer ihnen, im Kapital, das sie zusammenbringt und zusammenhält. Der Zusammenhang ihrer Arbeiten tritt ihnen daher ideell als Plan, praktisch als Autorität des Kapitalisten gegenüber, als Macht eines fremden Willens, der ihr Tun seinem Zweck unterwirft. Daher ist die kapitalistische Leitung despotisch. Mit der Entwicklung der Kooperation auf größerem Maßstab entwickelt dieser Despotismus seine eigentümlichen Formen. Der Kapitalist tritt die unmittelbare und fortwährende Beaufsichtigung der einzelnen Arbeiter und Arbeitergruppen ab an eine besondere Sorte von Lohnarbeitern. Wie eine Armee, bedarf eine unter dem Kommando desselben Kapitalisten zusammenwirkende Arbeitermasse industrieller Oberoffiziere (Direktoren, Geschäftsführer) und Unteroffiziere (Aufseher, Vorarbeiter, Werkmeister), die während der Arbeit im Namen des Kapitals kommandieren.

Wie man sieht, entspringt die Leitung und Beaufsichtigung des Kapitals über den Arbeitsprozeß aus zwei Quellen: einmal daraus, daß jede gemeinschaftliche Arbeit einer Direktion bedarf; sodann daraus, daß diese gemeinschaftliche Arbeit dem Kapital Mehrwert bringen soll. Beides ist wohl zu unterscheiden und darf nicht miteinander vermengt werden, will man die Natur der Vorgänge richtig verstehen.

Man hat gesehen, daß aus dem bloßen Zusammenarbeiten vieler Arbeiter neue Produktivkräfte erwachsen und die vorhandenen Produktivkräfte gesteigert werden. Diese Vorteile entstehen erst in der Kooperation. Die Kooperation aber beginnt erst im Arbeitsprozeß, und sobald die Arbeiter in diesen eintreten, haben sie bereits aufgehört sich selbst zu gehören und sind dem Kapital einverleibt. Die Produktivkraft, die der Arbeiter in der Kooperation entwickelt, ist daher Produktivkraft des Kapitals. Sie entsteht unentgeltlich, sobald die Arbeiter unter bestimmte Bedingungen gestellt sind, und das Kapital stellt sie unter diese Bedingungen. Weil die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit (d. h. die Produktivkraft, die beim Zusammenwirken mit anderen Arbeitern entsteht) dem Kapital nichts kostet, weil sie andererseits nicht von dem Arbeiter entwickelt wird, bevor seine Arbeit selbst dem Kapitalisten gehört, erscheint sie als Produktivkraft, die das Kapital von Natur besitzt, als eine ihm innewohnende Produktivkraft.

Kolossal zeigt sich die Wirkung der einfachen Kooperation in den Riesenwerken der alten Asiaten, Ägypter, Etrusker usw. „Es geschah in vergangenen Zeiten, daß diese asiatischen Staaten nach Bestreitung ihrer Zivil- und Militärausgaben sich im Besitz eines Überschusses von Lebensmitteln befanden, die sie für Werke der Pracht und des Nutzens verausgaben konnten. Ihr Kommando über die Hände und Arme fast der ganzen nicht ackerbauenden Bevölkerung und die ausschließliche Verfügung des Monarchen und der Priesterschaft über jenen Überschuß boten ihnen die Mittel zur Errichtung jener mächtigen Monumente, womit sie das Land erfüllten … In der Bewegung der kolossalen Statuen und der enormen Massen, deren Transport Staunen erregt, wurde fast nur menschliche Arbeit verschwenderisch angewandt. Die Zahl der Arbeiter und die Konzentration ihrer Mühen genügte … Die nicht ackerbauenden Arbeiter einer asiatischen Monarchie haben außer ihren individuellen körperlichen Bemühungen wenig zum Werk zu bringen, aber ihre Zahl ist ihre Kraft, und die Macht der Direktion über diese Massen gab jenen Riesenwerken den Ursprung. Was solche Unternehmungen möglich machte, war die Konzentration der Einkünfte, wovon die Arbeiter leben, in eine Hand oder in wenige Hände.“ (R. Jones, 1852.) Diese Macht asiatischer und ägyptischer Könige oder etruskischer Herrscher usw. ist in der modernen Gesellschaft auf den Kapitalisten übergegangen.

Die Kooperation im Arbeitsprozeß, wie wir sie in den Kulturanfängen der Menschheit, bei Jägervölkern oder etwa in der Landwirtschaft indischer Gemeinwesen vorherrschend finden, beruht einerseits auf dem Gemeineigentum an den Produktionsbedingungen, andererseits darauf, daß das einzelne Individuum sich von der Nabelschnur des Stammes oder des Gemeinwesens noch ebensowenig losgerissen hat wie die einzelne Biene vom Bienenstock. Beides unterscheidet sie von der kapitalistischen Kooperation. Die hin und wieder sich findende Anwendung der Kooperation auf großem Maßstab im Altertum, dem Mittelalter und den modernen Kolonien beruht auf unmittelbaren Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen, zumeist auf der Sklaverei. Die kapitalistische Form setzt dagegen von vornherein den freien Lohnarbeiter voraus, der seine Arbeitskraft dem Kapital verkauft. Historisch jedoch entwickelt sie sich im Gegensatz zur Bauernwirtschaft und zum unabhängigen Handwerksbetrieb. Ihnen gegenüber erscheint die kapitalistische Kooperation nicht als eine besondere historische Form der Kooperation, sondern es gewinnt den Anschein, als ob die Kooperation überhaupt etwas dem kapitalistischen Produktionsprozeß Eigentümliches sei.

Gleichzeitige Beschäftigung einer größeren Anzahl von Lohnarbeitern in demselben Arbeitsprozeß bildet den Anfangspunkt der kapitalistischen Produktion. Es ist die erste Änderung, welche der wirkliche Arbeitsprozeß durch seine Unterordnung unter das Kapital erfährt.

9.2 Teilung der Arbeit und Manufaktur24

Die auf Teilung der Arbeit beruhende Kooperation schafft sich ihre klassische Gestalt in der Manufaktur, die ungefähr von Mitte des 16. Jahrhunderts bis zum letzten Drittel des 18. die vorherrschende Form der kapitalistischen Produktion gewesen ist. Die Manufaktur entspringt auf doppelte Weise.

Entweder werden Arbeiter von verschiedenartigen, selbständigen Handwerken, durch deren Hände ein Produkt bis zu seiner letzten Reife laufen muß, in eine Werkstatt unter dem Kommando desselben Kapitalisten vereinigt. Zum Beispiel eine Kutsche war das Gesamtprodukt der Arbeiten einer großen Anzahl unabhängiger Handwerker, wie Stellmacher, Sattler, Schneider, Schlosser, Gürtler, Drechsler, Posamentierer, Glaser, Maler, Lackierer, Vergolder usw. Die Kutschenmanufaktur vereinigt alle diese verschiedenen Handwerker in ein Arbeitshaus, wo sie einander gleichzeitig in die Hand arbeiten. Man kann eine Kutsche zwar nicht vergolden, bevor sie gemacht ist. Werden aber viele Kutschen gleichzeitig gemacht, so kann ein Teil beständig vergoldet werden, während ein anderer Teil eine frühere Phase des Produktionsprozesses durchläuft. Soweit stehen wir noch auf dem Boden der einfachen Kooperation, die ihr Material an Menschen und Dingen vorfindet. Indes tritt sehr bald eine wesentliche Veränderung ein. Der Schneider, Schlosser, Gürtler usw., der nur im Kutschenmachen beschäftigt ist, verliert nach und nach mit der Gewohnheit auch die Fähigkeit, sein altes Handwerk in seiner ganzen Ausdehnung zu betreiben. Andererseits wird sein vereinseitigtes Tun jetzt dem verengten Wirkungskreis angepaßt und erhält die dafür zweckmäßigste Form. Ursprünglich erschien die Kutschenmanufaktur als eine Kombination selbständiger Handwerke. Sie wird allmählich Teilung der Kutschenproduktion in ihre verschiedenen Sonderoperationen, wovon jede einzelne zur ausschließlichen Funktion eines Arbeiters sich auswächst, und deren Gesamtheit vom Verein dieser Teilarbeiter verrichtet wird. Ebenso entstand die Tuchmanufaktur und eine ganze Reihe anderer Manufakturen aus der Kombination verschiedener Handwerke unter dem Kommando desselben Kapitals.

Die Manufaktur entspringt aber auch auf entgegengesetztem Wege. Es werden viele Handwerker, die dasselbe oder Gleichartiges tun, z. B. Papier oder Bleibuchstaben (Typen) oder Nadeln machen, von demselben Kapital gleichzeitig in derselben Werkstatt beschäftigt. Es ist dies Kooperation in der einfachsten Form. Jeder dieser Handwerker (vielleicht mit einem oder zwei Gesellen) macht die ganze Ware und vollbringt also die verschiedenen zu ihrer Herstellung erheischten Operationen der Reihe nach. Er arbeitet in seiner alten handwerksmäßigen Weise fort. Indes veranlassen bald äußere Umstände, das Beisammensein der Arbeiter in demselben Raum und die Gleichzeitigkeit ihrer Arbeiten anders zu vernutzen. Es soll z. B. ein größeres Quantum fertiger Ware in einer bestimmten Frist geliefert werden. Die Arbeit wird daher verteilt. Statt die verschiedenen Operationen von demselben Handwerker nacheinander verrichten zu lassen, wird jede einzelne einem anderen Handwerker zugewiesen und so alle gleichzeitig ausgeführt. Diese zufällige Verteilung wiederholt sich, zeigt ihre eigentümlichen Vorteile und verknöchert nach und nach zur dauernden planmäßigen Teilung der Arbeit. Aus dem individuellen Produkt eines selbständigen Handwerkers, der vielerlei tut, verwandelt sich die Ware in das gesellschaftliche Produkt eines Vereins von Handwerkern, von denen jeder fortwährend nur ein und dieselbe Teiloperation verrichtet.

Gehen wir nun näher auf das einzelne ein, so ist zunächst klar, daß ein Arbeiter, der lebenslang ein und dieselbe einfache Operation verrichtet, seinen ganzen Körper in ihr automatisch einseitiges Organ verwandelt und daher weniger Zeit dazu verbraucht als der Handwerker, der eine ganze Reihe von Operationen abwechselnd ausführt. Der kombinierte Gesamtarbeiter, der den lebendigen Mechanismus der Manufaktur bildet, besteht aber aus lauter solchen einseitigen Teilarbeitern. Im Vergleich zum selbständigen Handwerk wird daher mehr in weniger Zeit produziert oder die Produktivkraft der Arbeit gesteigert. Auch vervollkommnet sich die Methode der Teilarbeit, nachdem sie zur ausschließlichen Funktion einer Person verselbständigt ist. Die stete Wiederholung desselben beschränkten Tuns und die Konzentration der Aufmerksamkeit auf dieses Beschränkte lehren erfahrungsmäßig den bezweckten Nutzeffekt mit geringstem Kraftaufwand erreichen. Da aber immer verschiedene Arbeitergenerationen gleichzeitig zusammenleben und in denselben Manufakturen zusammenwirken, befestigen, häufen und übertragen sich bald die so gewonnenen technischen Kunstgriffe. Die Manufaktur bringt in der Tat den Detailarbeiter zur Virtuosität, indem sie die naturwüchsige Sonderung der Gewerbe, die sie vorfand, ins Innere der Werkstatt überträgt und planmäßig auf die äußerste Spitze treibt. „Die Musseline von Dakka sind an Feinheit, die Kattune und andere Zeuge von Koromandel an Pracht und Dauerhaftigkeit der Farben niemals übertroffen worden. Und dennoch werden sie produziert ohne Kapital, Maschinerie, Teilung der Arbeit oder irgendeines der anderen Mittel, die der Fabrikation in Europa so viele Vorteile bieten. Der Weber ist ein vereinzeltes Individuum, der das Gewebe auf Bestellung eines Kunden verfertigt, und mit einem Webstuhl von der einfachsten Konstruktion, manchmal nur bestehend aus hölzernen, roh zusammengefügten Stangen. Er besitzt nicht einmal einen Apparat zum Aufziehen der Kette, der Webstuhl muß daher in seiner ganzen Länge ausgestreckt bleiben und wird so unförmlich und weit, daß er keinen Raum findet in der Hütte des Webers, der seine Arbeit daher in freier Luft verrichten muß, wo sie durch jede Wetteränderung unterbrochen wird.“25 Es ist nur das von Generation auf Generation gehäufte und von Vater auf Sohn vererbte Sondergeschick, das dem Hindu wie der Spinne diese Virtuosität verleiht. Und dennoch verrichtet ein solcher indischer Weber sehr komplizierte Arbeit, verglichen mit der Mehrzahl der Manufakturarbeiter.

Ein Handwerker, der die verschiedenen Teiloperationen in der Produktion eines Machwerks nacheinander ausführt, muß bald den Platz, bald die Instrumente wechseln. Der Übergang von einer Operation zur anderen unterbricht den Fluß seiner Arbeit und bildet gewissermaßen Poren in seinem Arbeitstag. Diese Poren verkleinern sich, sobald er den ganzen Tag andauernd ein und dieselbe Operation verrichtet, oder sie verschwinden in dem Maße, wie der Wechsel seiner Tätigkeit abnimmt. Die Produktivität wird hier gesteigert entweder durch wachsende Intensität der Arbeit, weil in dem gegebenen Zeitraum mehr Arbeitskraft verausgabt wird, oder weil weniger Arbeitskraft unproduktiv verlorengeht. Jeder Übergang nämlich aus der Ruhe in die Bewegung erheischt einen gewissen Kraftaufwand, der bei längerer Fortdauer der einmal erreichten Normalgeschwindigkeit wegfällt. Andererseits zerstört die andauernd gleichförmige Arbeit die Spann- und Schwungkraft der Lebensgeister, die im Wechsel der Tätigkeit selbst ihre Erholung und ihren Reiz finden.

Die Produktivität der Arbeit hängt nicht nur von der Virtuosität des Arbeiters ab, sondern auch von der Vollkommenheit seiner Werkzeuge. Werkzeuge derselben Art, wie Schneide-, Bohr-, Stoß-, Schlaginstrumente usw., werden in verschiedenen Arbeitsprozessen gebraucht, und in demselben Arbeitsprozeß dient dasselbe Instrument zu verschiedenen Verrichtungen. Sobald jedoch die verschiedenen Operationen eines Arbeitsprozesses voneinander losgelöst sind und jede Teiloperation in der Hand des Teilarbeiters eine möglichst entsprechende und daher ausschließliche Form gewinnt, werden Veränderungen der vorher zu verschiedenen Zwecken dienenden Werkzeuge notwendig. Die Richtung ihres Formwechsels ergibt sich aus der Erfahrung der besonderen Schwierigkeiten, welche die unveränderte Form in den Weg legt. Die Differenzierung und Spezialisierung der Werkzeuge charakterisieren die Manufaktur. Zu Birmingham allein produziert man etwa 500 verschiedene Arten von Hämmern, wovon jeder nicht nur für einen besonderen Produktionsprozeß, sondern eine Anzahl Arten oft nur für verschiedene Operationen in demselben Prozeß dient. Die Manufaktur vereinfacht, verbessert und vermannigfacht die Werkzeuge durch deren Anpassung an die ausschließlichen Sonderfunktionen der Teilarbeiter.26 Sie schafft damit zugleich eine der materiellen Bedingungen der Maschinerie, die aus einer Kombination einfacher Instrumente besteht.

Der Teilarbeiter und sein Werkzeug bilden die einfachen Elemente der Manufaktur. Wenden wir uns jetzt zu ihrer Gesamtgestalt.

Die Manufaktur ist in zwei wesentlich verschiedene Grundformen gegliedert, die namentlich auch bei der späteren Verwandlung der Manufaktur in die mit Maschinen betriebene große Industrie eine ganz verschiedene Rolle spielen, je nachdem das Machwerk gebildet wird durch bloß mechanische Zusammensetzung selbständiger Teilprodukte oder seine fertige Gestalt einer Reihenfolge zusammenhängender Prozesse und Verrichtungen verdankt.

Eine Lokomotive z. B. besteht aus mehr als 5000 selbständigen Teilen. Sie kann jedoch nicht als Beispiel der ersten Art der eigentlichen Manufaktur gelten, weil sie ein Gebilde der großen Industrie ist. Wohl aber die Uhr. Aus dem individuellen Werk eines Nürnberger Handwerkers verwandelte sich die Uhr in das gesellschaftliche Produkt einer Unzahl von Teilarbeitern, wie Rohwerkmacher, Uhrfedermacher, Zifferblattmacher, Spiralfedermacher, Steinloch- und Rubinhebelmacher, Zeigermacher, Gehäusemacher, Schraubenmacher, Vergolder, mit vielen Unterabteilungen wie z. B. Räderfabrikant (Messing- und Stahlräder wieder geschieden), Triebmacher, Zeigerwerkmacher, Acheveur de pignon (befestigt die Räder auf den Trieben, poliert die Facetten usw.), Zapfenmacher, Planteur de finissage (setzt verschiedene Räder und Triebe in das Werk), Finisseur de barillet (läßt Zähne einschneiden, macht die Löcher zur richtigen Weite, härtet Stellung und Gesperr), Hemmungmacher, bei der Zylinderhemmung wieder Zylindermacher, Steigradmacher, Unruhemacher, Raquettemacher (das Rückwerk, woran die Uhr reguliert wird), Planteur d’échappement (eigentliche Hemmungmacher); dann der Repasseur de barillet (macht Federhaus und Stellung ganz fertig), Stahlpolierer, Räderpolierer, Schraubenpolierer, Zahlenmaler, Blattmaler (schmilzt das Email auf das Kupfer), Fabricant de pendants (macht bloß die Bügel des Gehäuses), Finisseur de charnière (steckt den Messingstift in die Mitte des Gehäuses usw.), Faiseur de secret (macht die Federn im Gehäuse, die den Deckel aufspringen machen), Graveur, Ziseleur, Polisseur de bolte (Gehäusepolierer) usw. usw., endlich der Repasseur, der die ganze Uhr zusammensetzt und sie gehend abliefert. Nur wenige Teile der Uhr laufen durch verschiedene Hände, und alle diese zerstreuten Teile sammeln sich erst in der Hand, die sie schließlich in ein mechanisches Ganzes verbindet. Dies äußerliche Verhältnis des fertigen Produkts zu seinen verschiedenartigen Elementen läßt hier, wie bei ähnlichem Machwerk, das Beisammensein der Teilarbeiter in derselben Werkstatt zufällig. Die Teilarbeiten können selbst wieder als voneinander unabhängige Handwerke betrieben werden, wie im Kanton Waadt und Neuenburg, während in Genf z. B. große Uhrenmanufakturen bestehen, d. h. die Teilarbeiter unmittelbar unter dem Kommando eines Kapitals zusammenarbeiten. Auch im letzten Fall werden Zifferblatt, Feder und Gehäuse selten in der Manufaktur selbst verfertigt. Die Zusammenziehung der Arbeiter ist hier nur unter ausnahmsweisen Verhältnissen profitlich, weil die Konkurrenz unter den Arbeitern, die zu Hause arbeiten wollen, am größten ist, die Zersplitterung der Produktion in eine Masse ungleichartiger Prozesse wenig Verwendung gemeinschaftlicher Arbeitsmittel erlaubt und der Kapitalist bei der zerstreuten Fabrikation die Auslage für Arbeitsgebäude usw. erspart.27 Indes ist auch die Stellung dieser Detailarbeiter, die zu Hause, aber für einen Kapitalisten arbeiten, ganz und gar verschieden von der des selbständigen Handwerkers, welcher für seine eigenen Kunden arbeitet.28

Die zweite Art der Manufaktur, ihre vollendete Form, produziert Machwerke, die zusammenhängende Entwicklungsphasen, eine Reihenfolge von Stufenprozessen durchlaufen, wie z. B. der Draht in der Nähnadelmanufaktur die Hände von 72 und selbst 92 Teilarbeitern durchläuft.

Betrachtet man ein bestimmtes Quantum Rohmaterial, z. B. Lumpen in der Papiermanufaktur oder Draht in der Nadelmanufaktur, so durchläuft es in den Händen der verschiedenen Teilarbeiter nacheinander eine Reihenfolge von Produktionsphasen bis zu seiner Schlußgestalt. Betrachtet man dagegen die Werkstatt als Ganzes, so befindet sich das Rohmaterial gleichzeitig in allen seinen Produktionsphasen auf einmal. Mit einem Teil seiner vielen instrumentbewaffneten Hände zieht der aus den Einzelarbeitern zusammengesetzte Gesamtarbeiter den Draht, während er gleichzeitig mit anderen Händen und Werkzeugen ihn streckt, mit anderen schneidet, spitzt usw. Daher Lieferung von mehr fertiger Ware in demselben Zeitraum. Die Manufaktur erreicht diese gesellschaftliche Organisation des Arbeitsprozesses nur durch Festschmieden desselben Arbeiters an dieselbe Teiltätigkeit.

Da das Teilprodukt jedes Teilarbeiters zugleich nur eine besondere Entwicklungsstufe desselben Machwerks ist, liefert ein Arbeiter dem andern oder eine Arbeitergruppe der anderen ihr Rohmaterial. Das Arbeitsresultat des einen bildet den Ausgangspunkt für die Arbeit des andern. Die notwendige Arbeitszeit zur Erreichung des bezweckten Nutzeffekts in jedem Teilprozeß wird erfahrungsmäßig festgestellt, und der Betrieb der Manufaktur beruht auf der Voraussetzung, daß in gegebener Arbeitszeit ein gegebenes Resultat erzielt wird. Nur unter dieser Voraussetzung können die verschiedenen einander ergänzenden Arbeitsprozesse ununterbrochen, gleichzeitig und räumlich nebeneinander fortgehen. Es ist klar, daß diese unmittelbare Abhängigkeit der Arbeiten und daher der Arbeiter voneinander jeden einzelnen zwingt, nur die notwendige Zeit zu seiner Funktion zu verwenden, und so eine ganz andere Kontinuität (ununterbrochenes Weiterlaufen), Gleichförmigkeit, Regelmäßigkeit, Ordnung und namentlich auch Intensität der Arbeit erzeugt wird als im unabhängigen Handwerk oder selbst in der einfachen Kooperation.

Verschiedene Operationen bedürfen jedoch ungleicher Zeitlängen und liefern daher in gleichen Zeiträumen ungleiche Mengen von Teilprodukten. Soll also derselbe Arbeiter tagaus, tagein stets nur dieselbe Operation verrichten, so müssen für verschiedene Operationen Arbeiter in verschiedener, genau dem gegenseitigen Verhältnis angepaßter Anzahl verwandt werden, z. B. vier Gießer und zwei Abbrecher auf einen Frottierer in einer Typenmanufaktur, wo der Gießer stündlich 2000 Typen gießt, der Abbrecher 4000 abbricht und der Frottierer 8000 blank reibt.

Ist die passendste Verhältniszahl der verschiedenen Gruppen von Teilarbeitern erfahrungsmäßig festgesetzt für eine bestimmte Stufenleiter der Produktion, so kann man diese Stufenleiter nur ausdehnen, indem man ein Vielfaches jeder besonderen Arbeitergruppe verwendet. Man kann z. B. in der Typenmanufaktur nicht einen Frottierer mehr beschäftigen, ohne zugleich zwei neue Abbrecher und vier neue Gießer einzustellen. Es kommt hinzu, daß dasselbe Individuum gewisse Arbeiten ebensogut auf größerer als kleinerer Staffel ausführt, z. B. die Arbeit der Oberaufsicht, den Transport der Teilprodukte aus einer Produktionsphase in die andere usw. Die Verselbständigung dieser Funktionen oder ihre Zuweisung an besondere Arbeiter wird also erst vorteilhaft mit Vergrößerung der beschäftigten Arbeiterzahl, aber diese Vergrößerung muß sofort alle Gruppen im gleichen Verhältnis ergreifen.

Es gibt Manufakturen, worin die einzelne Arbeitergruppe ein in sich gegliederter Arbeitskörper ist. Nehmen wir z. B. die Manufaktur von Glasflaschen. Sie zerfällt in drei wesentlich unterschiedene Phasen. Erstens die vorbereitende Phase, wie Bereitung der Glasmischung, Mengung von Sand, Kalk usw., und Schmelzung dieser Mischung zu einer flüssigen Glasmasse. In dieser ersten Phase sind verschiedene Teilarbeiter beschäftigt, ebenso in der Schlußphase, der Entfernung der Flaschen aus den Trockenöfen, ihrer Sortierung, Verpackung usw. Zwischen beiden Phasen steht in der Mitte die eigentliche Glasmacherei oder Verarbeitung der flüssigcn Glasmasse. An demselben Munde eines Glasofens arbeitet eine Gruppe, die in England das hole (Loch) heißt und aus einem Flaschenmacher, einem Bläser, einem Sammler, einem Aufhäufer oder Abschleifer und einem Einnehmer zusammengesetzt ist. Diese fünf Teilarbeiter bilden ebenso viele Sonderorgane eines einzigen Arbeitskörpers, der nur als Einheit, durch unmittelbares Zusammenwirken der fünf wirken kann. Fehlt ein Glied des fünfteiligen Körpers, so ist er lahmgelegt. Derselbe Glasofen hat aber verschiedene Öffnungen, in England z. B. 4–6, deren jede einen irdenen Schmelztiegel mit flüssigem Glas birgt, und wovon jede eine eigene Arbeitergruppe von derselben fünfgliedrigen Form beschäftigt. Die Gliederung jeder einzelnen Gruppe beruht hier unmittelbar auf der Teilung der Arbeit, während das Band zwischen den verschiedenen gleichartigen Gruppen einfache Kooperation ist, die eins der Produktionsmittel, hier den Glasofen, durch gemeinsamen Gebrauch besser ausnutzt. Ein solcher Glasofen mit seinen 4–6 Gruppen bildet eine Glashütte, und eine Glasmanufaktur umfaßt eine Mehrzahl solcher Hütten, zugleich mit den Vorrichtungen und Arbeitern für die einleitenden und abschließenden Produktionsphasen.

Endlich kann die Manufaktur sich zu einer Kombination verschiedener Manufakturen entwickeln. Die größeren englischen Glashütten z. B. fabrizieren ihre irdenen Schmelztiegel selbst, weil von deren Güte das Gelingen oder Mißlingen des Produktes wesentlich abhängt. Die Manufaktur von Flintglas findet man kombiniert mit der Glasschleiferei und der Gelbgießerei, letztere für die metallische Einfassung mannigfacher Glasartikel. Die verschiedenen kombinierten Manufakturen bilden dann mehr oder minder räumlich getrennte Abteilungen einer Gesamtmanufaktur, zugleich voneinander unabhängige Produktionsprozesse, jeder mit eigener Teilung der Arbeit. Trotz mancher Vorteile, welche die kombinierte Manufaktur bietet, gewinnt sie, auf eigener Grundlage, keine wirklich technische Einheit. Diese entsteht erst bei ihrer Verwandlung in den maschinenmäßigen Betrieb.

Die Manufakturperiode, welche Verminderung der zur Warenproduktion notwendigen Arbeitszeit bald als bewußtes Prinzip ausspricht, entwickelt hier und da auch den Gebrauch von Maschinen, namentlich für gewisse einfache erste Prozesse, die massenhaft und mit großem Kraftaufwand auszuführen sind. So wird z. B. bald in der Papiermanufaktur das Zermalmen der Lumpen durch Papiermühlen und in der Metallverhüttung das Zerstoßen der Erze durch sogenannte Pochmühlen verrichtet. Die elementarische Form aller Maschinerie hatte das römische Kaiserreich überliefert in der Wassermühle.29 Die Handwerksperiode vermachte die großen Erfindungen des Kompasses, des Pulvers, der Buchdruckerei und der automatischen Uhr. Im großen und ganzen jedoch spielt die Maschinerie (in der Manufakturzeit) eine Nebenrolle neben der Teilung der Arbeit. Sehr wichtig wurde die gelegentliche Anwendung der Maschinerie im 17. Jahrhundert, weil sie den großen Mathematikern jener Zeit praktische Anhaltspunkte und Reizmittel zur Schöpfung der modernen Mechanik darbot.

Die der Manufaktur eigentümliche Maschinerie bleibt der aus vielen Teilarbeitern kombinierte Gesamtarbeiter selbst. Die verschiedenen Operationen, die der Produzent einer Ware abwechselnd verrichtet, nehmen ihn verschiedenartig in Anspruch. In der einen muß er mehr Kraft entwickeln, in der anderen mehr Gewandtheit, in der dritten mehr geistige Aufmerksamkeit usw., und dasselbe Individuum besitzt diese Eigenschaften nicht in gleichem Grad. Nach der Trennung und Verselbständigung der verschiedenen Operationen werden die Arbeiter ihren vorwiegenden Eigenschaften gemäß geteilt und gruppiert. Bilden ihre Naturbesonderheiten die Grundlage, worauf sich die Teilung der Arbeit pfropft, so entwickelt die Manufaktur, einmal eingeführt, Arbeitskräfte, die von Natur nur zu einseitiger Sonderfunktion taugen. Der Gesamtarbeiter besitzt jetzt alle produktiven Eigenschaften in gleich hohem Grad der Virtuosität und verausgabt sie zugleich aufs zweckentsprechendste, indem er alle seine Organe, wie sie in besonderen Arbeitern oder Arbeitergruppen existieren, ausschließlich zu ihren besonderen Funktionen verwendet. Die Einseitigkeit und selbst die Unvollkommenheit des Teilarbeiters werden zu seiner Vollkommenheit als Glied des Gesamtarbeiters. (z. B. einseitige Muskelentwicklung, Knochenverkrümmung usw.) Die Gewohnheit einer einseitigen Funktion verwandelt ihn in ihr naturgemäß sicher wirkendes Organ, während der Zusammenhang aller Teilarbeiter ihn zwingt, mit der Regelmäßigkeit eines Maschinenteils zu wirken. Da die verschiedenen Funktionen des Gesamtarbeiters einfacher oder zusammengesetzter, niedriger oder höher sind, erheischen seine Organe, die individuellen Arbeitskräfte, sehr verschiedene Grade der Ausbildung und besitzen daher sehr verschiedene Werte. Die Manufaktur entwickelt also eine Hierarchie (Rangordnung) der Arbeitskräfte, der eine Stufenleiter der Arbeitslöhne entspricht. Jeder Produktionsprozeß bedingt indes gewisse einfache Hantierungen, deren jeder Mensch, wie er geht und steht, fähig ist. Auch sie werden jetzt von ihrem flüssigen Zusammenhang mit den inhaltvolleren Momenten der Tätigkeit losgelöst und zu ausschließlichen Funktionen verknöchert. Die Manufaktur erzeugt daher in jedem Handwerk, das sie ergreift, eine Klasse sogenannter ungelernter Arbeiter, die der Handwerksbetrieb streng ausschloß. Neben die hierarchische Abstufung tritt die einfache Scheidung der Arbeiter in gelernte und ungelernte. Für letztere fallen die Erlernungskosten ganz weg, für erstere sinken sie, im Vergleich zum Handwerker, infolge vereinfachter Funktion. In beiden Fällen sinkt der Wert der Arbeitskraft. Ausnahme findet statt, soweit die Zersetzung des Arbeitsprozesses neue zusammenfassende Funktionen erzeugt, die im Handwerksbetrieb gar nicht oder nicht in demselben Umfang vorkommen.

Die hier geschilderte Teilung der Arbeit innerhalb der Manufaktur war eine Fortsetzung der Arbeitsteilung, die seit Beginn der geschichtlich bekannten Zeiten vor sich gegangen war und bis dahin im Handwerk ihren höchsten Ausdruck gefunden hatte. Es versteht sich, daß die neue, durch das Kapital hervorgerufene Arbeitsteilung zahlreiche Wechselwirkungen und Ähnlichkeiten mit der alten aufwies. Trotzdem sind beide – also die seit Jahrhunderten bekannte Arbeitsteilung, welche die Menschen z. B. in verschiedene Handwerke gliederte, und die erst durch das Kapital aufgekommene Arbeitsteilung innerhalb ein und derselben Werkstatt – wesentlich voneinander unterschieden. Am schlagendsten scheint die Ähnlichkeit unstreitig, wo ein inneres Band verschiedene Geschäftszweige umschlingt. Der Viehzüchter z. B. produziert Häute, der Gerber verwandelt die Häute in Leder, der Schuster das Leder in Stiefel. Jeder produziert hier ein Stufenprodukt, und die letzte fertige Gestalt ist das kombinierte Produkt ihrer Sonderarbeiten. Es kommen hinzu die mannigfachen Arbeitszweige, die dem Viehzüchter, Gerber, Schuster Produktionsmittel liefern. Was aber stellt den Zusammenhang her zwischen den unabhängigen Arbeiten von Viehzüchter, Gerber, Schuster? Daß jedes ihrer Produkte eine Ware ist. Was charakterisiert dagegen die manufakturmäßige Teilung der Arbeit? Daß der Teilarbeiter keine Ware produziert. Erst das gemeinsame Produkt der Teilarbeiter verwandelt sich in Ware. Die allgemeine Arbeitsteilung in der Gesellschaft ist vermittelt durch den Kauf und Verkauf der Produkte verschiedener Arbeitszweige; der Zusammenhang der Teilarbeiten in der Manufaktur durch den Verkauf verschiedener Arbeitskräfte an denselben Kapitalisten, der sie als kombinierte Arbeitskraft verwendet. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit unterstellt Konzentration der Produktionsmittel in der Hand eines Kapitalisten, die gesellschaftliche Teilung der Arbeit erfordert Zersplitterung der Produktionsmittel unter viele voneinander unabhängige Warenproduzenten. Statt daß in der Manufaktur das eherne Gesetz der Verhältniszahl oder Proportionalität bestimmte Arbeitermassen unter bestimmte Funktionen einordnet, treiben Zufall und Willkür ihr buntes Spiel in der Verteilung der Warenproduzenten und ihrer Produktionsmittel unter die verschiedenen gesellschaftlichen Arbeitszweige. Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit unterstellt die unbedingte Autorität des Kapitalisten über Menschen, die bloße Glieder eines ihm gehörigen Gesamtmechanismus bilden; die gesellschaftliche Teilung der Arbeit stellt unabhängige Warenproduzenten einander gegenüber, die keine andere Autorität anerkennen als die der Konkurrenz, den Zwang, den der Druck ihrer wechselseitigen Interessen auf sie ausübt. Dasselbe bürgerliche Bewußtsein, das die manufakturmäßige Teilung der Arbeit, die lebenslängliche Gebundenheit des Arbeiters an eine Detailverrichtung und die unbedingte Unterordnung der Teilarbeiter unter das Kapital als eine Organisation der Arbeit feiert, welche ihre Produktivkraft steigere, denunziert daher ebenso laut jede bewußte gesellschaftliche Kontrolle und Regelung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses als einen Eingriff in die unverletztlichen Eigentumsrechte, Freiheit und sich selbst bestimmende „Genialität“ des individuellen Kapitalisten. Es ist sehr charakteristisch, daß die begeisterten Lobredner des Fabriksystems nichts Ärgeres gegen jede allgemeine Organisation der gesellschaftlichen Arbeit zu sagen wissen, als daß sie die ganze Gesellschaft in eine Fabrik verwandeln würde.

Die Zunftgesetze verhinderten planmäßig, durch äußerste Beschränkung der Gesellenzahl, die ein einzelner Zunftmeister beschäftigen durfte, seine Verwandlung in einen Kapitalisten. Ebenso konnte er Gesellen nur beschäftigen in dem ausschließlichen Handwerk, worin er selbst Meister war. Die Zunft wehrte eifersüchtig jeden Übergriff des Kaufmannskapitals ab, der einzig freien Form des Kapitals, die ihr gegenüberstand. Der Kaufmann konnte alle Waren kaufen, nur nicht die Arbeit als Ware. Er war nur geduldet als Verleger der Handwerksprodukte. Riefen äußere Umstände eine fortschreitende Teilung der Arbeit hervor, so zerspalteten sich bestehende Zünfte in Unterarten oder lagerten sich neue Zünfte neben die alten hin, jedoch ohne Zusammenfassung verschiedener Handwerke in einer Werkstatt. Die Zunftorganisation, so sehr ihre Besonderung, Abgrenzung und Ausbildung der Gewerbe zu den Vorbedingungen der Manufaktur gehören, schloß daher die manufakturmäßige Teilung der Arbeit aus. Im großen und ganzen blieben der Arbeiter und seine Produktionsmittel miteinander verbunden wie die Schnecke mit dem Schneckenhaus, und so fehlte die erste Grundlage der Manufaktur, die Verselbständigung der Produktionsmittel als Kapital gegenüber dem Arbeiter.

Während die Teilung der Arbeit im Ganzen einer Gesellschaft, ob vermittelt oder unvermittelt durch den Warenaustausch, den verschiedenartigsten ökonomischen Gesellschaftsformationen angehört, ist die manufakturmäßige Teilung der Arbeit eine ganz spezifische Schöpfung der kapitalistischen Produktionsweise.

* * *

Ist die Manufaktur einmal eingeführt, so erheischt jeder weitere Fortschritt der Arbeitsteilung das Vorhandensein von größerem Kapital in der Hand der einzelnen Kapitalisten. Denn, wie wir gesehen, ist die Mindestanzahl von Arbeitern, die der einzelne Kapitalist anwenden muß, ihm jetzt durch die vorhandene Teilung der Arbeit vorgeschrieben. (Man denke an das Beispiel der Schriftgießerei: auf einen Frottierer kommen zwei Abbrecher und vier Gießer; mindestens diese sieben Mann muß der Kapitalist einstellen, will er seine Gießerei überhaupt betreiben. Um den Betrieb zu erweitern, braucht er mindestens noch einmal sieben Mann.) Mit dem variablen muß aber auch der konstante Kapitalteil wachsen, die Arbeitsmittel und Arbeitsstoffe, die Baulichkeiten, Öfen usw., namentlich aber auch das Rohmaterial, und dieses viel schneller als die Arbeiterzahl. Denn durch die Vergrößerung wächst ja die Produktivkraft der Arbeit, es wird also in derselben Zeit und von derselben Arbeiteranzahl um so viel mehr Rohmaterial verarbeitet. Dieses muß im Besitz des Kapitalisten vorhanden sein. In demselben Verhältnis also, wie die Manufaktur wächst, werden die in der Gesellschaft vorhandenen Lebensmittel und Produktionsmittel zu Kapital in den Händen der Kapitalisten. „Es genügt nicht, daß das zur Unterabteilung der Handwerke nötige Kapital (sollte heißen, die dazu nötigen Lebensmittel und Produktionsmittel) sich in der Gesellschaft vorhanden vorfinde; es ist außerdem nötig, daß es in den Händen der Unternehmer in hinreichend beträchtlichen Massen angehäuft sei, um sie zur Arbeit auf großer Stufenleiter zu befähigen … Je mehr die Teilung zunimmt, erheischt die ständige Beschäftigung einer selben Zahl von Arbeitern immer beträchtlicheres Kapital in Werkzeugen, Rohstoffen usw.“ (Storch, Lehrgang der polit. Ökonomie. Pariser Ausgabe, B. I, S. 250/51.)

Ebenso wie die einfache Kooperation, ist auch die Manufaktur durch das Kapital zustande gekommen. Die aus der Kombination der Arbeiten entspringende Produktivkraft erscheint daher als Produktivkraft des Kapitals. Ein wesentlicher Unterschied besteht jedoch zwischen einfacher Kooperation und Manufaktur. Während die einfache Kooperation die Arbeitsweise der einzelnen im großen und ganzen unverändert läßt, wälzt die Manufaktur sie von Grund aus um und ergreift die individuelle Arbeitskraft an ihrer Wurzel. Sie verkrüppelt den Arbeiter, indem sie sein Detailgeschick treibhausmäßig fördert, durch Unterdrückung einer Welt von produktiven Trieben und Anlagen, wie man in den La-Plata-Staaten ein ganzes Tier abschlachtet, um sein Fell oder seinen Talg zu erbeuten. Die besonderen Teilarbeiten werden nicht nur unter verschiedene Individuen verteilt, sondern das Individuum selbst wird geteilt, in das automatische Triebwerk einer Teilarbeit verwandelt und die abgeschmackte Fabel des Menenius Agrippa30 verwirklicht, die einen Menschen als bloßes Bruchstück seines eigenen Körpers darstellt. Wenn der Arbeiter ursprünglich seine Arbeitskraft an das Kapital verkauft, weil ihm die materiellen Mittel zur Produktion einer Ware fehlen, versagt jetzt seine Arbeitskraft selbst ihren Dienst, sobald sie nicht an das Kapital verkauft wird. Sie funktioniert nur noch in einem Zusammenhang, der erst nach ihrem Verkauf existiert, in der Werkstatt des Kapitalisten. Seiner natürlichen Beschaffenheit nach verunfähigt, etwas Selbständiges zu machen, entwickelt der Manufakturarbeiter produktive Tätigkeit nur noch als Zubehör zur Werkstatt des Kapitalisten. („Der Arbeiter, der in seinen Armen ein ganzes Handwerk trägt, kann überall sein Gewerbe ausüben und seinen Lebensunterhalt gewinnen; der Manufakturarbeiter ist nur ein Zubehör, losgetrennt von seinen Arbeitskameraden kann er nichts schaffen, ist deshalb unselbständig und muß über sich ergehen lassen, was man ihm aufzuerlegen für gut befindet.“ Storch, Petersburger Ausgabe, 1815, B. I, S. 204.)

Die Kenntnisse, die Einsicht und der Wille, die der selbständige Bauer oder Handwerker, wenn auch auf kleinem Maßstab, entwickelt, sind jetzt nur noch für das Ganze der Werkstatt erheischt. Die Teilarbeiter verlieren die geistigen Kräfte der Produktion, die sich ihnen gegenüber im Kapital ansammeln. Es ist eine Wirkung der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit, den einzelnen Arbeitern die geistigen Kräfte der Produktion zu entziehen und sie ihnen als fremdes Eigentum und sie beherrschende Macht gegenüberzustellen. Dieser Scheidungsprozeß beginnt in der einfachen Kooperation, wo der Kapitalist den einzelnen Arbeitern gegenüber die Einheit und den Willen des gesamten Arbeitskörpers vertritt. Er setzt sich fort in der Manufaktur, die den Arbeiter zum Teilarbeiter verstümmelt. Er vollendet sich in der großen Industrie, welche die Wissenschaft als selbständige Produktionskraft von der Arbeit trennt und in den Dienst des Kapitals preßt.

In der Manufaktur ist die Bereicherung des Gesamtarbeiters und daher des Kapitals an gesellschaftlicher Produktivität bedingt durch die Verarmung des Arbeiters an individuellen Produktivkräften. „Die Unwissenheit ist die Mutter der Industrie wie des Aberglaubens. Nachdenken und Einbildungskraft sind dem Irrtum unterworfen; aber die Gewohnheit, den Fuß oder die Hand zu bewegen, hängt weder von dem einen noch von der andern ab. So könnte man sagen, daß mit Bezug auf Manufakturen ihre Vollkommenheit darin besteht, sich des Geistes entschlagen zu können, in der Art, daß die Werkstatt als eine Maschine betrachtet werden kann, deren Teile Menschen sind.“31 In der Tat wandten einige Manufakturen in der Mitte des 18. Jahrhunderts für gewisse einfache Operationen, welche aber Fabrikgeheimnisse bildeten, mit Vorliebe halbe Idioten an.

Anschaulich schildert der englische Forscher Adam Smith (in seinem Werk „Reichtum der Nationen“, erschienen 1776, Buch V, Kapitel I, zweiter Abschnitt) die geistige Verkümmerung des Arbeiters infolge der Manufaktur. „Der Geist der großen Mehrzahl der Menschen“, sagt A. Smith, „entwickelt sich notwendig aus und an ihren Alltagsverrichtungen. Ein Mensch, der sein ganzes Leben in der Verrichtung weniger einfacher Operationen verausgabt …, hat keine Gelegenheit, seinen Verstand zu üben … Er wird im allgemeinen so stupid und unwissend, wie eine menschliche Kreatur nur werden kann … Aber in jeder industriellen und zivilisierten Gesellschaft ist dies der Zustand, worin der arbeitende Arme, d. h. die große Masse des Volks, notwendig verfallen muß.“ Aber auch der Körper des Teilarbeiters verkümmert, und so hat die Manufaktur zuerst das Material und den Anstoß zur Erforschung der Gewerbekrankheiten geliefert.

„Einen Menschen unterabteilen heißt ihn hinrichten, wenn er das Todesurteil verdient, ihn meuchelmorden, wenn er es nicht verdient. Die Unterabteilung der Arbeit ist der Meuchelmord eines Volkes.“ (D. Urquhart, London 1855.)

Ursprünglich aus den Bedürfnissen der Arbeit gewissermaßen von selbst erwachsen, wird die Manufaktur – d. h. das auf Teilung der Arbeit beruhende Zusammenwirken –, sobald sie sich einigermaßen befestigt und ausgedehnt hat, von den Kapitalisten bewußt und planmäßig angewandt und weiterentwickelt. Die Geschichte der eigentlichen Manufaktur zeigt, wie die ihr eigentümliche Teilung der Arbeit zunächst erfahrungsgemäß, gleichsam hinter dem Rücken der handelnden Personen, die sachgemäßen Formen gewinnt, dann aber, gleich dem zünftigen Handwerke, die einmal gefundene Form durch Überlieferung von einer Generation zur andern festzuhalten strebt und in einzelnen Fällen jahrhundertelang festhält. Ändert sich diese Form, so außer in Nebendingen immer nur infolge einer Umwälzung der Arbeitsinstrumente. Die moderne Manufaktur – ich spreche hier nicht von der auf Maschinerie beruhenden großen Industrie – findet entweder, wie z. B. die Kleidermanufaktur, in den großen Städten, wo sie entsteht, ihre verschiedenen Glieder bereits fertig vor und hat sie nur aus ihrer Zerstreuung zu sammeln, oder das Prinzip der Teilung liegt auf flacher Hand, indem einfach die verschiedenen Verrichtungen der handwerksmäßigen Produktion (z. B. beim Buchbinden) besonderen Arbeitern ausschließlich zugeteilt werden. Es kostet noch keine Woche Erfahrung, in solchen Fällen die Verhältniszahl zwischen den für jede Funktion nötigen Händen zu finden.32

Die manufakturmäßige Teilung der Arbeit schafft also eine bestimmte Organisation gesellschaftlicher Arbeit und entwickelt damit zugleich neue gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit. Als spezifisch kapitalistische Form der Produktion – und auf den vorgefundenen Grundlagen konnte sie sich nicht anders als in der kapitalistischen Form entwickeln – ist sie nur eine besondere Methode, relativen Mehrwert zu erzeugen oder die Selbstverwertung des Kapitals – was man „gesellschaftlichen Reichtum“ usw. nennt – auf Kosten der Arbeiter zu erhöhen. Nicht nur entwickelt sie die gesellschaftliche Produktivkraft der Arbeit für den Kapitalisten statt für den Arbeiter, sondern durch die Verkrüppelung des Arbeiters. Sie produziert neue Bedingungen der Herrschaft des Kapitals über die Arbeit. Wenn sie daher einerseits als historischer Fortschritt erscheint, so andererseits als ein Mittel zivilisierter und raffinierter Ausbeutung.

Die politische Ökonomie, die als eigene Wissenschaft erst in der Manufakturzeit aufkommt, betrachtet die Teilung der Arbeit überhaupt nur als Mittel, mit demselben Quantum Arbeit mehr Ware zu produzieren, daher die Waren zu verwohlfeilern und die Anhäufung des Kapitals zu beschleunigen. Im strengsten Gegensatz zu dieser Betonung der Quantität und des Tauschwertes halten sich die Schriftsteller des klassischen Altertums ausschließlich an Qualität und Gebrauchswert. Infolge der Scheidung der Produktionszweige werden die Waren besser gemacht, die verschiedenen Triebe und Talente der Menschen wählen sich entsprechende Wirkungskreise, und ohne Beschränkung ist nirgendwo Bedeutendes zu leisten.

Während der eigentlichen Manufakturperiode, d. h. der Zeit, worin die Manufaktur die herrschende Form der kapitalistischen Produktion, stößt die volle Ausführung ihrer eigenen Tendenzen auf vielseitige Hindernisse. Obgleich sie, wie wir sahen, neben der Rangordnung der gelernten Arbeiter eine einfache Scheidung zwischen gelernten und ungelernten Arbeitern schafft, bleibt die Zahl der letzteren sehr beschränkt. Obgleich sie die einzelnen Operationen dem verschiedenen Grad von Reife und Kraft der Arbeiter anpaßt und daher zur Ausbeutung von Weibern und Kindern drängt, scheitert diese Tendenz im großen und ganzen an den Gewohnheiten und dem Widerstand der männlichen Arbeiter. Obgleich die Zersetzung des Handwerks in Teiloperationen die Bildungskosten und den Wert der Arbeiter senkt, bleibt für schwierigere Detailarbeit eine längere Erlernungszeit nötig und wird auch da, wo sie überflüssig, eifersüchtig von den Arbeitern aufrechterhalten. Wir finden z. B. in England die Gesetze über das Lehrlingswesen mit ihrer siebenjährigen Lernzeit bis zum Ende der Manufakturperiode in Vollkraft und erst von der großen Industrie über den Haufen geworfen. Da das Handwerksgeschick die Grundlage der Manufaktur bleibt, ringt das Kapital beständig mit der Unbotmäßigkeit der Arbeiter. Durch die ganze Manufakturperiode läuft daher die Klage über den Disziplinmangel der Arbeiter. Vom 16. Jahrhundert bis zum Beginn der großen Industrie gelang es dem Kapital nicht, sich der ganzen möglichen Arbeitszeit der Manufakturarbeiter zu bemächtigen; mit der Ein- oder Auswanderung der Arbeiter mußten die Manufakturen ihren Sitz in dem einen Lande verlassen und in dem anderen aufschlagen.

Zugleich konnte die Manufaktur die gesellschaftliche Produktion weder in ihrem ganzen Umfang ergreifen noch in ihrer Tiefe umwälzen. Eins ihrer vollendetsten Gebilde war die Werkstatt zur Produktion der Arbeitsinstrumente selbst und namentlich auch der komplizierteren mechanischen Apparate. Dieses Produkt der manufakturmäßigen Teilung der Arbeit produzierte seinerseits – Maschinen. Damit fallen die Schranken, welche die Abhängigkeit des Werks von den persönlichen Fähigkeiten des Arbeiters noch der Herrschaft des Kapitals auferlegte.

9.3 Maschinerie und große Industrie33

John Stuart Mill sagt in seinen „Prinzipien der politischen Ökonomie“: „Es ist fraglich, ob alle bisher gemachten mechanischen Erfindungen die Tagesmühe irgendeines menschlichen Wesens erleichtert haben.“34 Solches ist jedoch auch keineswegs der Zweck der kapitalistisch verwandten Maschinerie. Gleich jeder andren Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit soll sie Waren verwohlfeilern und den Teil des Arbeitstags, den der Arbeiter für sich selbst braucht, verkürzen, um den andren Teil seines Arbeitstags, den er dem Kapitalisten umsonst gibt, zu verlängern. Sie ist Mittel zur Produktion von Mehrwert.

Die Umwälzung der Produktionsweise nimmt in der Manufaktur die Arbeitskraft zum Ausgangspunkt, in der großen Industrie das Arbeitsmittel. Es ist also zunächst zu untersuchen, wodurch sich die Maschine vom Handwerksinstrument unterscheidet.

Mathematiker und Mechaniker erklären das Werkzeug für eine einfache Maschine und die Maschine für ein zusammengesetztes Werkzeug. Sie sehen hier keinen wesentlichen Unterschied. In der Tat besteht jede Maschine aus einfachen Werkzeugen, wie immer verkleidet und kombiniert. Vom ökonomischen Standpunkt jedoch taugt die Erklärung nichts. Andrerseits sucht man den Unterschied zwischen Werkzeug und Maschine darin, daß beim Werkzeug der Mensch die Bewegungskraft liefert, bei der Maschine eine andre Naturkraft, wie Tier, Wasser, Wind usw. Danach wäre ein mit Ochsen bespannter Pflug eine Maschine, ein im 18. Jahrhundert gebräuchlicher Rundwebstuhl, der, von der Hand eines einzigen Arbeiters bewegt, 96000 Maschen in einer Minute verfertigt, wäre ein bloßes Werkzeug. Ja derselbe Webstuhl wäre Werkzeug, wenn er mit der Hand, und wäre Maschine, wenn er mit Dampf bewegt wird. Da die Anwendung von Tierkraft eine der ältesten Erfindungen der Menschheit ist, ginge in der Tat die Maschinenproduktion der Handwerksproduktion voraus.

Alle entwickelte Maschinerie besteht aus drei wesentlich verschiedenen Teilen: der Bewegungsmaschine, dem Transmissions- (Kraftübertragungs-) Apparat und der Werkzeugmaschine oder Arbeitsmaschine. Die Bewegungsmaschine wirkt als Triebkraft des Ganzen. Sie erzeugt ihre eigene Bewegungskraft wie die Dampfmaschine, Heißluftmaschine, elektro-magnetische Maschine usw., oder sie empfängt den Anstoß von einer fertigen Naturkraft, wie das Wasserrad, der Windflügel usw. Der Transmissionsapparat, zusammengesetzt aus Schwungrädern, Treibwellen, Zahnrädern, Kreiselrädern, Schäften, Schnüren, Riemen, Zwischengeschirr und Vorgelege der verschiedensten Art, regelt die Bewegung, verwandelt, wo es nötig, ihre Form, z. B. aus einer hin und her schwingenden in eine kreisförmige, verteilt und überträgt sie auf die Werkzeugmaschinerie. Beide Teile des Mechanismus sind nur vorhanden, um der Werkzeugmaschine die Bewegung mitzuteilen, wodurch sie den Arbeitsgegenstand anpackt und zweckgemäß verändert. Dieser Teil der Maschinerie, die Werkzeugmaschine ist es, wovon die industrielle Umwälzung im 18. Jahrhundert ausgeht. Sie bildet noch jeden Tag von neuem den Ausgangspunkt, sooft Handwerksbetrieb oder Manufakturbetrieb in Maschinenbetrieb übergeht.

Sehen wir uns nun die Werkzeugmaschine oder eigentliche Arbeitsmaschine näher an, so erscheinen im großen und ganzen, wenn auch oft in sehr veränderter Form, die Apparate und Werkzeuge wieder, womit der Handwerker und Manufakturarbeiter arbeitet. Entweder ist die ganze Maschine nur eine mehr oder minder veränderte mechanische Ausgabe des alten Handwerksinstruments, wie bei dem mechanischen Webstuhl, oder die an der Arbeitsmaschine angebrachten Organe sind alte Bekannte, wie Spindeln, Nadeln, Sägeblätter, Messer usw. Die Werkzeugmaschine ist also ein Mechanismus, der nach Empfang der Bewegungskraft mit seinen Werkzeugen dieselben Operationen verrichtet, welche früher der Arbeiter mit ähnlichen Werkzeugen verrichtete. Ob die Triebkraft nun vom Menschen ausgeht oder selbst wieder von einer Maschine, ändert am Wesen der Sache nichts. Sobald das eigentliche Werkzeug, das auf den Rohstoff einwirkt, nicht vom Menschen, sondern von einem mechanischen Apparat gehandhabt wird, ist aus dem bloßen Werkzeug eine Maschine geworden.

Der Unterschied springt sofort in die Augen, auch wenn der Mensch selbst noch die Triebkraft liefert. Die Anzahl von Arbeitsinstrumenten, womit er gleichzeitig wirken kann, ist durch die Anzahl seiner körperlichen Organe beschränkt. Man versuchte in Deutschland erst einen Spinner zwei Spinnräder treten, ihn also gleichzeitig mit zwei Händen und zwei Füßen arbeiten zu lassen. Dies war zu anstrengend. Später erfand man ein Tretspinnrad mit zwei Spindeln. Aber die Spinnvirtuosen, die zwei Fäden gleichzeitig spinnen konnten, waren fast so selten wie zweiköpfige Menschen. Die Jenny spinnt dagegen von vornherein mit 12–18 Spindeln, der Strumpfwirkerstuhl strickt mit viel tausend Nadeln auf einmal usw. Die Anzahl der Werkzeuge, womit dieselbe Werkzeugmaschine gleichzeitig spielt, ist von vornherein unabhängig von der Schranke, wodurch das Handwerkszeug eines Arbeiters beengt wird.

Die Dampfmaschine selbst, wie sie Ende des 17. Jahrhunderts erfunden ward und bis zum Anfang der 80er Jahre des 18. Jahrhunderts fortexistierte, rief keine industrielle Umwälzung hervor. Es war vielmehr umgekehrt die Schöpfung der Werkzeugmaschine, welche die Dampfmaschine notwendig machte.

Die Werkzeugmaschine, von welcher die industrielle Umwälzung ausgeht, ersetzt den Arbeiter, der ein einzelnes Werkzeug handhabt, durch einen Mechanismus, der mit einer Masse derselben oder gleichartiger Werkzeuge auf einmal operiert und von einer einzigen Triebkraft, welches immer deren Form sei, bewegt wird. („Die Vereinigung aller dieser einfachen Instrumente, durch einen einzigen Motor in Bewegung gesetzt, bildet eine Maschine.“ Babbage, London 1832.)

Die Erweiterung des Umfangs der Arbeitsmaschine und der Zahl ihrer gleichzeitig operierenden Werkzeuge bedingt einen größeren Bewegungsmechanismus, und dieser braucht zur Überwältigung seines eigenen Widerstandes eine mächtigere Triebkraft als die menschliche, abgesehen davon, daß der Mensch nur sehr unvollkommen gleichmäßige und andauernde Bewegung zu liefern vermag. Naturkräfte können ihn jetzt auch als Triebkraft ersetzen, und damit konnte dann eine Bewegungsmaschine viele Arbeitsmaschinen gleichzeitig betreiben.

Es gab Mules, Dampfmaschinen usw., bevor es Arbeiter gab, deren ausschließliches Geschäft es war, Dampfmaschinen, Mules usw. zu machen, ganz wie der Mensch Kleider trug, bevor es Schneider gab. Die Erfindungen des 18. Jahrhunderts (Vaucanson, Arkwright, Watt usw.) waren jedoch nur ausführbar, weil jene Erfinder ein von der Manufakturzeit fertig geliefertes und beträchtliches Quantum geschickter mechanischer Arbeiter vorfanden. Mit der Zunahme der Erfindungen und der wachsenden Nachfrage nach den neu erfundenen Maschinen entwickelte sich mehr und mehr einerseits die Spaltung der Maschinenfabrikation in mannigfache selbständige Zweige, andererseits die Teilung der Arbeit im Innern der maschinenbauenden Manufakturen. Wir erblicken hier also in der Manufaktur die unmittelbare technische Grundlage der großen Industrie. Jene produzierte die Maschinerie, womit diese in den Produktionszweigen, die sie zunächst ergriff, den handwerks- und manufakturmäßigen Betrieb aufhob. Der Maschinenbetrieb erhob sich also naturwüchsig auf einer ihm unangemessenen Grundlage. Die große Industrie war in ihrer ganzen Entwicklung gelähmt, solange die Maschine persönlicher Kraft und persönlichem Geschick ihre Existenz verdankte, also abhing von der Muskelentwicklung, der Schärfe des Blicks und der Virtuosität der Hand, womit der Teilarbeiter in der Manufaktur und der Handwerker ihr Zwerginstrument führten. Abgesehen von der Verteuerung der Maschinen infolge dieser Ursprungsweise, blieb so die Ausdehnung der bereits maschinenmäßig betriebenen Industrie und das Eindringen der Maschinerie in neue Produktionszweige rein bedingt durch das Wachstum einer Arbeitergruppe, die wegen der halbkünstlerischen Natur ihres Geschäfts nur allmählich und nicht sprungweise vermehrt werden konnte. Aber auf einer gewissen Entwicklungsstufe geriet die große Industrie auch technisch in Widerstreit mit ihrer handwerks- und manufakturmäßigen Unterlage. Es erwuchsen dem Maschinenbau Aufgaben, welche die Manufaktur nicht lösen konnte. Maschinen z. B. wie die moderne Druckerpresse, der moderne Dampfwebstuhl und die moderne Kardiermaschine konnten nicht von der Manufaktur geliefert werden.

Die Umwälzung der Produktionsweise in einer Industrie bedingt ihre Umwälzung in der andern. So machte die Maschinenspinnerei Maschinenweberei nötig und beide zusammen die mechanisch-chemischen Neuerungen in der Bleicherei, Druckerei und Färberei. So rief andrerseits die Umwälzung in der Baumwollspinnerei die Erfindung des Gin zur Trennung der Baumwollfaser vom Samen hervor, womit erst die Baumwollproduktion auf dem nun erheischten großen Maßstab möglich ward. Die Umwälzung in Industrie und Landwirtschaft ernötigte namentlich aber auch eine Umwälzung in den Verkehrs- und Transportmitteln. Die von der Manufakturzeit überlieferten Verkehrs- und Transportmittel erwiesen sich bald als unerträgliche Hemmschuhe für die große Industrie mit ihrer fieberhaften Geschwindigkeit, ihrer Massenproduktion, ihrem beständigen Werfen von Kapital- und Arbeitermassen aus einem Produktionszweig in den andren und ihren neugeschaffenen weltmarktlichen Zusammenhängen. Abgesehen von ganz umgewälztem Segelschiffbau, wurde das Verkehrs- und Transportwesen daher allmählich durch ein System von Flußdampfschiffen, Eisenbahnen, Ozeandampfern und Telegraphen der großen Industrie angepaßt. Die furchtbaren Eisenmassen aber, die jetzt zu schmieden, zu schweißen, zu schneiden, zu bohren und zu formen waren, erforderten ihrerseits zyklopische Maschinen, deren Schöpfung der manufakturmäßige Maschinenbau versagte. Die große Industrie mußte sich also auf den Maschinenbau ausdehnen und Maschinen durch Maschinen produzieren.

Betrachten wir nun den Teil der zum Maschinenbau angewandten Maschinerie, der die eigentliche Werkzeugmaschine bildet, so erscheint das handwerksmäßige Instrument wieder, aber in zyklopischem Umfang. Die Bohrmaschine z. B. arbeitet mit einem ungeheuren Bohrer, die durch eine Dampfmaschine getrieben wird, und ohne den umgekehrt die Zylinder großer hydraulischer Pressen nicht produziert werden könnten. Die mechanische Drechselbank ist die zyklopische Wiedergeburt der gewöhnlichen Fußdrechselbank, die Hobelmaschine ein eiserner Zimmermann, der mit denselben Werkzeugen in Eisen arbeitet wie der Zimmermann in Holz; das Werkzeug, welches in den Londoner Schiffswerften das Furnierwerk schneidet, ist ein riesenartiges Rasiermesser; das Werkzeug der Schermaschine, welche Eisen schneidet, wie die Schneiderschere Tuch, ist eine Monstreschere, und der Dampfhammer operiert mit einem gewöhnlichen Hammerkopf, aber von solchem Gewicht, daß Thor selbst ihn nicht schwingen könnte. Einer dieser Dampfhämmer z. B. wiegt über 6 Tonnen (120 Zentner) und stürzt aus einer Höhe von 7 Fuß auf einen Amboß von 36 Tonnen Gewicht (720 Zentner). Er zerschlägt spielend einen Granitblock zu Pulver und ist nicht minder fähig, einen Nagel in weiches Holz mit einer Anzahl leiser Schläge einzutreiben.

In der einfachen, und selbst in der durch Arbeitsteilung verfeinerten Kooperation erscheint die Verdrängung des vereinzelten Arbeiters durch den vergesellschafteten immer noch mehr oder minder zufällig. Die Maschinerie (mit einigen später zu erwähnenden Ausnahmen) erfordert ohne weiteres vergesellschaftete Arbeit (d. h. planmäßig gemeinsame Arbeit vieler). Die Natur des Arbeitsmittels selbst macht jetzt das planmäßige Zusammenwirken zur technischen Notwendigkeit.

* * *

Man sah, daß die aus Kooperation und Teilung der Arbeit entspringenden Produktivkräfte dem Kapital nichts kosten. Naturkräfte, wie Dampf, Wasser usw., kosten ebenfalls nichts. Wie aber der Mensch eine Lunge zum Atmen braucht, braucht er ein „Gebild von Menschenhand“, um Naturkräfte bei der Produktion zu benutzen. Ein Wasserrad ist nötig, um die Bewegungskraft des Wassers, eine Dampfmaschine, um die Spannkraft des Dampfes auszunutzen. Wie mit den Naturkräften verhält es sich mit der Wissenschaft. Einmal entdeckt, kostet das Gesetz über die Abweichung der Magnetnadel im Wirkungskreise eines elektrischen Stromes oder über Erzeugung von Magnetismus im Eisen, um das ein elektrischer Strom kreist, keinen Deut. Aber zur Ausnutzung dieser Gesetze für Telegraphie usw. bedarf es eines sehr kostspieligen und weitläufigen Apparates. Wenn es daher auf den ersten Blick klar ist, daß die große Industrie durch Nutzbarmachung ungeheurer Naturkräfte die Produktivkraft der Arbeit außerordentlich steigern muß, ist es keineswegs ebenso klar, daß dies nicht durch vermehrte Arbeitsausgabe erkauft wird. Wie das konstante Kapital überhaupt, schafft die Maschinerie keinen Wert, gibt aber ihren eigenen Wert an das Produkt ab, und es ist handgreiflich, daß die Maschinerie unverhältnismäßig an Wert schwillt, verglichen mit den Arbeitsmitteln des Handwerks- und Manufakurbetriebes. Statt das Produkt zu verwohlfeilern, verteuert sie es im Verhältnis zu ihrem eigenen Wert.

Nun setzt aber die Maschinerie dem einzelnen Produkt niemals mehr Wert zu, als sie im Durchschnitt durch ihre Abnutzung verliert. Es besteht also ein großer Unterschied zwischen dem Wert, den die Maschine besitzt, und dem Wertteilchen, das sie jedesmal auf das Produkt überträgt. Und dieses Wertteilchen ist um so kleiner, je länger die Maschine vorhält. Das gilt allerdings für jedes eigentliche Arbeitsmittel, für jedes Produktionsinstrument. Jedoch ist der Unterschied zwischen Benutzung und Abnutzung bei der Maschinerie viel größer als beim Werkzeug, weil sie, aus dauerhafterem Material gebaut, länger lebt, weil ihre Anwendung, durch streng wissenschaftliche Gesetze geregelt, größere Sparsamkeit ermöglicht, und endlich weil ihr Produktionsfeld unverhältnismäßig größer ist als das des Werkzeugs. Herr Baynes aus Blackburn schätzt in einer 1858 veröffenthchten Vorlesung, daß „jede reale mechanische Pferdekraft 450 Selfaktor-Mulespindeln nebst Vorgeschirr treibt oder 200 Throstlespindeln oder 15 Webstühle für 40zölliges Tuch nebst den Vorrichtungen zum Aufziehen der Kette, Schlichten usw.“ Die täglichen Kosten einer Dampfpferdekraft und der Verschleiß der von ihr in Bewegung gesetzten Maschinerie verteilen sich also über das Tagesprodukt von 450 Mulespindeln oder von 200 Throstlespindeln oder von 15 mechanischen Webstühlen, so daß hierdurch auf eine Unze Garn oder eine Elle Geweb nur ein winziger Wertteil übertragen wird. Ebenso im obigen Beispiel mit dem Dampfhammer. Da sich sein täglicher Verschleiß, Kohlenverbrauch usw. auf die furchtbaren Eisenmassen verteilen, die er täglich hämmert, hängt sich jedem Zentner Eisen nur ein geringer Wertteil an, der sehr groß wäre, sollte das zyklopische Instrument kleine Nägel eintreiben.

Schon bei der Betrachtung der Kooperation und Manufaktur ergab sich, daß gewisse allgemeine Produktionserfordernisse, wie Baulichkeiten usw., durch den gemeinsamen Verbrauch sparsamer vernutzt werden, daher das Produkt weniger verteuern. Dies steigert sich bei der Maschinerie, denn hier wird nicht nur eine Arbeitsmaschine von ihren vielen Werkzeugen, sondern dieselbe Bewegungsmaschine nebst einem Teil des Transmissionsapparates von vielen Arbeitsmaschinen gemeinsam verbraucht.

Wieviel Wert die Maschinerie insgesamt auf das Produkt übertragen kann, hängt natürlich davon ab, wieviel Wert sie selbst hat. Je weniger Arbeit sie selbst enthält, desto weniger Wert setzt sie dem Produkt zu. Je weniger Wert sie abgibt, desto produktiver ist sie und desto mehr nähert sich ihr Dienst dem kostenlosen Dienst der Naturkräfte.

Es ist klar, daß die Gesamtsumme der zur Produktion einer Ware erheischten Arbeit nicht vermindert (oder die Produktivkraft der Arbeit nicht vermehrt) wird, wenn die Produktion einer Maschine so viel Arbeit kostet, wie ihre Anwendung erspart. Die Differenz jedoch zwischen der Arbeit, die sie kostet, und der Arbeit, die sie erspart, hängt offenbar nicht ab von der Differenz zwischen ihrem eigenen Wert und dem Wert des von ihr ersetzten Werkzeugs. Die Differenz dauert so lange, als die Arbeitskosten der Maschine (und daher der von ihr dem Produkt zugesetzte Wertteil) kleiner bleiben als der Wert, den der Arbeiter mit seinem Werkzeug dem Arbeitsgegenstand zusetzen würde. Die Produktivität der Maschine mißt sich daher an dem Grad, worin sie menschliche Arbeitskraft ersetzt.

Jedoch darf die Arbeit, welche die Maschine erspart, nicht verwechselt werden mit dem Arbeitslohn. Gesetzt, eine Maschine verdränge 150 Arbeiter und koste selbst ebensoviel wie der Jahreslohn dieser 150 Arbeiter, z. B. 60000 M. Nun sind aber die 60000 M keineswegs der Geldausdruck der von den 150 Arbeitern gelieferten und dem Arbeitsgegenstand zugesetzten Arbeit, sondern nur desjenigen Teils ihrer Jahresarbeit, der für sie selbst zu Arbeitslohn wird. Sie erhielten das Jahr über 60000 M Lohn, aber sie lieferten dafür einen größeren Wert als 60000 M. Kostet nun die Maschine ebenfalls 60000 M, worin alle während ihrer Produktion aufgewandte Arbeit enthalten ist, gleichgültig, wie diese Arbeit sich in Lohn für die Arbeiter und Mehrwert für die Kapitalisten teilte, so ist der Wert der Maschine kleiner als der früher von den 150 Arbeitern erzeugte Wert. Mit anderen Worten: kostet die Maschine ebensoviel wie die von ihr ersetzte Arbeitskraft, so ist die in ihr selbst vergegenständlichte Arbeit stets viel kleiner als die von ihr ersetzte lebendige Arbeit.

Würde es sich nur darum handeln, die Produkte zu verwohlfeilern, so würde sich die Anwendung der Maschine lohnen, solange die Produktion der Maschine weniger Arbeit kostet, als ihre Anwendung Arbeit ersetzt. Veranschaulichen wir uns das durch Zahlen: Im obigen Beispiel bekamen 150 Arbeiter das Jahr 60000 M Lohn und lieferten dafür, sagen wir, für insgesamt 120000 M Arbeit (der Mehrwert betrug 100% ihres Lohns). Solange nun die Herstellung der Maschine, welche die Arbeit der 150 Mann übernimmt, weniger kostet als 120000 M, würde sich ihre Anwendung für die Gesellschaft lohnen, denn sie erspart Arbeit. – So kann aber der Kapitalist nicht rechnen. Für die Arbeit, welche die 150 Mann leisten, zahlt er nur 60000 M; für ihn ist die Maschine daher unanwendbar, sobald sie mehr als 60000 M kostet.35 Nur der wirklich gezahlte Lohn spielt für den Kapitalisten in den Produktionskosten eine Rolle. Dieser Lohn ist für das gleiche Quantum Arbeit in verschiedenen Ländern verschieden; auch wechselt er, indem er bald unter den Wert der Arbeitskraft sinkt, bald über ihn steigt. Es werden daher heute Maschinen in England erfunden, die nur in Nordamerika angewandt werden, wie Deutschland im 16. und 17. Jahrhundert Maschinen erfand, die nur Holland anwandte und wie manche französische Erfindung des 18. Jahrhunderts nur in England ausgebeutet ward. In älter entwickelten Ländern bewirkt die Maschine selbst durch ihre Anwendung in einigen Geschäftszweigen ein solches Überangebot von Arbeitskräften in anderen, daß hier der Lohn unter den Wert der Arbeitskraft sinkt und so den Gebrauch der Maschine verhindert. In einigen Zweigen der englischen Wollmanufaktur ist während der letzten Jahre die Kinderarbeit sehr vermindert, hier und da fast verdrängt worden. Warum? Das Fabrikgesetz ernötigte eine doppelte Schicht Kinder, von denen je eine 6, die andere 4 Stunden oder jede nur 5 Stunden arbeitet. Die Eltern wollten aber die „Halbzeitler“ nicht wohlfeiler verkaufen als früher die „Vollzeitler“. Daher Ersetzung der Halbzeitler durch Maschinerie. Vor dem Verbot der Arbeit von Weibern und Kindern (unter 10 Jahren) in Bergwerken unter Tage fand das Kapital die Methode, nackte Weiber und Mädchen, oft mit Männern zusammengebunden, in Kohlen- und anderen Gruben zu vernutzen, so übereinstimmend mit seinem Moralkodex und namentlich auch seinem Hauptbuch, daß es erst nach dem Verbot zur Maschinerie griff. Die Yankees haben Maschinen zum Steinklopfcn erfunden. Die Engländer wenden sie nicht an, weil der „Elende“ (wretch == Elender ist Fachausdruck der englischen politischen Ökonomie für den Landarbeiter), der diese Arbeit verrichtet, einen so geringen Teil seiner Arbeit bezahlt erhält, daß Maschinerie die Produktion für den Kapitalisten verteuern würde. In England werden gelegentlich statt der Pferde immer noch (1863) Weiber zum Ziehen usw. bei den Kanalbooten verwandt, weil die zur Produktion von Pferden und Maschinen erheischte Arbeit ein mathematisch gegebenes Quantum ist, die zur Erhaltung von Weibern der Überbevölkerung dagegen unter aller Berechnung steht. Man findet daher nirgendwo schamlosere Verschwendung von Menschenkraft für Lumpereien als gerade in England, dem Land der Maschinen.

10 Einwirkung dieser Fortschritte auf die Lage der Arbeiterklasse36

10.1 Weiber- und Kinderarbeit

Sofern die Maschinerie Muskelkraft entbehrlich macht, wird sie zum Mittel, Arbeiter ohne Muskelkraft oder von unreifer Körperentwicklung, aber größerer Geschmeidigkeit der Glieder anzuwenden. Weiber- und Kinderarbeit war daher das erste Wort der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie! Dies gewaltige Ersatzmittel von Arbeit und Arbeitern wurde damit sofort ein Mittel, die Zahl der Lohnarbeiter zu vermehren durch Einreihung aller Mitglieder der Arbeiterfamilie, ohne Unterschied von Geschlecht und Alter, unter die unmittelbare Botmäßigkeit des Kapitals. Die Zwangsarbeit für den Kapitalisten verdrängt nicht nur das Kinderspiel, sondern auch die freie Arbeit im häuslichen Kreis, innerhalb sittlicher Schranke, für die Familie selbst.37

Der Wert der Arbeitskraft war bestimmt nicht nur durch die zur Erhaltung des erwachsenen Arbeiters, sondern auch durch die zur Erhaltung seiner Familie nötige Arbeitszeit. Indem die Maschinerie alle Glieder der Arbeiterfamilie zur Arbeit heranzieht, entwertet sie die Arbeitskraft des Mannes. Eine ganze Familie von z.B. vier Arbeitskräften kostet vielleicht mehr als früher die Arbeitskraft des Mannes allein, aber dafür treten vier Arbeitstage an die Stelle von einem. Vier müssen nun nicht nur Arbeit, sondern Mehrarbeit für das Kapital liefern, damit eine Familie lebe. Im Jahre 1845 teilte ein englischer Schriftsteller mit: „Die Zunahme der Arbeiterzahl ist groß gewesen, weil immer mehr Männer durch Frauen und insbesondere Erwachsene durch Kinder ersetzt wurden. Die Mädchen von 13 Jahren, mit Löhnen von 6–8 Schilling die Woche haben den einen Mann in reifem Alter ersetzt, der zwischen 18 und 45 Schilling bekam.“ Da gewisse Funktionen der Familie, z.B. Warten und Säugen der Kinder usw. nicht ganz unterdrückt werden können, müssen die vom Kapital mit Beschlag belegten Familienmütter mehr oder minder Stellvertreter dingen. Die Arbeiten, welche der Familienkonsum erheischt, wie Nähen, Flicken usw., müssen durch Kauf fertiger Waren ersetzt werden. Die Verminderung der häuslichen Arbeit zwingt also zu vermehrter Geldausgabe. Die Unterhaltskosten der Arbeiterfamilie wachsen daher und gleichen die Mehreinnahmen aus. Es kommt hinzu, daß Sparsamkeit und Zweckmäßigkeit in Vernutzung und Bereitung der Lebensmittel unmöglich werden.38

Auch die Form des Kontrakts zwischen Arbeiter und Kapitalist ändert sich, seit das Kapital Unmündige und Halbmündige kauft. Früher verkaufte der Arbeiter seine eigene Arbeitskraft, worüber er als formell freie Person verfügte. Jetzt verkauft er Weib und Kind; er wird Sklavenhändler. Die Nachfrage nach Kinderarbeit gleicht oft auch in der Form der Nachfrage nach Negersklaven, wie man sie in amerikanischen Zeitungsinseraten zu lesen gewohnt war. Noch in den jüngsten (1864–1866) Berichten der „Kinderarbeit-Kommission“ findet man wahrhaft empörende und durchaus sklavenhändlerische Züge der Arbeitereltern mit Bezug auf den Kinderschacher trotz der großen Tatsache, daß die Beschränkung der Weiber- und Kinderarbeit in den englischen Fabriken von den erwachsenen männlichen Arbeitern dem Kapital aberobert wurde.

Eine Folge der auf solche Weise bewirkten Zersetzung des Familienlebens ist die ungeheuere Sterblichkeit von Arbeiterkindern in ihren ersten Lebensjahren. In England gibt es 16 Bezirke, wo im jährlichen Durchschnitt auf 100000 lebende Kinder unter einem Jahr nur 9000 Todesfälle kommen (in einem Bezirk sogar nur 7000),

in 24 Bezirken zwischen 10000 und 11000
,, 39 ,, ,, 11000 ,, 12000
,, 48 ,, ,, 12000 ,, 13000
,, 22 ,, ,, 20000 ,, 21000
,, 25 ,, ,, 21000 ,, 22000
,, 17 ,, ,, 22000 ,, 23000
,, 11 ,, ,, 23000 ,, 24000

inHooWolverhamptonAshtonunderLynePreston}zwischen24000und25000\left.\begin{array}{ll} \mathrm{in} & \mathrm{Hoo} \\ & \mathrm{Wolverhampton} \\ & \mathrm{Ashton-under-Lyne} \\ & \mathrm{Preston} \end{array} \right\} \mathrm{zwischen\ 24000\ und\ 25000}

inNottinghamStockportBradford}zwischen25000und26000\left.\begin{array}{ll} \mathrm{in} & \mathrm{Nottingham} \\ & \mathrm{Stockport} \\ & \mathrm{Bradford} \end{array} \right\} \mathrm{zwischen\ 25000\ und\ 26000}

inWisbeach26000\begin{array}{llc} \mathrm{in} & \mathrm{Wisbeach} & 26000 \end{array}

inManchester26125.\begin{array}{llc} \mathrm{in} & \mathrm{Manchester} & 26125. \end{array}39

Wie eine amtliche ärztliche Untersuchung im Jahre 1861 nachwies, ist, von örtlichen Zufälligkeiten abgesehen, die hohe Sterblichkeit der Säuglinge vorzugsweise der außerhäuslichen Beschäftigung der Mütter geschuldet und der daher entspringenden Vernachlässigung und Mißhandlung der Kinder, u.a. unpassender Nahrung, Mangel an Nahrung, Fütterung mit Opiaten usw.; dazu kommt die natürliche Entfremdung der Mütter gegen ihre Kinder, im Gefolge davon absichtliche Aushungerung und Vergiftung. In solchen ländlichen Bezirken, „wo die weibliche Beschäftigung minimal ist, ist dagegen die Sterblichkeit (der Säuglinge) am niedrigsten“. (Derselbe Bericht Seite 454.)

Die aus der kapitalistischen Ausbeutung der Weiber- und Kinderarbeit entspringende moralische Verkümmerung ist von F. Engels in seiner „Lage der arbeitenden Klassen Englands“40 und von anderen Schriftstellern so erschöpfend dargestellt worden, daß ich hier nur daran erinnere. Die geistige Verödung aber, künstlich hervorgerufen durch die Ausnutzung unreifer Menschen als bloße Maschinen zur Fabrikation von Mehrwert, und sehr zu unterscheiden von jener naturwüchsigen Unwissenheit, welche den Geist in Brache legt ohne Verderb seiner Entwicklungsfähigkeit, seiner natürlichen Fruchtbarkeit selbst, zwang endlich sogar das englische Parlament, in allen dem Fabrikgesetz unterworfenen Industrien den Volksschulunterricht zur gesetzlichen Bedingung für die Beschäftigung von Kindern unter 14 Jahren zu machen. Der Geist des Kapitalismus leuchtet hell aus der liederlichen Abfassung der sogenannten Erziehungsklauseln des Fabrikgesetzes, aus dem Mangel geeigneter Verwaltungsorgane zu ihrer Durchführung, aus dem Widerstand der Fabrikanten selbst gegen dieses Unterrichtsgesetz und aus ihren praktischen Kniffen und Schlichen zu seiner Umgehung. Am 30. Juni 1857 berichtete der englische Fabrikinspektor Leonhard Horner: Das Gesetz „bestimmt nichts, außer daß die Kinder drei Stunden per Tag innerhalb der vier Wände eines Platzes, Schule benamst, eingeschlossen werden sollen, und daß der Beschäftiger des Kindes hierüber wöchentlich eine Bescheinigung von einer Person erhalten muß, die sich als Schullehrer oder Schullehrerin mit ihrem Namen unterzeichnet“. Vor dem Erlaß des verbesserten Fabrikgesetzes von 1844 waren solche Bescheinigungen nicht selten mit einem Kreuz unterzeichnet, weil der Schulmeister oder die Schulmeisterin selbst nicht schreiben konnten. „Es sind jedoch“, berichtet Leonhard Horner am 31. Oktober 1856, „nicht nur solche Jammerhöhlen, worin die Kinder Schulscheine, aber keinen Unterricht erhalten; denn in vielen Schulen, wo der Lehrer fähig ist, scheitern seine Bemühungen fast ganz an dem sinnverwirrenden Knäuel von Kindern aller Alter, aufwärts von Dreijährigen. Seine Einkünfte, elend im besten Fall, hängen ganz von der Zahl der Pence ab, und diese von der größten Anzahl Kinder, die es möglich ist, in ein Zimmer zu stopfen. Dazu Mangel an Schulmöbeln, Mangel an Büchern und andrem Lehrmaterial und die niederschlagende Wirkung einer stinkigen und ekelhaften Luft auf die armen Kinder selbst. Ich war in vielen solchen Schulen, wo ich ganze Reihen Kinder sah, die absolut nichts taten; und dies wird als Schulbesuch bescheinigt, und diese Kinder zählen in der amtlichen Statistik als solche, die Unterricht genossen haben.“ Als Beispiel der Hinterhältigkeit, womit das Kapital dem Gesetz ein Schnippchen schlägt, sei noch folgende Stelle aus dem Bericht des englischen Fabrikinspektors A. Redgrave vom 30. Juni 1857 angeführt: Nach den Bestimmungen des Gesetzes für Kattundruckereien und ähnliche Betriebe „muß jedes Kind, bevor es in einer solchen Druckerei beschäftigt wird, während der 6 Monate, die dem ersten Tag seiner Beschäftigung unmittelbar vorausgehen, mindestens 30 Tage lang und nicht weniger als 150 Stunden eine Schule besucht haben. Solange es in der Druckerei beschäftigt wird, muß es ebenfalls jedesmal innerhalb 6 Monaten 30 Tage lang 150 Stunden die Schule besuchen. Und zwar muß der Schulbesuch zwischen 8 Uhr morgens und 6 Uhr nachmittags stattfinden und darf nicht weniger als 2122\frac{1}{2} Stunden und nicht mehr als 5 Stunden an einem Tage betragen“. Wie führte nun das Kapital diese gesetzlichen Bestimmungen aus? „Gewöhnlich gehen die Kinder 30 Tage hintereinander, vormittags und nachmittags, 5 Stunden jeden Tag zur Schule, und wenn die 30 Tage um sind, so daß die vorgeschriebene Summe von 150 Stunden erreicht ist – wenn sie, in ihrer eigenen Sprache zu reden, ihr Buch abgemacht haben –, kehren sie zur Druckerei zurück und werden 6 Monate lang in der Schule nicht mehr gesehen, bis ein neuer Abschlagstermin für den Schulbesuch fällig wird, und dann bleiben sie wieder in der Schule, bis das Buch wieder abgemacht ist … Sehr viele Jungen, welche auf diese Weise die vorschriftsmäßigen 150 Schulstunden abmachen, sind bei ihrer Rückkehr aus dem 6 monatlichen Aufenthalt in der Druckerei gerade so weit wie im Anfang … Sie haben natürlich alles wieder verloren, was sie durch den früheren Schulbesuch gewonnen hatten. In andren Kattundruckereien wird der Schulbesuch ganz und gar von den Bedürfnissen des Betriebes abhängig gemacht. Die vorgeschriebene Stundenzahl wird während jeder 6 Monatsperiode durch gelegentliche Abschlagszahlungen von 3 bis 5 Stunden vollgemacht, die vielleicht über die ganzen 6 Monate zerstreut sind. Das Kind kommt z.B. an einem Tage von 6 bis 11 Uhr morgens zur Schule, am nächsten Tage von 1 bis 4 Uhr nachmittags, dann bleibt es eine Reihe von Tagen weg und erscheint plötzlich wieder von 3 bis 6 Uhr nachmittags; nun kommt es vielleicht 3 oder 4 Tage hintereinander, oder auch eine ganze Woche, um dann wieder für 3 Wochen oder einen ganzen Monat zu verschwinden, und hinterher in einigen Abfallstunden, wo die Fabrik es zufällig nicht braucht, aufs neue die Schule zu besuchen; und so wird das Kind sozusagen zwischen Schule und Fabrik hin- und hergepufft, bis die Summe von 150 Stunden erreicht ist.“

Durch den überwiegenden Zusatz von Kindern und Weibern zum Arbeitspersonal bricht die Maschinerie endlich den Widerstand, den der männliche Arbeiter in der Manufaktur der Despotie des Kapitals noch entgegensetzte.

10.2 Verlängerung des Arbeitstags

Wenn die Maschinerie das gewaltigste Mittel ist, die Produktivität der Arbeit zu steigern, d.h. die zur Produktion einer Ware nötige Arbeitszeit zu verkürzen, wird sie als Träger des Kapitals zum gewaltigsten Mittel, den Arbeitstag über jede naturgemäße Schranke hinaus zu verlängern. Sie schafft einerseits neue Bedingungen, welche das Kapital befähigen, dieser seiner beständigen Tendenz die Zügel frei schießen zu lassen, andrerseits neue Motive zur Wetzung seines Heißhungers nach fremder Arbeit.

Die Maschine läuft von selbst, ihre Bewegung und Werktätigkeit ist vom Arbeiter unabhängig. Sie könnte ununterbrochen weiterlaufen, würde nicht die Körperschwäche und der Eigenwille ihrer menschlichen Gehilfen hindernd im Wege stehen. Deren Widerstand so weit wie möglich einzudämmen, ist daher das Streben des Kapitals. Dieser ist ohnehin vermindert durch die scheinbare Leichtigkeit der Arbeit an der Maschine und durch die größere Fügsamkeit und Biegsamkeit der Weiber und Kinder.

Je länger die Maschine funktioniert, desto größer die Warenmasse, die sie anfertigt, und desto kleiner der Wertteil, den sie jeder einzelnen Ware zufügt. Grund genug für das Kapital, ihre Tätigkeit an jedem einzelnen Tage so weit wie irgendmöglich auszudehnen.

Der Verschleiß der Maschine entspricht keineswegs mathematisch genau ihrer Benutzungszeit. Und selbst wenn es so wäre, leistet eine Maschine, die 7127\frac{1}{2} Jahre lang täglich 16 Stunden dient, ebensoviel und setzt dem gesamten von ihr erzeugten Produkt keinen größeren Wert zu als dieselbe Maschine, wenn sie 15 Jahre lang nur 8 Stunden täglich dient. Im ersteren Fall aber wäre der Wert der Maschine doppelt so rasch reproduziert (auf das Produkt übertragen) als im letzteren, und der Kapitalist hätte in 7127\frac{1}{2} Jahren so viel Mehrarbeit eingeschluckt wie sonst in 15.

Die Maschine verschleißt nicht nur durch ihren Gebrauch, sondern auch wenn sie stillsteht, wie ein untätig Schwert in der Scheide verrostet. Die Elemente nagen dann an ihr, und dieser Verschleiß steht zu gewissem Grad in umgekehrtem Verhältnis zu ihrem Gebrauch: je länger sie stillsteht, desto mehr zehren die Elemente an ihr.

Daneben jedoch ist die Maschine auch einem sozusagen moralischen Verschleiß ausgesetzt. Es können Maschinen derselben Konstruktion wohlfeiler hergestellt werden, oder es können bessere Maschinen konkurrierend neben sie treten. Beides verringert ihren Tauschwert. In beiden Fällen ist ihr Wert, so jung und lebenskräftig sie sonst noch sein mag, nicht mehr bestimmt durch die tatsächlich in ihr selbst vergegenständlichte Arbeitszeit, sondern nur noch durch diejenige Arbeit, welche jetzt die Herstellung einer gleichen oder besseren Maschine erfordert. Sie ist daher mehr oder minder entwertet. Je schneller ihr Gesamtwert auf das Produkt übertragen, je schneller die Maschine verbraucht wird, desto geringer ist die Gefahr dieses moralischen Verschleißes; und je länger der Arbeitstag, desto schneller wird sie aufgebraucht. Bei der ersten Einführung der Maschinerie in irgendeinen Produktionszweig folgen Schlag auf Schlag neue Methoden zu ihrer wohlfeileren Herstellung und Verbesserungen, die nicht nur einzelne Teile oder Apparate, sondern ihre ganze Konstruktion ergreifen. In ihrer ersten Lebensperiode wirkt daher dies besondere Motiv zur Verlängerung des Arbeitstages am kräftigsten.41

Will der Kapitalist, anstatt den Arbeitstag zu verlängern, die doppelte Arbeiterzahl anwenden und Mehrwert aus ihnen ziehen, so muß er das in Maschinerie und Baulichkeiten ausgelegte Kapital ebenso wohl verdoppeln wie das in Rohmaterial, Hilfsstoffen usw. ausgelegte. Mit verlängertem Arbeitstag dehnt sich der Umfang der Produktion, ohne daß das in Maschinerie und Baulichkeiten ausgelegte Kapital vergrößert zu werden braucht. Nicht nur der Mehrwert wächst daher, sondern die zu dessen Gewinnung notwendigen Auslagen nehmen ab. Zwar gilt dies mehr oder minder für jede Verlängerung des Arbeitstages, fällt aber bei Maschinenanwendung entscheidender ins Gewicht, weil hier der in Arbeitsmitteln angelegte Kapitalteil überhaupt mehr ins Gewicht fällt. „Wenn“, belehrte im Jahre 1837 Herr Ashworth, ein großer englischer Baumwollfabrikant, den Professor der Nationalökonomie Nassau W. Senior, „wenn ein Ackersmann seinen Spaten niederlegt, macht er für diese Zeit ein Kapital von 18 Pence (ca. 1121\frac{1}{2} M) nutzlos. Wenn einer von unseren Leuten (d.h. den Fabrikarbeitern) die Fabrik verläßt, macht er ein Kapital nutzlos, das 100000 Pfund Sterling (ca. 2 Millionen M) gekostet hat.“ Man denke nur! Ein Kapital, das 100000 Pfund Sterling gekostet hat, auch nur für einen Augenblick „nutzlos“ zu machen! Es ist in der Tat himmelschreiend, daß einer unserer Leute überhaupt jemals die Fabrik verläßt! Der wachsende Umfang der Maschinerie macht, wie der von Ashworth belehrte Senior einsieht, eine stets wachsende Verlängerung des Arbeitstags „wünschenswert“.

Bei der ersten noch vereinzelten Einführung der Maschine in einen Industriezweig steht der gesellschaftliche Wert des Maschinenprodukts über seinem individuellen Wert; d.h. das Maschinenprodukt erfordert weniger Arbeit als das Produkt der Konkurrenz, die noch ohne Maschinen arbeitet. Der Wert bestimmt sich aber nach der „gesellschaftlich notwendigen“ Arbeit, das ist in diesem Fall die größere Arbeit, die ohne Maschinen notwendig ist. Folglich kann das Maschinenprodukt weit über seinem eigenen Wert verkauft werden; während dieser Übergangsperiode, worin der Maschinenbetrieb eine Art Monopol bleibt, sind daher die Gewinne außerordentlich, und der Kapitalist sucht diese „erste Zeit der jungen Liebe“, gründlichst auszubeuten durch möglichste Verlängerung des Arbeitstages. Die Größe des Gewinns wetzt den Heißhunger nach mehr Gewinn.

Dieser Extragewinn hört auf, sobald die Maschinerie im selben Produktionszweig allgemein eingeführt ist, und dann macht sich das Gesetz geltend, daß der Mehrwert nicht aus den Arbeitskräften entspringt, welche der Kapitalist durch die Maschine ersetzt hat, sondern umgekehrt aus denen, welche er an ihr beschäftigt. Der Mehrwert entspringt nur aus dem variablen Teil des Kapitals, d.h. aus der lebendigen Arbeit; er muß mithin um so größer sein, je mehr lebendige Arbeit das Kapital anwendet, und mit der Verringerung der lebendigen Arbeit muß er abnehmen. Nun aber ist es doch gerade der Zweck der Maschine, lebendige Arbeit zu verdrängen und zu ersetzen. Die Maschinerie steigert die Produktivkraft, sie verwohlfeilert das Produkt, sie verringert dadurch die Kosten des Lebensunterhalts und folglich den Wert der Arbeitskraft, sie vergrößert so die Mehrarbeit auf Kosten der notwendigen Arbeit; aber das alles erreicht sie doch nur, indem sie die Anzahl der von einem gegebenen Kapital beschäftigten Arbeiter vermindert, oder mit andren Worten: indem sie einen Teil des Kapitals, der früher variabel war (d.h. lebendige Arbeitskraft bezahlte), zu Maschinen verwendet, zu konstantem Kapital, das keinen Mehrwert produziert. Machen wir uns das an einem Beispiel anschaulich. Ein Kapital von 100 (z.B. 100000 M) mußte vor Einführung der Maschine vielleicht zu 40% zum Ankauf von Werkzeug und Rohstoffen dienen, während für 60% Arbeiter beschäftigt wurden. Nun kommt die Maschine und verdreifacht die Produktivität. Jetzt werden nur noch 20% des Kapitals zur Besoldung von Arbeitern verwandt, 23\frac{2}{3} der bisher beschäftigten Arbeiter werden entlassen, das früher zu ihrer Entlohnung verwandte Kapital dient jetzt zum Ankauf der Maschine und der größeren Mengen Rohmaterial, welche die Maschine verarbeitet.

Es ist aber unmöglich, aus der verringerten Anzahl Arbeiter ebenso viel Mehrwert auszupressen wie früher aus der größeren, z.B. aus zwei Arbeitern so viel wie aus 24. Wenn jeder der 24 Arbeiter auf 12 Stunden nur eine Stunde Mehrarbeit liefert, liefern sie zusammen 24 Stunden Mehrarbeit, während die zwei Arbeiter insgesamt nur 24 Stunden arbeiten. Es liegt also in der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie (d.h. in ihrer Anwendung zu dem Zweck, Mehrwert zu erzeugen) ein innerer Widerspruch. Sie kann den Mehrwert auf der einen Seite durch Senkung des Wertes der Arbeitskraft nur dadurch erhöhen, daß sie ihn auf der andren Seite durch Verminderung der beschäftigten Arbeiter verkleinert. Und es ist dieser Widerspruch, der das Kapital, ohne daß es sich dessen bewußt wäre, zur gewaltsamsten Verlängerung des Arbeitstages treibt, um die Abnahme der Arbeiterzahl durch Zunahme der Mehrarbeit jedes Beschäftigten auszugleichen.

Wenn also die kapitalistische Anwendung der Maschinerie einerseits neue mächtige Motive zur maßlosen Verlängerung des Arbeitstages schafft und die Arbeitsweise in einer Art umwälzt, die den Widerstand der Arbeiter bricht, schafft sie andrerseits – teils durch Einstellung der Weiber und Kinder, teils durch Freisetzung der von der Maschine verdrängten Arbeiter – eine überflüssige Arbeiterbevölkerung, die sich das Gesetz vom Kapital diktieren lassen muß. Daher die merkwürdige Tatsache in der Geschichte der modernen Industrie, daß die Maschine alle sittlichen und natürlichen Schranken des Arbeitstages über den Haufen wirft. Daher der auffallende Widerspruch, daß das gewaltigste Mittel zur Verkürzung der Arbeitszeit in das unfehlbarste Mittel umschlägt, die ganze Lebenszeit des Arbeiters und seiner Familie in Arbeitszeit für die Verwertung des Kapitals zu verwandeln. „Wenn“, träumte Aristoteles, der größte Denker des Altertums, „wenn jedes Werkzeug auf Geheiß oder auch vorausahnend das ihm zukommende Werk verrichten könnte, … wenn die Weberschiffe von selbst webten, so bedürfte es weder für den Webmeister der Gehilfen noch für die Herren der Sklaven.“ Und Antipatros, ein griechischer Dichter aus der Zeit des Cicero, begrüßte die Erfindung der Wassermühle, dieser Urform aller Maschinerie, als Befreierin der Sklaven und Herstellerin des goldnen Zeitalters.42 Die Heiden, ja die Heiden! Sie begriffen nichts von politischer Ökonomie und Christentum. Sie begriffen nicht, daß die Maschine das probateste Mittel zur Verlängerung des Arbeitstags ist. Sie entschuldigten etwa die Sklaverei des einen als Mittel zur vollen menschlichen Entwicklung des andren. Aber Sklaverei der Massen predigen, um einige rohe oder halbgebildete Emporkömmlinge zu „hervorragenden Spinnern“, „großzügigen Wurstfabrikanten“ oder „einflußreichen Schuhwichshändlern“ zu machen, dazu fehlte ihnen das spezifisch christliche Organ.

Seit der Geburt der großen Industrie43 im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts erfolgte eine lawinenartig gewaltsame und maßlose Überstürzung in der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit. Jede Schranke von Sitte und Natur, Alter und Geschlecht, Tag und Nacht, wurde zertrümmert. Selbst die Begriffe von Tag und Nacht verschwammen so sehr, daß ein englischer Richter noch 1860 wahrhaft talmudistischen Scharfsinn aufbieten mußte, um „urteilskräftig“ zu erklären, was Tag und Nacht sei. Das Kapital feierte seine Orgien. „Die Tatsache ist, daß vor dem Fabrikgesetz von 1833 Kinder und junge Personen abgearbeitet wurden die ganze Nacht, den ganzen Tag oder beide nach Belieben.“ (Bericht der englischen Fabrikinspektoren, 30. April 1860, S. 51.)

Werfen wir jetzt44 den Blick auf einige Produktionszweige, wo die Aussaugung der Arbeitskraft entweder noch heute (1863–1865) fesselfrei ist oder es gestern noch war.

„Herr Broughton, ein Friedensrichter, erklärte als Präsident einer Versammlung, abgehalten in der Stadthalle von Nottingham am 14. Januar 1860, daß in dem mit der Spitzenfabrikation beschäftigten Teile der städtischen Bevölkerung ein der übrigen zivilisierten Welt unbekannter Grad von Leid und Entbehrung vorherrscht … Um 2, 3, 4 Uhr morgens werden Kinder von 9 bis 10 Jahren ihren schmutzigen Betten entrissen und gezwungen, für den nackten Unterhalt bis 10, 11, 12 Uhr nachts zu arbeiten, während ihre Glieder wegschwinden, ihre Gestalt zusammenschrumpft, ihre Gesichtszüge abstumpfen und ihr menschliches Wesen ganz und gar in steinähnliche Erstarrung versinkt, deren bloßer Anblick schauderhaft ist … Was soll man denken von einer Stadt, die eine öffentliche Versammlung abhält, um zu petitionieren, daß die Arbeitszeit für Männer täglich auf 18 Stunden beschränkt werden solle!“ (Aus der Londoner Zeitung, „Daily Telegraph“, vom 14. Januar 1860.)

Die Töpferei von Staffordshire ist während der letzten 22 Jahre (vor 1860) dreimal durch parlamentarische Kommissionen untersucht worden. Aus den Berichten von 1860 und 1863 seien Zeugenaussagen der beschäftigten Kinder selbst entlehnt. Von den Kindern mag man auf die Erwachsenen schließen, namentlich Mädchen und Frauen, und zwar in einer Industrie, woneben Baumwollspinnerei und dergleichen als ein sehr angenehmes und gesundes Geschäft erscheint.

Wilhelm Wood, 9jährig, „war 7 Jahre 10 Monate alt, als er zu arbeiten begann“. Er trug die fertig geformte Ware in die Trockenstube, um nachher die leere Form zurückzubringen. Er kommt jeden Tag in der Woche um 6 Uhr morgens und hört auf ungefähr 9 Uhr abends. „Ich arbeite bis 9 Uhr abends jeden Tag in der Woche, so z.B. während der letzten 7–8 Wochen.“ Also 15stündige Arbeitszeit für ein 7jähriges Kind! J. Murray, ein 12jähriger Knabe, sagt aus: „Ich trage Formen und drehe das Rad. Ich komme um 6 Uhr, manchmal um 4 Uhr morgens. Ich habe während der ganzen letzten Nacht bis diesen Morgen 8 Uhr gearbeitet. Ich war nicht im Bett seit der letzten Nacht. Außer mir arbeiteten 8 oder 9 andre Knaben die letzte Nacht durch. Alle außer einem sind diesen Morgen wiedergekommen. Ich bekomme wöchentlich 3 Sh. 6 P. (ungefähr 3,55 M). Ich bekomme nicht mehr, wenn ich die ganze Nacht durcharbeite. Ich habe in der letzten Woche zwei Nächte durchgearbeitet.“

Dr. Greenhow erklärt die Lebenszeit in den Töpfergegenden von Stoke-upon-Trent und Wolstanton für außerordentlich kurz. Obgleich in beiden Bezirken nicht ganz 13\frac{1}{3} der Männer über 20 Jahre in den Töpfereien beschäftigt sind, entfällt auf die Töpfer in dem einen Bezirk mehr als die Hälfte, in dem andern ungefähr 25\frac{2}{5} der Todesfälle, und zwar infolge von Brustkrankheiten. Dr. Doothroyd, praktischer Arzt zu Hanley, sagt aus: „Jede folgende Generation der Töpfer ist zwerghafter und schwächer als die vorhergehende.“ Ebenso ein andrer Arzt, Herr Mc Bean: „Seit ich vor 25 Jahren meine Praxis unter den Töpfern begann, hat sich die auffallende Entartung dieser Klasse fortschreitend in Abnahme von Gestalt und Gewicht gezeigt.“ Diese Aussagen sind dem Bericht des Dr. Greenhow von 1860 entnommen. (Öffentliches Gesundheitswesen, 3. Bericht usw., S. 102, 104, 105.)

Aus dem Bericht der Kommissare von 1863: Dr. J. T. Arledge, Oberarzt des North Staffordshire Krankenhauses, sagt: „Als eine Klasse repräsentieren die Töpfer, Männer und Frauen … eine entartete Bevölkerung körperlich und sittlich. Sie sind in der Regel verzwergt, schlecht gebaut und oft an der Brust verwachsen. Sie altern vorzeitig und sind kurzlebig; phlegmatisch und blutlos, verraten sie die Schwäche ihrer Konstitution durch hartnäckige Anfälle von Magenverstimmungen, Leber- und Nierenstörungen und Rheumatismus. Vor allem aber leiden sie an Brustkrankheiten, Lungenentzündung, Schwindsucht, Luftröhrenentzündungen und Asthma. Eine Form des letzteren ist ihnen eigentümlich und bekannt unter dem Namen Töpferasthma oder Töpferschwindsucht. Unter Skrophulose, die Mandeln, Knochen oder andre Körperteile angreift, leiden mehr als 23\frac{2}{3} der Töpfer … Daß die Entartung der Bevölkerung dieses Bezirks nicht noch viel größer ist, verdankt sie ausschließlich der Zuwanderung aus den umliegenden Landbezirken und den Zwischenheiraten mit gesünderen Rassen.“ Herr Charles Pearson, vor kurzem noch Wundarzt derselben Krankenanstalt, schreibt in einem Brief an den Kommissar Longe u.a.: „Ich kann nur aus persönlicher Beobachtung, nicht statistisch sprechen; aber ich stehe nicht an zu versichern, daß meine Empörung wieder und wieder aufkochte bei dem Anblick dieser armen Kinder, deren Gesundheit geopfert wurde, um der Habgier ihrer Eltern und Arbeitgeber zu frönen.“ Er zählt die Ursachen der Töpferkrankheiten auf und bezeichnet als deren wichtigste die langen Arbeitsstunden. — Das gleiche gilt fur die Töpfereien in Schottland.

Die Manufaktur von Schwefelhölzern datiert von 1833, von der Erfindung, den Phosphor auf die Zündrute selbst anzubringen. Seit 1845 hat sie sich rasch in England entwickelt und von den dichtbevölkerten Teilen Londons namentlich auch nach Manchester, Birmingham, Liverpool, Bristol, Norwich, Newcastle, Glasgow verbreitet. Mit ihr die Mundsperre, die ein Wiener Arzt schon 1845 als eigentümliche Krankheit der Schwefelholzmacher entdeckte. Die Hälfte der Arbeiter sind Kinder unter 13 und junge Personen unter 18 Jahren. Die Manufaktur ist wegen ihrer Ungesundheit und Widerwärtigkeit so verrufen, daß nur der verkommenste Teil der Arbeiterklasse, halbverhungerte Witwen usw. Kinder für sie hergibt, „zerlumpte, halb verhungerte, ganz verwahrloste und unerzogene Kinder“. Von den Zeugen, die Kommissar White 1863 verhörte, waren 270 unter 18 Jahren, 50 unter 10 Jahren, 10 nur 8 und 5 nur 6 Jahre alt. Wechsel des Arbeitstags von 12 auf 14 und 15 Stunden, Nachtarbeit, unregelmäßige Mahlzeiten, meist in den Arbeitsräumen selbst, die vom Phosphor verpestet sind. Dante würde in dieser Manufaktur seine grausamsten Höllenphantasien übertroffen finden.

In der Tapetenfabrik werden die gröberen Sorten mit Maschinen, die feineren mit der Hand gedruckt. Die lebhaftesten Geschäftsmonate fallen zwischen Anfang Oktober und Ende April. Während dieser Periode dauert die Arbeit häufig und fast ohne Unterbrechung von 6 Uhr vormittags bis 10 Uhr abends und tiefer in die Nacht.

G. Apsden sagt aus (1862): „Diesen meinen Jungen pflegte ich, als er 7 Jahre alt war, auf meinem Rücken hin und her über den Schnee zu tragen, und er pflegte 16 Stunden zu arbeiten! … Ich habe oft niedergekniet, um ihn zu füttern, während er an der Maschine stand, denn er durfte sie nicht verlassen oder stillsetzen.“ Smith, der geschäftsführende Teilhaber einer Manchesterfabrik: „Wir (er meint seine ‚Hände‘, die für ‚uns‘ arbeiten) arbeiten ohne Unterbrechung für Mahlzeiten, so daß die Tagesarbeit von 101210\frac{1}{2} Stunden um 4124\frac{1}{2} Uhr nachmittags fertig ist, und alles spätere ist Überzeit. (Ob dieser Herr Smith wohl keine Mahlzeit während 101210\frac{1}{2} Stunden zu sich nimmt?) Wir (derselbe Smith) hören selten auf vor 6 Uhr abends, so daß wir (ein neuer Crispin45) in der Tat das ganze Jahr durch Überarbeit machen … Die Kinder und Erwachsenen (152 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren und 140 Erwachsene) haben gleichmäßig während der letzten 18 Monate im Durchschnitt allermindest 7 Tage und 5 Stunden in der Woche gearbeitet oder 781278\frac{1}{2} Stunden wöchentlich. Für die 6 Wochen, endend am 2. Mai dieses Jahres (1863), war der Durchschnitt höher – 8 Tage oder 84 Stunden in der Woche!“ Doch fügt derselbe Herr Smith schmunzelnd hinzu: „Maschinenarbeit ist leicht.“ Und so sagen die Anwender des Handdrucks: „Handarbeit ist gesünder als Maschinenarbeit.“ Im ganzen erklären sich die Herren Fabrikanten mit Entrüstung gegen den Vorschlag, „die Maschinen wenigstens während der Mahlzeiten stillzusetzen“.

Im Januar 1866 standen vor einer Londoner Großen Jury46 drei Eisenbahnarbeiter, ein Zugbegleiter, ein Lokomotivführer und ein Signalgeber. Ein großes Eisenbahnunglück hat hunderte von Reisenden in die andre Welt befördert. Die Nachlässigkeit der Eisenbahnarbeiter ist die Ursache des Unglücks. Sie erklären vor den Geschworenen einstimmig, vor 10–12 Jahren habe ihre Arbeit nur 8 Stunden täglich gedauert. Während der letzten 5–6 Jahre habe man sie auf 14, 18 und 20 Stunden aufgeschraubt und bei besonders lebhaftem Zudrang der Reiselustigen, wie in den Perioden der Extrazüge, währe sie oft ununterbrochen 40–50 Stunden. Sie seien gewöhnliche Menschen und keine Zyklopen. Auf einem gegebenen Punkt versage ihre Arbeitskraft. Lähmung ergreife sie. Ihr Hirn höre auf zu denken und ihr Auge zu sehen. Der ganz und gar „respectable British Jurymann“ antwortet durch einen Spruch, der sie wegen „Totschlags“ vor das nächste Schwurgericht schickt und in einem milden Anhang den frommen Wunsch äußert, die Herren Kapitalmagnaten der Eisenbahn möchten doch in Zukunft verschwenderischer im Ankauf der nötigen Anzahl von Arbeitskräften und „enthaltsamer“ oder „entsagender“ oder „sparsamer“ in der Aussaugung der bezahlten Arbeitskraft sein.47

Aus dem buntscheckigen Haufen der Arbeiter von allen Berufen, Altern, Geschlechtern greifen wir noch zwei Figuren heraus, deren frappanter Kontrast beweist, daß vor dem Kapital alle Menschen gleich sind – eine Putzmacherin und einen Grobschmied.

In den letzten Wochen des Juni 1863 brachten alle Londoner Tageblätter eine Mitteilung mit dem sensationellen Aushängeschild: „Tod durch bloße Überarbeit.“ Es handelte sich um den Tod der Putzmacherin Mary Anne Walkley, 20jährig, beschäftigt in einer sehr respektablen Hofputzmanufaktur, ausgebeutet von einer Dame mit dem gemütlichen Namen Elise. Die alte oft erzählte Geschichte48 ward nun neu entdeckt, daß diese Mädchen durchschnittlich 161216\frac{1}{2} Stunden, während der Saison aber oft 30 Stunden ununterbrochen arbeiten, indem ihre versagende Arbeitskraft durch gelegentliche Zufuhr von Sherry, Portwein oder Kaffee flüssig erhalten wird. Und es war gerade die Höhe der Saison. Es galt, die Prachtkleider edler Ladies für den Huldigungsball bei der frisch importierten Prinzessin von Wales im Umsehen fertig zu zaubern. Mary Anne Walkley hatte 261226\frac{1}{2} Stunden ohne Unterbrechung gearbeitet zusammen mit 60 anderen Mädchen, je 30 in einem Zimmer, das kaum 13\frac{1}{3} der nötigen Luft gewährte, während sie nachts zu zweien in einem Bett schliefen in einem der Sticklöcher, in welche ein Schlafzimmer durch verschiedene Bretterwände abgepfercht ist. Und dies war eine der besseren Putzmachereien Londons. Mary Anne Walkley erkrankte am Freitag und starb am Sonntag ohne, zum Erstaunen von Frau Elise, auch nur vorher das letzte Putzstück fertigzumachen. Der zu spät ans Sterbebett gerufene Arzt, Herr Keys, bezeugte bei der Totenschau in dürren Worten: „Mary Anne Walkley sei gestorben an langen Arbeitsstunden in einem überfüllten Arbeitszimmer und überengem, schlecht gelüfteten Schlafgemach.“ Um dem Arzt eine Lektion in guter Lebensart zu geben, erklärte dagegen das Totenschaugericht: „Die Hingeschiedene sei gestorben am Schlagfluß, aber es sei Grund zu fürchten, daß ihr Tod durch Überarbeit in einer überfüllten Werkstatt usw. beschleunigt worden sei.“

Über die Lage der Putzmacherinnen erklärte damals Dr. Richardson, Oberarzt eines Londoner Krankenhauses: „Näherinnen aller Art, Putzmacherinnen, Kleidermacherinnen und gewöhnliche Näherinnen leiden an dreifachem Elend – Überarbeit, Luftmangel und Mangel an Nahrung oder Mangel an Verdauung. Es ist das Unheil des Geschäfts, daß es, namentlich in der Hauptstadt, von einigen 26 Kapitalisten monopolisiert wird … Ihre Macht wird im Bereich dieser ganzen Klasse von Arbeiterinnen gefühlt. Kann eine Kleidermacherin einen kleinen Kreis von Kunden gewinnen, so zwingt die Konkurrenz sie, sich zu Hause totzuarbeiten, um ihn zu erhalten, und mit derselben Überarbeit muß sie notwendig ihre Gehilfinnen heimsuchen. Mißlingt ihr Geschäft oder kann sie sich nicht selbständig etablieren, so wendet sie sich an ein Unternehmen, wo die Arbeit nicht geringer, aber die Zahlung sicher ist. So gestellt, wird sie eine reine Sklavin, hin und her geschleudert von jeder Flutung der Gesellschaft; bald zu Hause in einem kleinen Zimmer verhungernd oder nahe so; dann wieder von 24 Stunden 15, 16, ja 18 Stunden beschäftigt in kaum erträglicher Luft und mit einer Nahrung, die, selbst wenn gut, aus Mangel an reiner Luft nicht verdaut werden kann. Von diesen Opfern lebt die Schwindsucht, welche nichts als eine Luftkrankheit ist.“49

Ebenda fährt Dr. Richardson fort: „Zu Tode arbeiten ist die Tagesordnung, nicht nur in der Werkstatt der Putzmacherinnen, sondern an tausend Plätzen, ja an jedem Platz, wo das Geschäft im Zuge ist … Laßt uns den Grobschmied als Beispiel nehmen. Wenn man den Dichtern glauben darf, gibt es keinen so lebenskräftigen, lustigen Mann als den Grobschmied. Er erhebt sich früh und schlägt Funken vor der Sonne; er ißt und trinkt und schläft wie kein andrer Mensch. Rein körperlich betrachtet, befindet er sich, bei mäßiger Arbeit, in der Tat in einer der besten menschlichen Stellungen. Aber wir folgen ihm in die Stadt und sehen die Arbeitslast, die auf den starken Mann gewälzt wird, und welchen Rang nimmt er ein in den Sterblichkeitslisten unseres Landes? Zu Marylebone (einem der größten Stadtviertel Londons) sterben von 1000 Grobschmieden jährlich 31, das sind 11 mehr als die Durchschnittssterblichkeit erwachsener Männer in England. Die Beschäftigung, eine fast instinktive Kunst der Menschheit, an und für sich tadellos, wird durch bloße Übertreibung der Arbeit zum Verderb des Mannes. Er kann so viel Hammerschläge täglich schlagen, so viel Schritte gehen, so viel Atemzüge holen, so viel Werk verrichten, und durchschnittlich sage, 50 Jahre leben. Man zwingt ihn so viel mehr Schläge zu schlagen, so viel mehr Schritte zu gehen, so viel öfter des Tages zu atmen, und alles zusammen seine Lebensaufgabe täglich um ein Viertel zu vermehren. Er macht den Versuch und das Resultat ist, daß er eine beschränkte Zeitlang ein Viertel mehr Werk verrichtet, und im 37. Jahr statt im 50. stirbt.“

10.3 Erschwerung der Arbeit (Steigerung der Intensität)

Die maßlose Verlängrung des Arbeitstages,50 welche die Maschinerie in der Hand des Kapitals verursacht, führte später einen Eingriff der in ihrer Lebenswurzel bedrohten Gesellschaft herbei und damit einen gesetzlich beschränkten Normalarbeitstag. Auf Grundlage des letzteren wurde die Intensität der Arbeit gewaltig gesteigert.

Es ist selbstverständlich, daß mit dem Fortschritt des Maschinenwesens und der gehäuften Erfahrung einer eigenen Klasse von Maschinenarbeitern die Geschwindigkeit und damit die Intensität der Arbeit naturwüchsig zunimmt. So geht in England während eines halben Jahrhunderts die Verlängrung des Arbeitstages Hand in Hand mit der wachsenden Intensität der Fabrikarbeit. Indes begreift man, daß bei einer Arbeit, wo es sich nicht um vorübergehende, fieberhaft gesteigerte Tätigkeit handelt, sondern um tagaus, tagein wiederholte regelmäßige Gleichförmigkeit, ein Knotenpunkt eintreten muß, wo Ausdehnung des Arbeitstags und Intensität der Arbeit einander ausschließen, so daß die Verlängrung des Arbeitstages nur mit schwächerer Intensität der Arbeit und umgekehrt erhöhte Intensität nur mit Verkürzung der Arbeitszeit verträglich bleibt. Sobald die allmählich anschwellende Empörung der Arbeiterklasse den Staat zwang, die Arbeitszeit gewaltsam zu verkürzen, von diesem Augenblick also, wo gesteigerte Erzeugung von Mehrwert durch Verlängrung des Arbeitstages ein für allemal abgeschnitten war, warf sich das Kapital mit aller Macht und vollem Bewußtsein auf die Methode, den Mehrwert durch beschleunigte Entwicklung des Maschinensystems zu steigern. Und zwar nun nicht mehr bloß durch Verwohlfeilerung des Produkts und dadurch erzielte Senkung des Werts der Arbeitskraft, sondern zugleich durch „Intensifikation“ der Arbeit, d.h. durch schärfere Anspannung der Arbeitskraft, so daß in kürzerer Zeit ebensoviel und selbst mehr geleistet werden muß als früher in längerer Zeit. Die intensivere Stunde des 10stündigen Arbeitstages enthält jetzt so viel mehr Arbeit, d.h. verausgabte Arbeitskraft, als die porösere Stunde des 12stündigen Arbeitstages. Ihr Produkt hat daher so viel oder mehr Wert als das der poröseren 1151\frac{1}{5} Stunden. Abgesehen von der Erhöhung des Mehrwerts durch die gesteigerte Produktivkraft der Arbeit, liefern jetzt z.B. 3133\frac{1}{3} Stunden Mehrarbeit auf 6236\frac{2}{3} Stunden notwendige Arbeit dem Kapitalisten dieselbe Wertmasse wie vorher 4 Stunden Mehrarbeit auf 8 Stunden notwendige Arbeit.

Es fragt sich nun, wie wird die stärkere Intensität der Arbeit erreicht?

Die erste Wirkung des verkürzten Arbeitstags beruht auf dem selbstverständlichen Gesetz, daß die Wirkungsfähigkeit der Arbeitskraft im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Wirkungszeit steht. Je kürzere Zeit der Arbeiter tätig ist, desto intensiver kann er arbeiten. Es wird daher, innerhalb gewisser Grenzen, an Kraftäußerung gewonnen, was an Dauer der Arbeit verlorengeht. Daß der Arbeiter aber auch wirklich mehr Arbeit flüssig macht, dafür sorgt das Kapital durch die Methode der Zahlung, namentlich durch den Stücklohn. In Manufakturen, der Töpferei z.B., wo die Maschinerie keine oder unbedeutende Rolle spielt, hat die Einführung des Fabrikgesetzes schlagend bewiesen, daß bloße Verkürzung des Arbeitstags die Regelmäßigkeit, Gleichförmigkeit, Ordnung, Stetigkeit und Energie der Arbeit wundervoll erhöht. (Siehe die Berichte der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1865.) Diese Wirkung schien jedoch zweifelhaft in der eigentlichen Fabrik, weil die Abhängigkeit des Arbeiter von der stetigen und gleichförmigen Bewegung der Maschine hier längst die strengste Disziplin geschaffen hatte. Als daher 1844 die Herabsetzung des Arbeitstages unter 12 Stunden verhandelt ward, erklärten die Fabrikanten fast einstimmig, „ihre Aufseher paßten in den verschiedenen Arbeitsräumen auf, daß die Hände keine Zeit verlören“, „der Grad der Wachsamkeit und Aufmerksamkeit auf seiten der Arbeiter sei kaum steigerungsfähig“, und bei gleichbleibendem Gang der Maschinerie „sei es daher Unsinn, von der gesteigerten Aufmerksamkeit usw. der Arbeiter in wohl geleiteten Fabriken irgendein erkleckliches Resultat zu erwarten“. (Bericht der englischen Fabrikinspektoren für 1844 bis 30. April 1845.) Diese Behauptung ward durch Experimente widerlegt. Herr R. Gardner ließ in seinen zwei großen Fabriken zu Preston vom 20. April 1844 an statt 12 nur noch 11 Stunden am Tag arbeiten. Nach ungefähr Jahresfrist ergab das Resultat, daß „dasselbe Quantum Produkt zu denselben Kosten erzielt ward, und sämtliche Arbeiter in 11 Stunden ebensoviel Arbeitslohn verdienten wie früher in 12“. (Da der Stücklohn derselbe blieb, hing die Höhe des Wochenlohns vom Quantum des Produkts ab.) In der Webeabteilung, wo zudem sehr verschiedene Sorten leichter, figurenhaltiger Phantasieartikel gewebt wurden, fand durchaus keine Änderung der Arbeitsweise statt. Das Resultat war: „Vom 6. Januar bis 20. April 1844, mit 12stündigem Arbeitstag, wöchentlicher Durchschnittslohn jedes Arbeiters 10 Sh. 1121\frac{1}{2} P.; vom 20. April bis 29. Juni 1844, mit 11stündigem Arbeitstag, wöchentlicher Durchschnittslohn 10 Sh. 3123\frac{1}{2}.“ Es wurde hier in 11 Stunden mehr produziert als früher in 12, ausschließlich infolge größerer gleichmäßiger Ausdauer der Arbeiter und besserer Ausnutzung ihrer Zeit. Während sie denselben Lohn empfingen und eine Stunde freie Zeit gewannen, erhielt der Kapitalist dieselbe Produktenmasse und sparte Kohle, Gas usw. täglich eine Stunde. Ähnliche Experimente wurden mit gleichem Erfolg in den Fabriken der Herren Horrocks und Jacson ausgeführt. (Bericht für 1844, S. 21.) Dabei spielte das moralische Element eine bedeutende Rolle. Die Arbeiter erklärten dem Fabrikinspektor: „Wir arbeiten mit mehr Eifer, wir haben stets den Gewinn vor Augen, daß wir abends früher weggehen können, und ein tätiger arbeitsfreudiger Geist durchweht die ganze Fabrik, vom jüngsten Andreher bis zum ältesten Arbeiter, und wir können uns in weitem Maße einander helfen.“

Sobald die Verkürzung des Arbeitstages zwangsgesetzlich wird, wird die Maschine in der Hand des Kapitals zum systematisch angewandten Mittel, mehr Arbeit in derselben Zeit zu erpressen. Es geschieht dies in doppelter Weise: durch erhöhte Geschwindigkeit der Maschinen und erweiterten Umfang der von demselben Arbeiter zu überwachenden Maschinerie. Die Verbesserung der Dampfmaschine erhöht die Anzahl ihrer Kolbenschläge in einer Minute und erlaubt zugleich, durch größre Kraftersparung einen umfangreichren Mechanismus mit demselben Motor zu treiben, bei gleichbleibendem oder selbst fallendem Kohlenverzehr. Die Verbesserung des Transmissionsapparats vermindert die Reibung und, was die moderne Maschinerie so augenfällig vor der ältren auszeichnet, verringert Durchmesser und Gewicht der großen und kleinen Wellenbäume. Die Verbesserungen der Arbeitsmaschinerie endlich vermindern bei erhöhter Geschwindigkeit und ausgedehnterer Wirkung ihren Umfang, wie beim modernen Dampfwebstuhl, oder vergrößern mit dem Rumpf Umfang und Zahl der von ihr geführten Werkzeuge, wie bei der Spinnmaschine, oder vermehren die Beweglichkeit dieser Werkzeuge durch unscheinbare Detailveränderungen, wie bei der Selfaktor-Spinnmaschine auf solche Art vor etwa 10 Jahren (d.h. um 1855) die Geschwindigkeit der Spindeln um ein Fünftel gesteigert wurde.

Die Verkürzung des Arbeitstags auf 12 Stunden datiert in England von 1832. Schon 1836 erklärte ein englischer Fabrikant: „Verglichen mit früher ist die Arbeit, die in den Fabriken zu verrichten, sehr gewachsen, infolge der größren Aufmerksamkeit und Tätigkeit, welche die bedeutend vermehrte Geschwindigkeit der Maschinerie vom Arbeiter erheischt!“ Im Jahre 1844 machte Lord Ashley folgende dokumentarisch belegten Aufstellungen im Hause der Gemeinen:

„Die Arbeit der in den Fabriken Beschäftigten ist jetzt dreimal so groß wie bei der Einführung solcher Operationen. Die Maschinerie hat zweifelsohne ein Werk verrichtet, welches die Sehnen und Muskeln von Millionen Menschen ersetzt, aber sie hat auch erstaunlich die Arbeit der durch ihre furchtbare Bewegung beherrschten Menschen vermehrt … Die Arbeit, einem Paar Mules während 12 Stunden auf und ab zu folgen zum Spinnen von Garn Nr. 40, schloß im Jahre 1825 das Durchlaufen von 8 (englischen) Meilen (= zirka 12800 Meter) ein. Im Jahre 1832 betrug die im Gefolge eines Mulepaares, zum Spinnen derselben Nummer, während 12 Stunden zu durchreisende Entfernung 20 Meilen (32000 Meter) und oft mehr. Im Jahre 1825 hatte der Spinner während 12 Stunden 820 Auszüge an jeder Mule zu machen, was eine Gesamtsumme von 1640 für 12 Stunden ergab. Im Jahre 1832 hatte der Spinner während seines 12stündigen Arbeitstages an jeder Mule 2200 Auszüge zu machen, zusammen 4400, im Jahre 1844 an jeder Mule 2400, zusammen 4800, und in einigen Fällen ist die erheischte Arbeitsmasse noch größer… Ich habe hier ein andres Dokument von 1842 in der Hand, worin nachgewiesen wird, daß die Arbeit progressiv zunimmt, nicht nur, weil eine größre Entfernung zu durchreisen ist, sondern weil die Quantität der produzierten Waren sich vermehrt, während die Händezahl im Verhältnis abnimmt; und ferner weil nun oft schlechtere Baumwolle gesponnen wird, die mehr Arbeit erfordert … Im Kardierraum hat auch große Zunahme der Arbeit stattgefunden. Eine Person tut jetzt die Arbeit, die früher zwischen zwei verteilt war … In der Weberei, worin eine große Anzahl Personen, meist weiblichen Geschlechts, beschäftigt ist, ist die Arbeit während der letzten Jahre um volle 10% gewachsen, infolge der vermehrten Geschwindigkeit der Maschine. Im Jahre 1838 war die Zahl der Strähnen, die wöchentlich gesponnen wurden, 18000, im Jahre 1843 belief sie sich auf 21000. Im Jahre 1819 war die Zahl der Schiffchenschläge beim Dampfwebstuhl 60 per Minute, im Jahre 1842 betrug sie 140, was einen großen Zuwachs an Arbeit anzeigt.“

Angesichts dieser merkwürdigen Intensität, welche die Arbeit unter der Herrschaft des 12-Stundengesetzes bereits 1844 erreicht hatte, schien damals die Erklärung der englischen Fabrikanten berechtigt, jeder weitere Fortschritt in dieser Richtung sei unmöglich, daher müsse jede weitere Abnahme der Arbeitszeit eine Abnahme der Produktion nach sich ziehen. Kommen wir jedoch zur Periode nach 1847, seit Einführung des 10-Stundengesetzes in die englischen Baumwoll-, Woll-, Seide- und Flachsfabriken.

„Die Geschwindigkeit der Spindeln ist auf Throstles um 500, auf Mules um 1000 Drehungen in einer Minute gewachsen, d.h. die Geschwindigkeit der Throstlespindel, die 1839 4500 Drehungen in einer Minute zählte, betrug nun (1862) 5000, und die Mulespindel, die 5000 zählte, beträgt jetzt 6000 in der Minute.“ (Bericht der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1862, S. 62.) J. Nasmyth, der berühmte Zivilingenieur von Patricroft bei Manchester, setzte 1852 in einem Brief an Leonhard Horner die von 1848 bis 1852 gemachten Verbesserungen in der Dampfmaschine auseinander und sagte dabei u.a.: „Es unterliegt keinem Zweifel, daß Dampfmaschinerie von demselben Gewicht, oft dieselben Maschinen, an denen nur die modernen Verbesserungen angebracht sind, im Durchschnitt 50% mehr Werk als früher verrichten, und daß in vielen Fällen dieselben Dampfmaschinen, die in den Tagen der beschränkten Geschwindigkeit von 220 Fuß per Minute 50 Pferdekraft lieferten, heute, mit vermindertem Kohlenverbrauch, über 100 liefern … Die moderne Dampfmaschine von derselben nominellen Pferdekraft, wird mit größrer Gewalt als früher getrieben, infolge der Verbessrungen in ihrer Konstruktion, vermindertem Umfang und Bau der Dampfkessel usw. … Obgleich daher dieselbe Händezahl wie früher im Verhältnis zur nominellen Pferdekraft beschäftigt wird, werden weniger Hände verwandt im Verhältnis zur Arbeitsmaschinerie.“ (Berichte vom 31. Oktober 1856, S. 11.) „Die durch die letzte amtliche Statistik von 1856 festgestellten Tatsachen sind, daß das Fabriksystem reißend rasch um sich greift, die Zahl der Hände im Verhältnis zur Maschinerie abgenommen hat, die Dampfmaschine durch Kraftersparnis und andre Methoden ein größres Maschinengewicht treibt und ein vermehrtes Quantum Machwerk erzielt wird infolge verbesserter Arbeitsmaschinen, veränderter Methoden der Fabrikation, erhöhter Geschwindigkeit der Maschinerie und vieler andrer Ursachen.“ (Berichte 31. Oktober 1856, S. 14, 15.) „Die großen in Maschinerie jeder Art eingeführten Verbesserungen haben deren Produktivkraft sehr gesteigert. Ohne allen Zweifel gab die Verkürzung des Arbeitstages … den Stachel zu diesen Verbesserungen. Letztre und die intensivere Anstrengung des Arbeiters bewirkten, daß wenigstens ebensoviel Machwerk in dem (um 2 Stunden oder ein Sechstel) verkürzten Arbeitstag als früher während des längren geliefert wird.“ (Berichte vom 31. Oktober 1858, S. 9, 10.)

So groß in den 8 Jahren 1848–1856, unter der Herrschaft des 10stündgen Arbeitstages, der Fortschritt der englischen Industrie war, er wurde wieder weit überflügelt in der folgenden 6jährigen Periode von 1856–1862. In der Seidenfabrikation z.B. betrug die Zahl der

Spindeln Webstühle dagegen Arbeiter
1856 1093799 9260 56131
1862 1388544 10709 52429

Dies ergibt

Zunahme der Spindeln 26,9 %
,, ,, Webstühle 15,6 %
Abnahme ,, Arbeiter 7 %

In der Kammgarnfabrikation wurden angewandt:

1850 875830 Spindeln
1856 1324549 ,, Zunahme 51,2 %
1862 1289172 ,, Abnahme 2,7 %

Zählt man aber die Dublierspindeln ab, die 1856 mitgezählt sind, 1862 aber nicht, so blieb die Zahl der Spindeln seit 1856 ziemlich die gleiche. Dagegen ward seit 1850 in vielen Fällen die Geschwindigkeit der Spindeln und Webstühle verdoppelt.

Es betrug in der Kammgarnfabrikation die Zahl der

Dampfwebstühle dabei beschäftigten Personen davon Kinder unter 14 Jahren
1850 32617 79737 9956
1856 38956 87794 11228
1862 43048 86063 13178

Trotz sehr vermehrter Anzahl der Webstühle, 1862 verglichen mit 1856, nahm also die Gesamtzahl der beschäftigten Arbeiter ab, unter ihnen aber stieg die Zahl der ausgebeuteten Kinder. (Berichte 31. Oktober 1862, S. 100 u. 130.)

Am 27. April 1863 erklärte der Abgeordnete Ferrand im Unterhause: „Arbeiterdelegierte von 16 Bezirken von Lancashire und Cheshire, in deren Auftrag ich spreche, haben mir mitgeteilt, daß die Arbeit in den Fabriken infolge der Verbesserung der Maschinerie beständig wachse. Statt daß früher eine Person mit Gehilfen zwei Webstühle bediente, bedient sie jetzt drei ohne Gehilfen, und es ist gar nichts Ungewöhnliches, daß eine Person ihrer vier bedient usw. 12 Stunden Arbeit, wie aus den mitgeteilten Tatsachen hervorgeht, werden jetzt in weniger als 10 Arbeitsstunden gepreßt. Es ist daher selbstverständlich, in welchem ungeheuren Umfang die Mühen der Fabrikarbeiter sich seit den letzten Jahren vermehrt haben.“ Mit dem modernen Dampfwebstuhl fabriziert ein Weber jetzt (1867) in 60 Stunden per Woche auf 2 Stühlen 26 Stück einer gewissen Art von bestimmter Länge und Breite, wovon er auf dem alten Dampfwebstuhl nur 4 fabrizieren konnte. Die Webkosten eines solchen Stückes waren schon Anfang der 50er Jahre von 2 Schilling 9 Pence auf 5185\frac{1}{8} Pence gefallen (d.h. von 2,80 M auf 44 Pf.). Am 5. Januar 1872 schrieb der Fabrikinspektor Aleander Redgrave im Journal der Gesellschaft der Künste: „Vor 30 Jahren (1841) verlangte man von einem Baumwollgarnspinner mit 3 Gehilfen nur die Überwachung eines Mulepaares mit 300–324 Spindeln. Mit 5 Gehilfen hat er jetzt (Ende 1871) Mules zu überwachen, deren Spindelzahl 2200 beträgt, und produziert mindestens 7mal mehr Garn als 1841.“

Obgleich daher die Fabrikinspektoren die günstigen Resultate der Fabrikgesetze von 1844 und 1850 unermüdlich und mit vollem Recht lobpreisen, gestehen sie doch, daß die Verkürzung des Arbeitstages bereits eine die Gesundheit der Arbeiter, also die Arbeitskraft selbst zerstörende Intensität der Arbeit hervorgerufen habe. „In den meisten Baumwoll-, Kammgarn- und Seidenfabriken scheint der erschöpfende Zustand von Aufregung, den die Arbeit an der Maschinerie mit sich bringt, deren Bewegung in den letzten Jahren so außerordentlich beschleunigt worden ist, eine der Ursachen des Überschusses der Sterblichkeit an Lungenkrankheiten, die Dr. Greenhow in seinem jüngsten bewundernswerten Bericht nachgewiesen hat.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1861, S. 25, 26.) Es unterliegt nicht dem geringsten Zweifel, daß das Streben des Kapitals, sobald ihm Verlängrung des Arbeitstags ein für allemal durch das Gesetz abgeschnitten ist, sich durch systematische Steigrung der Intensität der Arbeit gütlich zu tun und jede Verbesserung der Maschinerie in ein Mittel zu größrer Aussaugung der Arbeitskraft zu verkehren, bald wieder zu einem Wendepunkt treiben muß, wo abermalige Abnahme der Arbeitsstunden unvermeidlich wird.

10.4 Verödung der Arbeit, Vermehrung der Unfälle51

Bei Betrachtung der (ohne Maschinen betriebenen) Manufaktur sahen wir, daß sie noch vollkommen auf der persönlichen Leistungsfähigkeit des Arbeiters beruhte, auf der Virtuosität, womit er sein Werkzeug zu handhaben verstand, und wie infolgedessen eine Rangordnung, eine innere Ungleichheit unter den Arbeitern geschaffen wurde. Wir sahen ferner, wie der Unterschied zwischen Manufaktur und Maschinenbetrieb gerade darin liegt, daß dem Arbeiter das auf den Rohstoff wirkende Werkzeug aus der Hand genommen und an den Körper der Maschine angesetzt wird, so daß diese und nicht mehr der Arbeiter die Umformung des Rohmaterials besorgt, während der Arbeiter nur noch den Gang der Maschine zu überwachen hat. Damit ist die Leistungsfähigkeit des Werkzeugs nicht mehr an die persönlichen Schranken menschlicher Arbeitskraft gebunden. In der Manufaktur kann das Werkzeug nur so lange und so intensiv und so geschickt und so kräftig arbeiten, wie der Mensch, der es handhabt. In der großen Industrie kann an Stelle des Menschen, der die Maschine überwacht, leicht ein anderer treten, und das Werkzeug kann weiterwirken, auch wenn der Mensch z.B. schlafen oder essen muß. So ist die technische Grundlage aufgehoben, worauf die Teilung der Arbeit in der Manufaktur beruht. An die Stelle der Rangordnung, die für die Manufaktur charakteristisch war, tritt daher in der automatischen Fabrik die Tendenz der Gleichmachung oder Nivellierung der Arbeiten, welche die Gehilfen der Maschinerie zu verrichten haben; an die Stelle der künstlich erzeugten Unterschiede der Teilarbeiter treten vorwiegend die natürlichen Unterschiede des Alters und Geschlechts.

Obgleich nun die Maschinerie das alte System der Teilung der Arbeit technisch über den Haufen wirft, schleppt es sich zunächst als Tradition gewohnheitsmäßig in der Fabrik fort, um dann systematisch vom Kapital als Mittel zur Ausbeutung der Arbeitskraft in noch ekelhafterer Form wieder angewandt zu werden. Aus der lebenslangen Spezialität, ein Teilwerkzeug zu führen, wird die lebenslange Spezialität, einer Teilmaschine zu dienen. Die Maschinerie wird mißbraucht, um den Arbeiter selbst von Kindesbeinen an in den Teil einer Teilmaschine zu verwandeln. Nicht nur werden so die zu seiner eigenen Erneuerung nötigen Kosten bedeutend vermindert, sondern zugleich seine hilflose Abhängigkeit vom Fabrikganzen, also vom Kapitalisten, vollendet. Hier wie überall muß man unterscheiden zwischen der größeren Produktivität, die der Entwicklung des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, und der größeren Produktivität, die seiner kapitalistischen Ausbeutung geschuldet ist.

In Manufaktur und Handwerk bedient sich der Arbeiter des Werkzeugs, in der Fabrik dient er der Maschine. Dort geht von ihm die Bewegung des Arbeitsmittels aus, dessen Bewegung er hier zu folgen hat. In der Manufaktur bilden die Arbeiter Glieder eines lebendigen Mechanismus. In der Fabrik existiert ein toter Mechanismus, unabhängig von ihnen, und sie werden ihm als lebendige Anhängsel einverleibt. „Der trübselige Schlendrian einer endlosen Arbeitsqual, worin derselbe mechanische Prozeß immer wieder durchgemacht wird, gleicht der Arbeit des Sisyphus: die Last der Arbeit, gleich dem Felsen, fällt immer wieder auf den abgematteten Arbeiter zurück.“ (Fr. Engels, Lage der arbeitenden Klasse in England, 1845, 2. Aufl., Stuttgart, S. 180.)52 Während die Maschinenarbeit das Nervensystem aufs äußerste angreift, unterdrückt sie das vielseitige Spiel der Muskeln sowie alle freie körperliche und geistige Tätigkeit. Selbst die Erleichtrung der Arbeit wird zum Mittel der Tortur, indem die Maschine nicht den Arbeiter von der Arbeit befreit, sondern seine Arbeit ihres Inhalts entleert. Die Scheidung der geistigen Produktionskräfte von der Handarbeit und ihre Verwandlung in Mächte des Kapitals über die Arbeit vollendet sich in der auf Grundlage der Maschinerie aufgebauten großen Industrie. Die persönliche Geschicklichkeit des einzelnen Maschinenarbeiters verschwindet als ein winzig Nebending vor der Wissenschaft, den ungeheuren Naturkräften, und der gesellschaftlichen Massenarbeit, die im Maschinensystem verkörpert sind und mit ihm die Macht des „Masters“ bilden. Dieser „Meister“, in dessen Hirn die Maschinerie und sein Eigentum an ihr unzertrennlich verwachsen sind, ruft daher in Streitfällen den „Händen“ verächtlich zu: „Die Fabrikarbeiter sollten in heilsamer Erinnerung halten, daß ihre Arbeit in der Tat eine sehr niedrige Sorte geschickter Arbeit ist; daß keine leichter aneigenbar und in Anbetracht ihrer Qualität besser belohnt ist, daß keine durch kurze Unterweisung des mindest Erfahrenen in so kurzer Zeit und in solchem Überfluß zugeführt werden kann. Des Meisters Maschinerie spielt in der Tat eine viel wichtigere Rolle in dem Geschäft der Produktion als die Arbeit und das Geschick des Arbeiters, die eine Erziehung von sechs Monaten lehren und jeder Bauernknecht lernen kann.“53

Die technische Unterordnung des Arbeiters unter den gleichförmigen Gang der Maschine und die Zusammensetzung der Arbeiter aus Personen beider Geschlechter und verschiedenster Altersstufen schaffen in der Fabrik eine kasernenmäßige Disziplin, wodurch die Arbeit der Aufsicht, also die Teilung der Arbeiter in Handarbeiter und Arbeitsaufseher, in gemeine Industriesoldaten und Industrieunteroffiziere, völlig entwickelt wird. „Die Hauptschwierigkeit in der automatischen Fabrik bestand in der notwendigen Disziplin, um die Menschen auf ihre unregelmäßigen Gewohnheiten in der Arbeit verzichten zu machen und sie der unwandelbaren Regelmäßigkeit des großen Automaten anzupassen.“ Aber die Schwierigkeit ward überwunden, die Disziplin ward geschaffen. An die Stelle der Peitsche des Sklaventreibers trat das Strafbuch des Aufsehers. Alle Strafen lösen sich natürlich auf in Geldstrafen und Lohnabzüge, und der gesetzgeberische Scharfsinn der Fabrik-Lykurge macht ihnen die Verletzung ihrer Gesetze womöglich noch einbringlicher als ihre Befolgung. Hierüber schreibt Fr. Engels (Lage der arbeitenden Klassen in England, S. 217 ff.): „Die Sklaverei, in der die Bourgeoisie das Proletariat gefesselt hält, kommt nirgends deutlicher ans Tageslicht als im Fabriksystem. Hier hört alle Freiheit rechtlich und faktisch auf. Der Arbeiter muß morgens um 126\frac{1}{2}6 in der Fabrik sein; kommt er ein paar Minuten zu spät, so wird er gestraft; kommt er 10 Minuten zu spät, so wird er gar nicht hereingelassen, bis das Frühstück vorüber ist, und verliert einen Vierteltag am Lohn. Er muß auf Kommando essen, trinken und schlafen … Die despotische Glocke ruft ihn vom Bette, ruft ihn vom Frühstück und Mittagstisch. Und wie geht es nun gar erst in der Fabrik? Hier ist der Fabrikant absoluter Gesetzgeber. Er erläßt Fabrikregulationen, wie er Lust hat; er ändert und macht Zusätze zu seinem Strafgesetz, wie es ihm beliebt. Und wenn er das tollste Zeug hineinsetzt, so sagen doch die Gerichte zum Arbeiter: da ihr unter diesen Kontrakt euch freiwillig begeben habt, jetzt müßt ihr ihn auch befolgen … Diese Arbeiter sind dazu verdammt, vom 9. Jahr bis zu ihrem Tod unter der geistigen und körperlichen Fuchtel zu leben.“54

Wir deuten nur hin auf die äußeren Bedingungen, unter denen die Fabrikarbeit verrichtet wird. Alle Sinnesorgane werden gleichmäßig verletzt durch die künstlich gesteigerte Temperatur, die mit Abfällen des Rohmaterials geschwängerte Atmosphäre, den betäubenden Lärm usw., abgesehen von der Lebensgefahr unter dichtgehäufter Maschinerie, die mit der Regelmäßigkeit der Jahreszeiten ihre industriellen Schlachtberichte liefert. Die Ersparnis an Produktionsmitteln, erst im Fabriksystem treibhausmäßig gereift, wird in der Hand des Kapitals zugleich zum systematischen Raub an den Lebensbedingungen des Arbeiters während der Arbeit, an Raum, Luft, Licht und an Schutzmitteln wider lebensgefährliche oder gesundheitswidrige Umstände des Produktionsvorgangs, von Vorrichtungen zur Bequemlichkeit des Arbeiters gar nicht zu sprechen.

Die Gesetze zum Schutz gegen gefährliche Maschinerie haben wohltätig gewirkt. „Aber“ – so liest man im Bericht der englischen Fabrikinspektoren vom 31. Oktober 1866 – „es existieren jetzt neue Quellen von Unglücksfällen, die vor 20 Jahren nicht existiert haben, namentlich die vermehrte Geschwindigkeit der Maschinerie. Räder, Walzen, Spindeln und Webstühle werden jetzt mit vermehrter und stets noch wachsender Gewalt getrieben; die Finger müssen rascher und sicherer den gebrochenen Faden anpacken, denn wenn mit Zaudern oder Unvorsicht angelegt, sind sie geopfert … Eine große Anzahl Unglücksfälle wird verursacht durch den Eifer der Arbeiter, ihr Werk rasch auszuführen. Man muß sich erinnern, daß es für die Fabrikanten von der höchsten Wichtigkeit ist, ihre Maschinerie ununterbrochen in Bewegung zu halten, d.h. Garn und Geweb zu produzieren. Jeder Stillstand von einer Minute ist nicht nur ein Verlust an Triebkraft, sondern an Produktion. Die Arbeiter werden daher durch Aufseher, deren Entlohnung mit der Menge des Machwerks steigt, dazu gehetzt, die Maschinerie in Bewegung zu halten; und es ist dies nicht minder wichtig für Arbeiter, die nach Gewicht oder Stück gezahlt werden. Obgleich es daher in den meisten Fabriken formell verboten ist, Maschinerie während ihrer Bewegung zu reinigen, ist dies doch allgemein üblich. Diese Ursache allein hat während der letzten sechs Monate 906 Unglücksfälle hervorgerufen … Obgleich jeden Tag gereinigt wird, ist der Sonnabend jedoch meist für gründliches Reinigen der Maschinen festgesetzt, und das geschieht großenteils, während die Maschinen laufen … Es wird nichts dafür bezahlt, und die Arbeiter suchen daher so rasch als möglich damit fertig zu werden. Daher ist die Anzahl der Unglücksfälle Freitags und ganz besonders Samstags viel größer als an den übrigen Wochentagen. Zieht man den Durchschnitt der Unglücksfälle an den ersten vier Wochentagen, so übersteigt die Zahl der Unglücksfälle am Freitag diesen Überschuß um 12%, der Durchschnitt der ersten fünf Wochentage aber (also die hohe Freitagsziffer mit eingerechnet) wird am Samstag um 25% überschritten! Zieht man jedoch in Rechnung, daß die Arbeitszeit Samstags nur 7127\frac{1}{2} Stunden, an den übrigen Wochentagen 101210\frac{1}{2} Stunden zählt, so steigt der Samstags-Überschuß um mehr als 65%!“

Dazu noch folgendes Zitat aus einem amtlichen Bericht des Fabrikinspektors Leonhard Horner vom 31. Oktober 1855: „Ich habe Fabrikanten mit unentschuldbarer Frivolität von einigen der Unglücksfälle sprechen hören, z.B. der Verlust eines Fingers sei eine Kleinigkeit. Das Leben und die Aussichten eines Arbeiters hängen so sehr von seinen Fingern ab, daß ein solcher Verlust ein äußerst ernstes Ereignis für ihn ist. Wenn ich solch gedankenloses Geschwätz höre, stelle ich die Frage: Angenommen, Sie brauchen einen neuen Arbeiter, und es melden sich zwei, beide in jeder anderen Hinsicht gleich tüchtig, aber der eine ohne Daumen oder Zeigefinger, welchen würden Sie wählen? Sie zögerten nie einen Augenblick, für den Vollfingerigen zu entscheiden.“

Immerhin muß erwähnt werden, daß in den Fabriken, die am längsten dem Fabrikgesetz mit seiner Zwangsbeschränkung der Arbeitszeit und seinen sonstigen Eingriffen unterworfen sind, manche früheren Mißstände verschwunden sind. Die Verbesserung der Maschinerie selbst erheischt auf einem gewissen Punkt eine verbesserte Konstruktion der Fabrikgebäude, die den Arbeitern zugute kommt.

10.5 Brotlosmachung der Arbeiter. Arbeitslosigkeit55

Der Kampf zwischen Kapitalist und Lohnarbeiter beginnt mit dem Kapitalverhältnis selbst. Er tobt fort während der ganzen Manufakturperiode. Aber während der Manufakturperiode wird die Teilung der Arbeit vorherrschend als Mittel aufgefaßt, die Leistung von Arbeitern zu ersetzen, die nicht vorhanden sind, aber nicht wirklich Arbeiter zu verdrängen. Sagt man z.B., es würden 100 Millionen Menschen in England erheischt sein, um mit dem alten Spinnrad die Baumwolle zu verspinnen, die jetzt von einer halben Million Menschen mit der Maschine versponnen wird, so heißt das natürlich nicht, daß die Maschine den Platz dieser Millionen, die nie existiert haben, einnahm. Sagt man dagegen, daß der Dampfwebstuhl in England 800000 Weber auf das Pflaster warf, so spricht man von einer existierenden Arbeiterzahl, die tatsächlich durch Maschinerie ersetzt oder verdrängt worden ist. Während der Manufakturperiode blieb der handwerksmäßige Betrieb, wenn auch zerlegt, die Grundlage. Die neuen Kolonialmärkte konnten durch die relativ schwache Anzahl der vom Mittelalter überlieferten städtischen Arbeiter nicht befriedigt werden, und die eigentlichen Manufakturen öffneten zugleich dem mit Auflösung der Feudalität von Grund und Boden verjagten Landvolke neue Arbeitsgebiete. Damals trat also an der Teilung der Arbeit und der Kooperation in den Werkstätten mehr die positive Seite hervor, daß sie beschäftigte Arbeiter produktiver machten. Als Maschine dagegen wird das Arbeitsmittel sofort zum Konkurrenten des Arbeiters selbst. Die Selbstverwertung des Kapitals durch die Maschine steht im direkten Verhältnis zur Arbeiterzahl, deren Existenzbedingungen sie vernichtet. Sobald die Führung des Werkzeugs der Maschine anheimfällt, erlischt mit dem Gebrauchswert der Tauschwert der Arbeitskraft. Der Arbeiter wird unverkäuflich, wie außer Kurs gesetztes Papiergeld. Der Teil der Arbeiterklasse, den die Maschinerie so in überflüssige, d.h. nicht länger zur Selbstverwertung des Kapitals unmittelbar notwendige Bevölkerung verwandelt, geht einerseits unter in dem ungleichen Kampf des alten handwerksmäßigen und manufakturmäßigen Betriebs wider den maschinenmäßigen, überflutet andrerseits alle leichter zugänglichen Industriezweige, überfüllt den Arbeitsmarkt und senkt daher den Preis der Arbeitskraft unter ihren Wert. Ein großer Trost für die um ihr Brot gebrachten Arbeiter soll sein, daß ihre Leiden teils nur „vorübergehend“, teils daß die Maschinerie sich nur allmählich eines ganzen Produktionsfeldes bemächtigt, wodurch Umfang und Intensität ihrer vernichtenden Wirkung gebrochen werde. Der eine Trost schlägt den andern. Wo die Maschine allmählich ein Produktionsfeld ergreift, verursacht sie andauerndes Elend in der mit ihr konkurrierenden Arbeiterschicht. Wo der Übergang rasch, wirkt sie massenhaft und akut. Die Weltgeschichte bietet kein entsetzlicheres Schauspiel als den allmählichen, über Jahrzehnte verschleppten, endlich 1838 besiegelten Untergang der englischen Handbaumwollweber. Viele von ihnen starben am Hungertod, viele vegetierten lange mit ihren Familien bei 20–25 Pf. täglich. Akut dagegen wirkte die englische Baumwollmaschinerie auf Ostindien, dessen Generalgouverneur 1834 bis 1835 konstatierte: „Das Elend findet kaum eine Parallele in der Geschichte des Handels. Die Knochen der Baumwollweber bleichen die Ebenen von Indien.“

Innerhalb der großen Industrie selbst wirkt fortwährende Verbesserung der Maschinerie in derselben Richtung weiter. „Der beständige Zweck verbesserter Maschinerie ist, die Handarbeit zu vermindern.“ (Bericht der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1858, S. 43.) „Die Anwendung von Dampf- und Wasserkraft auf Maschinerie, die bisher mit der Hand bewegt wurde, ist das Ereignis jedes Tages … Die kleineren Verbesserungen in der Maschinerie, welche Ersparnis der Bewegungskraft, Verbesserung des Machwerks, vermehrte Produktion in derselben Zeit oder Verdrängung eines Kindes, einer Frau oder eines Mannes bezwecken, sind unaufhörlich, und obgleich scheinbar nicht von großem Gewicht, haben sie dennoch wichtige Resultate.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1856, S. 15.) „Überall, wo eine Arbeit viel Geschick und eine sichere Hand verlangt, entzieht man sie so schnell als möglich den Armen des zu geschickten und oft zu Unregelmäßigkeiten aller Art geneigten Arbeiters, um einen besonderen Mechanismus damit zu betrauen, der so gut geregelt ist, daß ein Kind ihn überwachen kann.“ Wer hätte 1860, im Glanzjahr der englischen Baumwollindustrie, die galoppierenden Verbesserungen der Maschinerie und die entsprechende Verdrängung von Handarbeit geahnt, welche die drei folgenden Jahre unter dem Stachel des amerikanischen Bürgerkrieges hervorriefen? Von den amtlichen Angaben der englischen Fabrikinspektoren über diesen Punkt genügen hier ein paar Beispiele. Ein Manchester-Fabrikant erklärt: „Statt 75 Kardiermaschinen brauchen wir jetzt nur 12, welche dieselbe Quantität von ebenso guter, wenn nicht besserer Qualität liefern … Die Ersparung an Arbeitslohn beträgt 200 M wöchentlich, die an Baumwollabfall 10%.“ In einer Manchester Feinspinnerei wurde „vermittelst beschleunigter Bewegung und Einführung verschiedener selbsttätiger Prozesse in einer Abteilung ein Viertel, in einer über die Hälfte des Arbeiterpersonals beseitigt, während die Kämmaschine an der Stelle der zweiten Kardiermaschine die Zahl der früher im Kardierraum beschäftigten Hände sehr vermindert hat.“ Eine andere Spinnfabrik schätzt ihre Ersparung von „Händen“ auf 10%. Die Herren Gilmore, Spinner zu Manchester, schätzten in einer Abteilung die infolge neuer Maschinerie gemachte Ersparung an Händen und Arbeitslohn auf ein volles Drittel, in zwei anderen Abteilungen auf ungefähr ein Drittel, im Spinnraum auf ungefähr ein Drittel. „Aber das ist nicht alles; wenn unser Garn jetzt zum Weber geht, ist es so sehr verbessert durch die Anwendung der neuen Maschinerie, daß sie mehr und besseres Gewebe als mit dem alten Maschinengarn produzieren.“ (Berichte der Fabrikinspektoren, 31. Oktober 1863, S. 108 ff.) Das Gesamtresultat der dem amerikanischen Bürgerkrieg geschuldeten mechanischen Verbesserungen in der englischen Baumwollindustrie zeigt folgende Tabelle:

Zahl der

Fabriken Dampfwebstühle Spindeln beschäftigten Personen
1858 2210 298847 28010217 379213
1861 2887 399992 30387494 451569
1868 2549 379329 32000014 401064

Von 1861 bis 1868 verschwanden also 338 Baumwollfabriken, d.h. produktivere und großartigere Maschinerie konzentrierte sich in den Händen einer geringeren Zahl von Kapitalisten. Die Zahl der Dampfwebstühle nahm ab um 20663; aber ihr Produkt hatte sich gleichzeitig vermehrt, so daß ein verbesserter Webstuhl jetzt mehr leistete als ein alter. Endlich die Spindelzahl wuchs um 1612541, während die Zahl der beschäftigten Arbeiter um 50505 abnahm. Das „vorübergehende“ Elend, womit die Baumwollkrise die Arbeiter erdrückte, wurde also gesteigert und befestigt durch raschen und anhaltenden Fortschritt der Maschinerie.

Die Maschinerie wirkt jedoch nicht nur als übermäßiger Konkurrent, stets auf dem Sprung, den Lohnarbeiter „überflüssig“ zu machen. Sie wird das machtvollste Kriegsmittel zur Niederschlagung der regelmäßig wiederkehrenden Arbeiteraufstände, Streiks usw. wider die Herrschaft des Kapitals. Nach Gaskell (London 1833) war gleich die Dampfmaschine ein Gegner der Menschenkraft, der den Kapitalisten befähigte, die steigenden Ansprüche der Arbeiter niederzuschmettern, die das beginnende Fabriksystem zur Krise zu treiben drohten. Man könnte eine ganze Geschichte der Erfindungen seit 1830 schreiben, die bloß als Kriegsmittel des Kapitals gegen den Widerstand der Arbeiter ins Leben traten. In seiner Aussage vor einer parlamentarischen Untersuchungskommission berichtet Nasmyth, der Erfinder des Dampfhammers, wie folgt über die Verbesserungen der Maschinerie, die er einführte infolge der großen und langen Streiks der Maschinenarbeiter 1851: „Der bezeichnende Zug unserer modernen mechanischen Verbesserungen ist die Einführung selbsttätiger Werkzeugmaschinen. Was jetzt ein mechanischer Arbeiter zu tun hat, und was jeder Junge tun kann, ist nicht, selbst zu arbeiten, sondern die schöne Arbeit der Maschine zu überwachen. Die ganze von ihrer Geschicklichkeit ausschließlich abhängende Klasse von Arbeitern ist jetzt beseitigt. Früher beschäftigte ich vier Jungen auf einen Mechaniker. Dank diesen neuen mechanischen Kombinationen habe ich die Zahl der erwachsenen Männer von 1500 auf 750 ermäßigt. Die Folge war eine bedeutende Vermehrung meines Profits.“56

* * *

Eine ganze Reihe bürgerlicher Schriftsteller behauptet,57 daß alle Maschinerie, die Arbeiter verdrängt, stets gleichzeitig und notwendig ein entsprechendes Kapital zur Beschäftigung derselben Arbeiter freisetzt.

Man unterstelle, ein Kapitalist wende 100 Arbeiter an, z.B in einer Tapetenmanufaktur, den Mann zu 600 M jährlich. Das von ihm jährlich ausgelegte variable (für Arbeitslohn verwandte) Kapital beträgt also 60000 M. Er entlasse 50 Arbeiter und beschäftige die übrigbleibenden 50 mit einer Maschinerie, die ihm 30000 M kostet. Der Vereinfachung halber wird von Baulichkeiten, Kohlen usw. abgesehn. Man nimmt ferner an, das jährlich verzehrte Rohmaterial koste nach wie vor 60000 M.58 Ist hierdurch irgendein Kapital freigesetzt? In der alten Betriebsweise bestand die ausgelegte Gesamtsumme von 120000 M halb aus konstantem und halb aus variablem Kapital. Sie besteht jetzt aus 60000𝑀fürRohmaterial30000𝑀fürMaschinerie=90000𝑀konstantemund30000𝑀variablemKapital\begin{aligned} & 60000\ \mathrm{\textit{M}}\ & \mathrm{für}\ & \mathrm{Rohmaterial} \\ & 30000\ \mathrm{\textit{M}}\ & \mathrm{für}\ & \mathrm{Maschinerie} \\ =\ & 90000\ \mathrm{\textit{M}}\ & & \mathrm{konstantem} \\ \mathrm{und}\ & 30000\ \mathrm{\textit{M}}\ & & \mathrm{variablem\ Kapital} \\ \end{aligned} Statt der Hälfte bildet der variable (in lebendige Arbeitskraft umgesetzte) Kapitalteil nur noch ein Viertel des Gesamtkapitals. Statt der Freisetzung findet hier Bindung von Kapital in einer Form statt, worin es aufhört, sich gegen Arbeitskraft auszutauschen. Das Kapital von 120000 M kann – unter sonst gleichbleibenden Umständen – jetzt niemals mehr als 50 Arbeiter beschäftigen. Mit jeder Verbesserung der Maschinerie beschäftigt es weniger.

Wenn aber die neu eingeführte Maschinerie weniger kostet als die Summe der von ihr verdrängten Arbeitskraft und Arbeitswerkzeuge, wie steht es dann? Nehmen wir an, sie koste statt 30000 M nur 20000 M. Von den 60000 M, die ursprünglich als Arbeitslohn bezahlt wurden, dienen also hinfort 30000 M weiter als Arbeitslohn, 20000 M dienen zum Ankauf der Maschinerie, und 10000 M sind in der Tat „freigesetzt“. Diese können aber im günstigsten Fall (zum alten Jahreslohn von 600 M) nur ungefähr 16 Arbeiter statt 50 beschäftigen; in Wirklichkeit noch weniger, weil ja ein Teil der 10000 M, wenn sie Arbeiter beschäftigen sollen, auch wieder zum Ankauf von Werkzeugen und Rohstoffen dienen muß.

Indes, die Anfertigung der neuen Maschinerie beschäftigt ja auch eine Anzahl Arbeiter, nämlich Mechaniker. — Soll das ein Ausgleich sein für die aufs Pflaster geworfenen Tapetenmacher? Doch selbst im besten Fall beschäftigt die Anfertigung der Maschinerie weniger Arbeiter, als ihre Anwendung verdrängt. Früher wurde die Summe von 30000 M in ihrer vollen Höhe als Arbeitslohn ausgegeben; jetzt zerteilt sie sich in:

  1. den Wert der Produktionsmittel (Werkzeuge, Rohstoffe usw.), die zur Herstellung der Maschinen erforderlich sind;

  2. den Arbeitslohn der Mechaniker, welche die Maschinen bauen;

  3. den Mehrwert, der ihren „Meistern“ zufällt.

Nur ein Teil der 30000 M wird also nunmehr als Arbeitslohn verwandt. Ferner: einmal fertig, braucht die Maschine nicht erneuert zu werden, bis sie aufgebraucht ist. Um also die Mechaniker dauernd zu beschäftigen, muß ein Tapetenfabrikant einen nach dem andern Arbeiter durch Maschinen verdrängen.

In der Tat meinen jene Schriftsteller auch nicht diese Art Freisetzung von Kapital. Sie meinen die Lebensmittel der freigesetzten Arbeiter. Es kann nicht geleugnet werden, daß im obigen Fall z.B. die Maschinerie nicht nur 50 Arbeiter „freisetzt“ und dadurch „verfügbar“ macht, sondern zugleich ihren Zusammenhang mit Lebensmitteln zum Wert von 30000 M aufhebt und so diese Lebensmittel „freisetzt“. Die einfache und keineswegs neue Tatsache, daß die Maschinerie dem Arbeiter die Erwerbung von Lebensmitteln unmöglich macht, lautet also „wissenschaftlich“, daß die Maschinerie Lebensmittel für den Arbeiter freisetzt oder dem Kapital die Möglichkeit gibt, mit diesen Lebenmitteln Arbeiter zu beschäftigen. Man sieht, es kommt alles auf die Ausdrucksweise an.

Nach dieser Theorie waren die Lebensmittel zum Werte von 30000 M ein durch die Arbeit der 50 entlassenen Tapetenmacher verwertetes Kapital. Dieses Kapital verliert folglich seine Beschäftigung, sobald die 50 Feiertag bekommen, und hat nicht Ruh noch Rast, bis es eine neue „Anlage“ gefunden, worin besagte 50 wieder beschäftigt werden können. Früher oder später müssen also Kapital und Arbeit sich wieder zusammenfinden, und dann ist der Ausgleich da. Die Leiden der durch die Maschinerie verdrängten Arbeiter sind also ebenso vergänglich wie die Reichtümer dieser Welt.

Die Lebensmittel zum Betrage von 30000 M standen den entlassenen Arbeitern niemals als Kapital gegenüber. Was ihnen als Kapital gegenüberstand, waren die jetzt in Maschinerie verwandelten 30000 M. Näher betrachtet, vertraten diese 30000 M nur einen Teil der Tapeten, welche mit Hilfe der nun entlassenen 50 Arbeiter jährlich produziert wurden. Diese Tapeten wurden ihnen von ihrem Anwender in Geldform statt in natura zum Lohn gegeben. Mit den in 30000 M verwandelten Tapeten kauften sie Lebensmittel zum gleichen Betrag. Diese Lebensmittel existierten für sie daher nicht als Kapital, sondern als Waren, und sie selbst existierten für diese Waren nicht als Lohnarbeiter, sondern als Käufer. Der Umstand, daß die Maschinerie sie von Kaufmitteln „freigesetzt“ hat, verwandelt sie aus Käufern in Nichtkäufer. Daher verminderte Nachfrage für jene Waren. Das ist alles. Wird diese verminderte Nachfrage nicht durch vermehrte Nachfrage von anderer Seite ausgeglichen, so sinkt der Marktpreis der Waren. Dauert dies länger und in größrem Umfange, so wird die Produktion jener Waren eingeschränkt. Ein Teil des Kapitals, das früher notwendige Lebensmittel produzierte, wendet sich anderen Branchen zu, und so werden auch die in der Produktion der notwendigen Lebensmittel beschäftigten Arbeiter von einem Teil ihres Lohnes „freigesetzt“, und das Resultat ist, daß die Maschinerie nicht nur in dem Produktionszweig, worin sie eingeführt wird, Arbeiter aufs Pflaster wirft, sondern auch in den Produktionszweigen, worin sie nicht eingeführt wird.

In Wirklichkeit werden die von der Maschinerie verdrängten Arbeiter aus der Werkstatt hinaus auf den Arbeitsmarkt geworfen und vermehren dort die Zahl der schon für kapitalistische Ausbeutung verfügbaren Arbeitskräfte. In einem späteren Kapitel dieses Buches wird sich zeigen, daß diese Wirkung der Maschinerie, die uns hier als ein Ausgleich für die Arbeiterklasse dargestellt wird, den Arbeiter im Gegenteil als furchtbarste Geißel trifft. Hier nur dies: die aus einem Industriezweig hinausgeworfenen Arbeiter können allerdings in irgendeinem anderen Beschäftigung suchen. Finden sie solche, und knüpft sich damit das Band zwischen ihnen und den mit ihnen freigesetzten Lebensmitteln wieder, so geschieht dies vermittelst eines neuen, zuschüssigen Kapitals, das nach Anlage drängt, keineswegs aber vermittelst des schon früher tätigen und jetzt in Maschinerie verwandelten Kapitals. Und selbst dann, wie geringe Aussicht haben sie! Verkrüppelt durch die Teilung der Arbeit, sind diese armen Teufel außerhalb ihres alten Arbeitskreises so wenig wert, daß sie nur in wenigen, niedrigen und daher beständig überfüllten und unterbezahlten Arbeitszweigen Zugang finden. Ferner zieht jeder Industriezweig jährlich einen neuen Menschenstrom an sich, der ihm die nötigen Rekruten zum regelmäßigen Ersatz und Wachstum liefert. Sobald die Maschinerie einen Teil der bisher in einem bestimmten Industriezweig beschäftigten Arbeiter freisetzt, wird auch die Ersatzmannschaft neu verteilt und strömt in andere Arbeitszweige, während die ursprünglichen Opfer in der Übergangszeit großenteils verkommen und verkümmern.

Es ist eine unzweifelhafte Tatsache, daß die Maschinerie an sich nicht verantwortlich ist für die „Freisetzung“ der Arbeiter von Lebensmitteln. Sie verwohlfeilert und vermehrt das Produkt in dem Zweig, den sie ergreift, und läßt die in den anderen Industriezweigen produzierte Lebensmittelmasse zunächst unverändert. Nach wie vor ihrer Einführung besitzt die Gesellschaft also gleich viel oder mehr Lebensmittel für die verdrängten Arbeiter, ganz abgesehen von dem enormen Teil des jährlichen Produkts, der von Nichtarbeitern vergeudet wird. Und dies ist die Pointe der bürgerlichen Schaumschlägerei: Die von der kapitalistischen Anwendung der Maschinerie untrennbaren Widersprüche und Gegensätze werden als nicht vorhanden erachtet, weil sie nicht aus der Maschinerie selbst erwachsen, sondern aus ihrer kapitalistischen Anwendung! Da also die Maschinerie an sich betrachtet die Arbeitszeit verkürzt, während sie kapitalistisch angewandt den Arbeitstag verlängert, an sich die Arbeit erleichtert, kapitalistisch angewandt ihre Intensität steigert, an sich ein Sieg des Menschen über die Naturkraft ist, kapitalistisch angewandt den Menschen durch die Naturkraft unterjocht, an sich den Reichtum des Arbeitenden vermehrt, kapitalistisch angewandt ihn verarmt usw., erklärt der bürgerliche Schriftsteller einfach, das Ansichbetrachten der Maschinerie beweise haarscharf, daß alle jene handgreiflichen Widersprüche bloßer Schein der gemeinen Wirklichkeit, aber an sich gar nicht vorhanden sind. Er spart sich so alles weitere Kopfzerbrechen und bürdet seinem Gegner obendrein die Dummheit auf, nicht die kapitalistische Anwendung der Maschinerie zu bekämpfen, sondern die Maschinerie selbst.

Keineswegs leugnet der bürgerliche Schriftsteller, daß dabei auch zeitweilige Unannehmlichkeiten vorkommen; aber wo gibt es eine Medaille ohne Kehrseite! Eine andere als die kapitalistische Ausnutzung der Maschinerie kann er sich nicht vorstellen. Ausbeutung des Arbeiters durch die Maschine ist ihm gleichbedeutend mit Ausbeutung der Maschine durch den Arbeiter. Wer also enthüllt, wie es um die kapitalistische Anwendung der Maschinerie in Wirklichkeit bestellt ist, der will ihre Anwendung überhaupt nicht, der ist ein Gegner des sozialen Fortschritts! Ganz die Beweisführung des berühmten Gurgelschneiders Bill Sykes: „Meine Herren Geschworenen! Diesem Handlungsreisenden ist allerdings die Gurgel abgeschnitten worden. Diese Tatsache aber ist nicht meine Schuld, sie ist die Schuld des Messers. Sollen wir wegen solcher zeitweiligen Unannehmlichkeiten den Gebrauch des Messers abschaffen? Bedenken Sie ja! Wo wäre Ackerbau und Handwerk ohne Messer? Ist es nicht ebenso heilbringend in der Wundbehandlung wie gelehrt in der Anatomie? Dazu williger Gehilfe bei fröhlichem Mahl? Schaffen Sie das Messer ab – Sie schleudern uns zurück in die tiefste Barbarei!“

Obwohl die Maschinerie in den Arbeitszweigen, wo sie eingeführt wird, notwendig Arbeiter verdrängt, kann sie dennoch in anderen Arbeitszweigen die Beschäftigung vermehren. Diese Wirkung hat aber nichts gemein mit der sogenannten Ausgleichstheorie. Freilich, solange mit der Maschine insgesamt nicht mehr von einem Artikel produziert wird als vordem mit der Hand, so vermindert sich die Gesamtsumme der dazu angewandten Arbeit. Obwohl die Produktion der Maschinen selbst, der Kohle usw., Arbeit erfordert, die vordem nicht geleistet wurde, so muß doch die Arbeitsvermehrung, die hierdurch eintritt, kleiner sein als die Arbeitsersparnis, welche die Maschine bewirkt. Sonst wäre das Maschinenprodukt ebenso teuer oder teurer als das Handprodukt. Nun aber werden mit der Maschine nicht nur die gleichen, sondern – von einer verminderten Arbeiteranzahl – viel größere Warenmengen produziert als mit der Hand. Und hierdurch muß allerdings zunächst in anderen Arbeitszweigen eine Vermehrung der Beschäftigung eintreten. Eine bestimmte Zahl Arbeiter hat z.B. mit der Hand 100000 Ellen Geweb gefertigt. Nun kommt die Maschine, verdrängt einen Teil der Arbeiter, setzt aber die übriggebliebenen instand, 400000 Ellen Geweb zu fertigen. Dazu ist dann viermal soviel Rohstoff erforderlich; die Produktion des Rohmaterials muß also vervierfacht werden. Und auch die Produktion der Baulichkeiten, Kohlen, Maschinen usw. darf bei einem Resultat von 400000 Ellen mehr Arbeit erfordern, als bei der Produktion von 100000 Ellen erspart wird.

Mit der Ausdehnung des Maschinenbetriebs in einem Industriezweig steigert sich also zunächst die Produktion in den anderen Zweigen, die ihm seine Produktionsmittel liefern. Wieweit dadurch die beschäftigte Arbeitermasse wächst, hängt sehr davon ab, wieweit die Maschinerie jene Gewerbe selbst schon ergriffen hat oder ergreift. Die Anzahl der zu Kohlen- und Metallbergwerken verurteilten Menschen schwoll ungeheuer mit dem Fortschritt des englischen Maschinenwesens, obgleich ihr Anwachs in den letzten Jahrzehnten durch Gebrauch neuer Maschinerie für den Bergbau verlangsamt wird. Eine neue Arbeiterart springt mit der Maschine ins Leben, der Maschinenbauer. Was ferner das Rohmaterial anbetrifft, so unterliegt es z.B. keinem Zweifel, daß der Sturmmarsch der Baumwollspinnerei den Baumwollbau der Vereinigten Staaten und mit ihm nicht nur den afrikanischen Sklavenhandel treibhausmäßig förderte, sondern zugleich die Negerzucht zum Hauptgeschäft der sogenannten Grenzsklavenstaaten machte. Als 1790 zum erstenmal die Sklaven in den Vereinigten Staaten gezählt wurden, betrug ihre Menge 697000, dagegen 1861 ungefähr 4 Millionen. Andrerseits ist es nicht minder gewiß, daß das Aufblühen der mechanischen Wollfabrik mit der fortschreitenden Verwandlung von Ackerland in Schafweide die massenhafte Verjagung und „Überzähligmachung“ der Landarbeiter hervorrief. Irland macht noch in diesem Augenblick (1867) den Prozeß durch, seine seit 20 Jahren beinahe um die Hälfte verminderte Bevölkerung noch weiter auf das dem Bedürfnis der Großgrundbesitzer und der englischen Herren Wollfabrikanten genau entsprechende Maß herabzudrückcn.

Wird ein Halb- oder Zwischenfabrikat von der Maschine ergriffen und in größeren Massen hergestellt, während das Fertigfabrikat, dem es als Vorstufe dient, noch dem Handbetrieb bleibt, so ruft die größere Masse des Materials großere Nachfrage nach Arbeit hervor. Die Maschinenspinnerei z.B. lieferte das Garn so wohlfeil und so reichlich, daß die Handweber zunächst, ohne vermehrte Auslage, volle Zeit arbeiten konnten. So stieg ihr Einkommen. Daher Menschenzufluß in die Baumwollweberei, bis schließlich die von Jenny, Throstle und Mule in England z.B. ins Leben gerufenen 800000 Baumwollweber wieder vom Dampfwebstuhl erschlagen wurden. So wächst mit dem Überfluß der maschinenmäßig produzierten Kleidungsstoffe die Zahl der Schneider, Kleidermacherinnen, Näherinnen usw., bis die Nähmaschine erscheint.

Eine weitere Arbeitszunahme erzeugt die Maschinerie zunächst in der Luxusproduktion. Denn sie steigert den Mehrwert und zugleich die Produktenmasse, worin der Mehrwert steckt. Also wächst der Reichtum der Kapitalistenklasse. Und da zudem die Anzahl der Arbeiter, die zur Produktion der notwendigen Lebensmittel erforderlich sind, relativ beständig fällt, so erwachsen mit neuem Luxusbedürfnis zugleich neue Mittel seiner Befriedigung: die Luxusproduktion wächst. Die Verfeinerung und Vermannigfachung der Produkte entspringt ebenso aus den neuen weltmarktlichen Beziehungen, welche die große Industrie schafft. Es werden nicht nur mehr ausländische Genußmittel gegen das heimische Produkt ausgetauscht, sondern es wird auch eine größere Masse fremder Rohstoffe, Ingredienzien, Halbfabrikate usw. als Produktionsmittel in der heimischen Industrie gebraucht. Mit diesen weltmarktlichen Beziehungen steigt die Arbeitsnachfrage in der Transportindustrie und spaltet sich letztere in zahlreiche neue Unterarten.

Die Vermehrung von Produktions- und Lebensmitteln bei relativ abnehmender Arbeiterzahl treibt zur Ausdehnung der Arbeit in Industriezweigen, deren Produkte, wie Kanäle, Warendocks, Tunnels, Brücken usw., erst in ferner Zukunft Früchte tragen. — Die außerordentlich erhöhte Produktivkraft in der großen Industrie sowie die dadurch verursachte Steigerung der Ausbeutung in allen übrigen Produktionszweigen erlaubt endlich, einen stets größeren Teil der Arbeiterklasse unproduktiv zu verwenden und so namentlich die alten Haussklaven unter dem Namen der „dienenden Klasse“, wie Bediente, Mägde, Lakaien usw., stets massenhafter wiederherzustellen. Nach der Statistik des Jahres 1861 zählte die Gesamtbevölkerung von England und Wales 20066244 Personen, wovon 9766259 männlich und 10289965 weiblich. Zieht man hiervon ab, was zu alt oder zu jung zur Arbeit, alle „unproduktiven“ Weiber, junge Personen und Kinder, dann die „ideologischen“ Stände, wie Regierung, Pfaffen, Juristen, Militär usw., ferner alle, deren ausschließliches Geschäft der Verzehr fremder Arbeit in der Form von Grundrente, Zins usw., endlich Armenhäusler, Vagabunden, Verbrecher usw., so bleiben in rauher Zahl 8 Millionen beiderlei Geschlechts und der verschiedensten Altersstufen mit Einschluß sämtlicher irgendwie in der Produktion, dem Handel, der Finanz usw. tätigen Kapitalisten. Von diesen 8 Millionen kommen auf:

Ackerbauarbeiter rund 1100000 Personen
in Textilfabriken Beschäftigte ,, 643000 ,,
in Bergwerken Beschäftigte ,, 566000 ,,
in Metallfabriken Beschäftigte ,, 400000 ,,
die dienende Klasse dagegen ,, 1210000 ,,

Dabei ist aber alles Personal, das nicht in Privathäusern dient, nicht mitgezählt.

Man begreift,59 trotz der von der Maschine faktisch verdrängten und in ihrer Leistung ersetzten Arbeitermasse, wie mit dem Wachstum des Maschinenbetriebs, ausgedrückt in vermehrter Anzahl von Fabriken derselben Art oder in erweiterter Größe vorhandener Fabriken, die Fabrikarbeiter schließlich zahlreicher sein können als die von ihnen verdrängten Manufakturarbeiter oder Handwerker. Nehmen wir als Beispiel ein wöchentliches Kapital von 10000 M. Davon seien in der alten Betriebsweise 4000 M in Produktionsmitteln angewandt und 6000 M in Arbeitskraft, was bei einem Lohn von 20 M pro Mann eine Beschäftigung von 300 Arbeitern bedeutet. Bei Maschinenbetrieb werden nur 2000 M für Arbeitskraft ausgelegt. Zwei Drittel der früher beschäftigten Arbeiter werden also entlassen, nur noch 100 Mann werden beschäftigt. Dehnt sich dieser Betrieb aus, so daß – bei sonst gleichbleibenden Bedingungen – das Gesamtkapital von 10000 M auf 30000 M wächst, so werden jetzt wieder 300 Arbeiter beschäftigt, wie vor Einführung der Maschine. Wächst das angewandte Kapital weiter auf 40000 M, so werden 400 Arbeiter beschäftigt, also ein Drittel mehr als mit der alten Betriebsweise. Absolut ist die Arbeiterzahl um 100 gestiegen, relativ, d.h. im Verhältnis zum Gesamtkapital, ist sie um 800 gefallen, denn das Kapital von 40000 M hätte in der alten Betriebsweise 1200 statt 400 Arbeiter beschäftigt. Relative Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl verträgt sich also mit ihrer absoluten Zunahme.

11 Sinken der Profitrate60

Die andauernde relative Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl muß auf die Rate (den Prozentsatz) des Profits eine eigentümliche Wirkung ausüben.

Der Zweck der Maschinen (wie auch der technischen Fortschritte früherer Zeiten) ist, Arbeit zu ersparen. Die gleiche oder sogar eine größere Menge Waren wird von weniger Arbeitern produziert. Die lebendige Arbeit wird ertragreicher, ergiebiger, produktiver, Steigerung der Produktivität, das ist das A und O alles wirtschaftlichen Fortschritts.

Dies bedeutet aber, daß die gleiche Arbeiterzahl eine immer größere Menge von Rohstoffen und Arbeitsmitteln verarbeitet. Wenn z.B. mit Hilfe der Maschine die Arbeiter instand gesetzt werden, zehnmal so viel Baumwollgarn herzustellen wie früher in der gleichen Zeit, so verbrauchen sie auch zehnmal so viel Baumwolle, und der gewaltige und kostbare Körper der Maschine, viel wertvoller als das einfache Handwerkszeug von ehedem, kommt noch hinzu. Mit anderen Worten: Jeder wirtschaftliche Fortschritt, im gewaltigsten Maße aber der durch die Maschine erzeugte Fortschritt, steigert die Masse des konstanten Kapitals, welches von einer gegebenen Arbeiterzahl verarbeitet wird. Damit aber verringert er den Prozentsatz des Profits, wie die folgende Tabelle veranschaulicht.

Wir nehmen, der einfachen Rechnung halber, überall eine Mehrwertrate von 100% an, d.h. wir nehmen an, daß die Arbeit, über den Ersatz des Lohnes hinaus, dem Kapital einen Mehrwert schafft, der genau ebenso groß ist wie der gezahlte Lohn. Ist nun z.B. vv (das variable Kapital, der Arbeitslohn) =100= 100 und demzufolge mm (der Mehrwert) auch =100= 100, so ergibt dieser Überschuß von 100m100\ m einen ganz anderen Prozentsatz, je nachdem cc (das konstante Kapital, die Rohstoffe, Arbeitsmittel usw.) groß oder klein ist.

Kommen auf 100v100\ v

50 cc, dann beträgt das Gesamtkapital 150, wovon die 100m=6623%100\ m = 66\frac{2}{3}\%
100 cc, 200, 100m=50%100\ m = 50\%
200 cc, 300, 100m=3313%100\ m = 33\frac{1}{3}\%
300 cc, 400, 100m=25%100\ m = 25\%
400 cc, 500, 100m=20%100\ m = 20\%

Es ist also immer dieselbe Menge Mehrwert, die mit jeder Steigerung des Gesamtkapitals eine immer kleinere Profitrate ergibt. Die Folge des technischen Fortschritts, wie er am handgreiflichsten bei der Einführung und andauernden Verbesserung der Maschinerie zutage tritt, ist also ein allmähliches Anwachsen des konstanten Kapitals im Verhältnis zum variablen und damit ein ebenso allmähliches Sinken der Profitrate, solange die Rate des Mehrwerts, d.h. die Ausbeutung der Arbeit durch das Kapital, unverändert bleibt. Dieselbe Arbeiterzahl, dieselbe Menge Arbeitskraft, verarbeitet eine stets wachsende Masse Arbeitsmittel, Maschinerie, Roh- und Hilfsstoffe, also ein konstantes Kapital von stets wachsendem Werte.

Diesem wachsenden Werte des konstanten Kapitals entspricht eine fortschreitende Verbilligung des Produkts. Jedes einzelne Stück des Produkts, für sich betrachtet, enthält eine geringere Summe von Arbeit als auf niedrigeren Stufen der Produktion. Die fortschreitende Tendenz der allgemeinen Profitrate zum Sinken ist also nur ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümlicher Ausdruck für die fortschreitende Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit. Es ist damit nicht gesagt, daß die Profitrate nicht auch aus anderen Gründen vorübergehend fallen kann, aber es ist damit aus dem Wesen der kapitalistischen Produktionsweise als eine selbstverständliche Notwendigkeit bewiesen, daß in ihrem Fortschritt die allgemeine Durchschnittsrate des Mehrwerts sich in einer fallenden allgemeinen Profitrate ausdrücken muß. Da die Masse der angewandten lebendigen Arbeit stets abnimmt im Verhältnis zu der Masse der von ihr in Bewegung gesetzten Produktionsmittel, so muß auch der Teil dieser lebendigen Arbeit, der unbezahlt ist und sich in Mehrwert vergegenständlicht, in einem stets abnehmenden Verhältnis stehen zum Werte des angewandten Gesamtkapitals.

Das Gesetz des fortschreitenden Falls der Profitrate schließt in keiner Weise aus, daß die absolute Masse der vom Kapital in Bewegung gesetzten und ausgebeuteten Arbeit, daher auch die absolute Masse der von ihm angeeigneten Mehrarbeit wächst. Steigt z.B. in einem Lande die Zahl der beschäftigten Arbeiter von 2 auf 3 Millionen und steigt damit zugleich der an sie bezahlte Arbeitslohn (das variable Kapital) von 2 auf 3 Millionen, so wächst auch die Masse der Mehrarbeit und des Mehrwerts um die Hälfte. Wenn aber gleichzeitig die Produktivkraft der Arbeit derart zunimmt, daß die von ihnen verarbeiteten Produktionsmittel (das konstante Kapital) von 4 auf 15 Millionen steigen, so würde nichtsdestoweniger die an sich gewachsene Masse des Mehrwerts im Verhältnis zum Gesamtkapital kleiner sein als zuvor. Wir hätten

  • im ersten Fall 4c+2v=6;2m=3313%Profit,4 c + 2 v = 6; 2 m = 33\frac{1}{3}\%\ \mathrm{Profit,}

  • im zweiten Fall 15c+3v=18;3m=1623%Profit.15 c + 3 v = 18; 3 m = 16\frac{2}{3}\%\ \mathrm{Profit.}

Während die Mehrwertmasse um die Hälfte gestiegen, ist die Profitrate auf die Hälfte der früheren gefallen. Die absolute Größe des Profits, seine Gesamtmasse, wäre also um 50% gewachsen, trotz enormer Abnahme im Verhältnis dieser Profitmasse zum vorgeschossenen Gesamtkapital oder trotz der enormen Abnahme in der allgemeinen Profitrate. Die Anzahl der vom Kapital angewandten Arbeiter, also die von ihnen geleistete Arbeit und Mehrarbeit und damit die Masse des Mehrwerts kann also wachsen und progressiv wachsen trotz des progressiven Falls der Profitrate. Dies kann aber nicht nur, sondern es muß sogar der Fall sein – vorübergehende Schwankungen abgerechnet – auf Basis der kapitalistischen Produktion.

Wie im nächsten Kapitel gezeigt werden soll, erfordert der kapitalistische Betrieb andauernde Erweiterung, Arbeitsprozesse auf steigend größerer Stufenleiter und dementsprechend steigende Kapitalvorschüsse für jedes einzelne Unternehmen. So versteht es sich für die einzelnen Kapitalisten, daß sie über wachsend große Arbeiterarmeen kommandieren, daß die Masse des von ihnen angeeigneten Mehrwerts wächst, gleichzeitig mit und trotz dem Fall der Profitrate. Dieselben Ursachen, die Massen von Arbeiterarmeen unter dem Kommando einzelner Kapitalisten zusammenführen, sind es ja gerade, die auch die Masse des angewandten fixen Kapitals wie der Roh- und Hilfsstoffe in wachsender Proportion anschwellen gegenüber der angewandten lebendigen Arbeit.

Das Gesetz, daß der durch Entwicklung der Produktivkraft verursachte Fall der Profitrate begleitet ist von einer Zunahme in der Profitmasse, drückt sich auch darin aus, daß der Fall im Preis der Waren begleitet ist von einer relativen Steigerung der in ihnen enthaltenen und durch ihren Verkauf realisierten Profitmassen.

Da die Entwicklung der Produktivkraft ein stets größeres Quantum Produktionsmittel durch ein stets geringeres Quantum Arbeit in Bewegung setzt, enthält jeder einzelne Teil des Gesamtprodukts, jede einzelne Ware weniger Arbeit. Der Preis der einzelnen Ware fällt daher. Aber es werden insgesamt um so viel mehr Waren produziert. An der Oberfläche zeigt sich also: Fallen der Profitmasse auf die einzelne Ware, Fallen ihres Preises, Wachsen der Profitmasse auf die vermehrte Gesamtzahl der Waren, die das Gesamtkapital der Gesellschaft oder auch der einzelne Kapitalist produziert. Es wird dies dann so aufgefaßt, daß der Kapitalist aus freiem Belieben weniger Profit auf die einzelne Ware schlägt, aber sich entschädigt durch die größre Anzahl Waren, die er produziert.

Wenn man die enorme Entwicklung der Produktivkräfte selbst nur in den letzten 30 Jahren (vor 1867) betrachtet, wenn man namentlich die enorme Masse von fixem Kapital betrachtet, das außer der eigentlichen Maschinerie angewandt wird, so erscheint es erstaunlich, daß die Profitrate nicht bedeutend schneller und mehr gesunken ist, als es tatsächlich geschehen ist. Es müssen entgegenwirkende Einflüsse im Spiel sein. Die allgemeinsten dieser Einflüsse sind folgende.

Natürlich versuchen die Kapitalisten dem Fall der Profitrate ein Gegengewicht zu bieten durch stärkere Ausbeutung der Arbeitskraft. Aus dem einzelnen Arbeiter soll mehr Leistung und dadurch mehr Wert herausgeholt werden durch Verlängrung der täglichen Arbeitszeit und schärfre Anspannung seiner Kräfte. Wir haben im vorigen Kapitel gesehen, wie die Maschine die Möglichkeit dazu bietet. Indessen liegt auf der Hand, daß das doch nur bis zu einer gewissen, nicht sehr fernen Grenze geht. Zwei Arbeiter, die 12 Stunden täglich arbeiten, können nicht dieselbe Masse Mehrwert liefern wie 24, die jeder nur zwei Stunden arbeiten, selbst wenn sie von der Luft leben könnten und gar keinen Lohn bekämen. Dieses Mittel kann daher den Fall der Profitrate wohl hemmen, aber nicht aufheben.

Ein weiteres Mittel, die Ausbeutung der Arbeit und damit die Menge Mehrwert, die aus jedem einzelnen der verringerten Arbeiterzahl herausgeholt wird, zu steigern, ist die Herabdrückung des Arbeitslohns unter den Wert der Arbeitskraft. Dies ist in der Tat eine der bedeutendsten Ursachen, die die Tendenz zum Fall der Profitrate aufhalten.

Sodann wirkt der Umstand entgegen, daß der Wert des konstanten Kapitals nicht ebenso schnell wächst wie seine Menge. Zum Beispiel die Baumwollmasse, die ein einzelner europäischer Spinnarbeiter in einer modernen Fabrik verarbeitet, ist gewachsen im kolossalsten Verhältnis zu dem, was ein europäischer Spinner früher mit dem Spinnrad verarbeitete. Aber der Wert der verarbeiteten Baumwolle ist nicht in demselben Verhältnis gewachsen. Ebenso mit den Maschinen und anderem fixen Kapital.

Der auswärtige Handel, soweit er die Bestandteile des konstanten Kapitals oder die notwendigen Lebensmittel verwohlfeilert, wirkt steigernd auf die Profitrate. (Denn die Profitrate ist ja der Prozentsatz des Mehrwerts im Verhältnis zum Wert des gesamten Kapitals; sie wächst also ebensowohl durch Wertsenkung des Kapitals wie durch Zunahme des Mehrwerts.) Er wirkt überhaupt in diesem Sinn, indem er erlaubt, die Produktion zu erweitern. Damit beschleunigt er einerseits die Akkumulation,61 andrerseits aber auch das Sinken des variablen Kapitals gegen das konstante und damit den Fall der Profitrate.

Sodann können Kapitale, im auswärtigen Handel angelegt, eine höhere Profitrate abwerfen, wenn sie mit Waren konkurrieren, die von weniger fortgeschrittenen Ländern produziert werden, so daß das fortgeschrittenere Land seine Waren über ihrem Wert verkauft, obgleich wohlfeiler als die Konkurrenzländer. Was andrerseits die in Kolonien usw. angelegten Kapitale betrifft, so können sie höhere Profitraten abwerfen, weil dort überhaupt wegen der niedrigen Entwicklung die Profitrate höher steht und und ebenfalls, bei Anwendung von Sklaven und Kulis usw., die Ausbeutung der Arbeit. Die höheren Profitraten, die solche Kapitale abwerfen und nach der Heimat abführen, wirken hier bei der Ausgleichung der allgemeinen Profitrate mit und erhöhen sie entsprechend.

Derselbe auswärtige Handel aber entwickelt im Inland die kapitalistische Produktionsweise und damit die Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten, hat daher auch wieder im weitern Verlauf die entgegengesetzte Wirkung.

Das wichtigste Mittel endlich, um der Abnahme des Profits und damit dem drohenden Untergang zu entgehen, ist die unaufhörliche Vergrößrung des Kapitals. Wenn durch den wirtschaftlichen Fortschritt die Profitrate von 20 auf 10% gesenkt wird, so ist zwar nichts dagegen zu machen, daß aus 100 Kapital fortan nur 10 Mehrwert zu ziehen sind. Aber für den einzelnen Kapitalisten kann die Sache dadurch wettgemacht werden, daß er sein Kapital verdoppelt. Da er nun überall 200 statt 100 anwendet, so bleibt die Menge seines Profits auf der alten Höhe. Er kann sie sogar steigern, wenn er das Kapital noch mehr vergrößert.

Die andauernde Vergrößrung, Anhäufung, Akkumulation des Kapitals spielt deshalb eine wichtige Rolle. Sie ist jetzt zu betrachten.

12 Die Akkumulation62 des Kapitals63

12.1 Die dauernde Fortsetzung der Produktion (Reproduktion)

So wenig eine Gesellschaft aufhören kann, zu konsumieren, so wenig kann sie aufhören, zu produzieren. Keine Gesellschaft kann fortwährend produzieren, ohne fortwährend einen Teil ihrer Produkte als Produktionsmittel zu verwenden. Unter sonst gleichbleibenden Umständen kann sie ihren Reichtum nur dann auf derselben Stufenleiter erhalten, wenn sie die während des Jahres z.B. verbrauchten Produktionsmittel (d.h. Arbeitsmittel, Rohmateriale und Hilfsstoffe) in natura durch ein gleiches Quantum neuer Exemplare ersetzt, welches von der jährlichen Produktenmasse abgeschieden und von neuem zur Produktion verwandt wird. Ein bestimmtes Quantum des jährlichen Produkts gehört also der Produktion und muß von Haus aus für diesen Zweck hergerichtet sein.

In der kapitalistischen Gesellschaft dient jedes Produktionsmittel als Kapital. Denn es schafft seinem Besitzer durch Beschäftigung von Lohnarbeit einen Mehrwert. In der Tat will ja der Kapitalist aus seinem vorgeschossenen Werte nicht nur einmal, sondern dauernd Mehrwert ziehen.

Würde der Mehrwert jedes Jahr von den Kapitalisten vollständig verzehrt, so fände nur einfache Wiederholung der Produktion, einfache Reproduktion statt. Doch drückt schon die bloße andauernde Wiederholung dem Vorgang gewisse neue Charaktere auf.

Die Produktion wird eingeleitet durch den Kauf der Arbeitskraft für eine bestimmte Zeit. Gezahlt wird der Arbeiter aber erst, nachdem seine Arbeitskraft gewirkt und sowohl ihren eigenen Wert als auch den Mehrwert in Waren hergestellt hat. Er hat also wie den Mehrwert, so auch seine eigene Zahlung produziert, bevor sie ihm in der Form des Arbeitslohns zurückfließt, und er wird nur so lange beschäftigt, als er sie beständig reproduziert. Der Lohn ist also nur ein Teil des vom Arbeiter selbst beständig neu geschaffenen Produkts. Der Kapitalist zahlt ihm den Warenwert allerdings in Geld. Dies Geld ist aber nur die verwandelte Form des Arbeitsprodukts. Es ist seine Arbeit von voriger Woche oder vom letzten halben Jahr, womit seine Arbeit von heute oder vom nächsten halben Jahr gezahlt wird. Der falsche Schein, welchen die Geldform erzeugt, verschwindet sofort, sobald statt des einzelnen Kapitalisten und des einzelnen Arbeiters Kapitalistenklasse und Arbeiterklasse betrachtet werden. Die Kapitalistenklasse gibt der Arbeiterklasse beständig in Geldform Anweisungen auf einen Teil des von der letzteren produzierten und von der ersteren angeeigneten Produkts. Diese Anweisungen gibt der Arbeiter der Kapitalistenklasse ebenso beständig zurück und entzieht ihr damit den ihm selbst zufallenden Teil seines eigenen Produkts. Die Warenform des Produkts und die Geldform der Ware verkleiden diese Zusammenhänge.

Allerdings, der falsche Schein, als ob der Kapitalist den Lohn aus einem ihm gehörigen Fonds vorgeschossen habe, schwindet nur, sobald wir den kapitalistischen Produktionsprozeß im beständigen Fluß seiner Erneuerung betrachten. Aber er muß doch irgendwo und irgendwann anfangen. Mag man also vorläufig annehmen, daß der Kapitalist irgendeinmal, ohne unbezahlte fremde Arbeitskraft in Anspruch zu nehmen, Geldbesitzer ward und Arbeitskraft kaufen konnte. Indes bewirkt die bloße dauernde Wiederholung des kapitalistischen Produktionsprozesses noch andere sonderbare Wechsel, die nicht nur den variablen Kapitalteil ergreifen, sondern das Gesamtkapital.

Beträgt der mit einem Kapital von 20000 M periodisch, z.B. jährlich, erzeugte Mehrwert 4000 M und wird dieser Mehrwert jährlich verzehrt, so ist es klar, daß nach 5jähriger Wiederholung desselben Vorgangs die Summe des verzehrten Mehrwerts =5×4000= 5 \times 4000 ist oder gleich dem ursprünglich vorgeschossenen Kapitalwert von 20000 M. Würde der jährliche Mehrwert nur teilweis verzehrt, z.B. nur zur Hälfte, so ergäbe sich dasselbe Resultat nach 10jähriger Wiederholung des Produktionsprozesses, denn 10×2000=2000010 \times 2000 = 20000. Allgemein: in einer bestimmten Anzahl von Jahren, je nach der Größe des vorgeschossenen Kapitalwerts und des jährlich verzehrten Mehrwerts, ist das ursprünglich vorgeschossene Kapital vom Kapitalisten aufgezehrt und daher verschwunden. Die Vorstellung des Kapitalisten, daß er das Produkt der fremden unbezahlten Arbeit, den Mehrwert, verzehrt und den ursprünglichen Kapitalwert erhält, kann absolut nichts an der Tatsache ändern. Nach Abfluß einer gewissen Zahl von Jahren ist der ihm gehörige Kapitalwert gleich der Summe des während derselben Jahre ohne Gegenwert angeeigneten Mehrwerts und die von ihm verzehrte Wertsumme gleich dem ursprünglichen Kapitalwert. Allerdings behält er in der Hand ein Kapital, dessen Größe sich nicht verändert hat, wovon ein Teil, Gebäude, Maschinen usw. bereits vorhanden war, als er sein Geschäft in Gang brachte. Aber hier handelt es sich vom Wert des Kapitals und nicht von seinen materiellen Bestandteilen. Wenn jemand sein ganzes Besitztum aufzehrt dadurch, daß er Schulden aufnimmt, die dem Wert dieses Besitztums gleichkommen, so repräsentiert eben das ganze Besitztum nur die Gesamtsumme seiner Schulden. Und ebenso, wenn der Kapitalist den Wert seines vorgeschossenen Kapitals aufgezehrt hat, repräsentiert dieses Kapital nur noch die Gesamtsumme des von ihm unentgeltlich angeeigneten Mehrwerts. Kein Wertatom seines alten Kapitals existiert fort.

Schon die bloße dauernde Wiederholung des Produktionsvorgangs, oder die einfache Reproduktion, verwandelt also nach kürzerer oder längerer Frist jedes Kapital notwendig in kapitalisierten Mehrwert. War es selbst bei seinem Eintritt in den Produktionsprozess persönlich erarbeitetes Eigentum seines Anwenders, früher oder später wird es ein ohne Gegenwert angeeigneter Wert oder Verkörperung – ob in Geldform oder anders – unbezahlter fremder Arbeit.

Ursprünglich mußte, um sein Geld als Kapital (zur Ausbeutung fremder Arbeit) anwenden zu können, der Kapitalist den von allen Produktions- und Lebensmitteln entblößten Arbeiter auf dem Markte antreffen. Das war die tatsächlich gegebene Grundlage, der Ausgangspunkt der kapitalistischen Produktion. Diese Bedingungen aber werden vermittelst der bloßen Fortdauer des Vorgangs, der einfachen Reproduktion, stets aufs neue geschaffen. Einerseits wird der stoffliche Reichtum fortwährend als Kapital, als Verwertungs- und Genußmittel für den Kapitalisten neu hergestellt. Andererseits kommt der Arbeiter beständig aus dem Prozeß heraus, wie er in ihn eintrat – persönliche Quelle des Reichtums, aber entblößt von allen Mitteln, diesen Reichtum für sich selbst zu verwirklichen. Da vor Beginn der Produktion seine eigene Arbeit ihm selbst entfremdet, dem Kapitalisten angeeignet und dem Kapital einverleibt ist, gehören auch die Produkte dem Kapitalisten. Diese beständige Neuschaffung oder Verewigung des besitzlosen Arbeiters ist eine Bedingung, ohne welche die kapitalistische Produktion nicht bestehen könnte.

Der Konsum des Arbeiters ist doppelter Art. In der Produktion selbst verbraucht er durch seine Arbeit Produktionsmittel und verwandelt sie in Produkte von höherem Wert als den des vorgeschossenen Kapitals. Dies ist sein produktiver Konsum. Er ist gleichzeitig Konsum seiner Arbeitskraft durch den Kapitalisten, der sie gekauft hat. Andererseits verwendet der Arbeiter das ihm gezahlte Geld zum Ankauf von Lebensmitteln: dies ist sein persönlicher Konsum. Der produktive und der persönliche Konsum des Arbeiters sind also total verschieden. Beim ersten handelt er als bewegende Kraft des Kapitals und gehört dem Kapitalisten; beim zweiten gehört er sich selbst und verrichtet die für sein Leben nötigen Funktionen, die mit der Produktion nichts zu tun haben. Das Resultat des einen ist das Leben des Kapitalisten, das des andern ist das Leben des Arbeiters selbst.

Allerdings ist der Arbeiter oft gezwungen, seinen persönlichen Konsum zu einem bloßen Anhängsel des Produktionsprozesses zu machen. In diesem Fall setzt er sich Lebensmittel zu, um seine Arbeitskraft in Gang zu halten, wie der Dampfmaschine Kohle und Wasser, dem Rad Öl zugesetzt wird. Dies erscheint jedoch als ein der kapitalistischen Produktion unwesentlicher Mißbrauch.

Anders sieht die Sache aus, sobald wir nicht den einzelnen Kapitalisten und den einzelnen Arbeiter betrachten, sondern die Kapitalistenklasse und die Arbeiterklasse, nicht den vereinzelten Produktionsprozeß einer Ware, sondern den kapitalistischen Produktionsprozeß in seiner Gesamtheit und in seinem Fluß. — Wenn der Kapitalist einen Teil seines Kapitals in Arbeitskraft umsetzt, verwertet er damit sein Gesamtkapital. Er schlägt zwei Fliegen mit einer Klappe. Er profitiert nicht nur von dem, was er vom Arbeiter empfängt, sondern auch von dem, was er ihm gibt. Das im Austausch gegen Arbeitskraft veräußerte Kapital wird in Lebensmittel verwandelt, deren Konsum dazu dient, Muskel, Nerven, Knochen, Hirn vorhandener Arbeiter zu erneuern und neue Arbeiter zu zeugen. Innerhalb der Grenzen des absolut Notwendigen ist daher der persönliche Konsum der Arbeiterklasse Rückverwandlung der vom Kapital gegen Arbeitskraft veräußerten Lebensmittel in Arbeitskraft, die das Kapital aufs neue ausbeuten kann. Er ist Produktion und Reproduktion des dem Kapital unentbehrlichsten Produktionsmittels, des Arbeiters selbst. Der persönliche Konsum des Arbeiters bleibt also ein Moment der Produktion und Reproduktion des Kapitals, ob er innerhalb oder außerhalb der Werkstatt, Fabrik usw., innerhalb oder außerhalb des Arbeitsprozesses vorgeht, ganz wie die Reinigung der Maschine, ob sie während des Arbeitsprozesses oder in dessen Pausen geschieht. Es tut nichts zur Sache, daß der Arbeiter seinen persönlichen Konsum sich selbst und nicht dem Kapitalisten zulieb vollzieht. So bleibt der Konsum des Lastviehs nicht minder ein notwendiges Moment des Produktionsprozesses weil das Vieh selbst genießt, was es frißt. Die beständige Erhaltung und Erneuerung der Arbeiterklasse bleibt beständige Bedingung für die Reproduktion des Kapitals. Der Kapitalist kann ihre Erfüllung getrost dem Selbsterhaltungs- und Fortpflanzungstrieb der Arbeiter überlassen. Er sorgt nur dafür, ihren persönlichen Konsum möglichst auf das Notwendige einzuschränken, und ist himmelweit entfernt von jener südamerikanischen Roheit, die den Arbeiter zwingt, kräftigere Nahrungsmittel einzunehmen.64

Daher betrachtet auch der Kapitalist und sein wissenschaftlicher Lobredner nur den Teil des persönlichen Konsums des Arbeiters als produktiv, der zur Verewigung der Arbeiterklasse erheischt ist, also in der Tat verzehrt werden muß, damit das Kapital die Arbeitskraft verzehre. Was der Arbeiter außerdem zu seinem Vergnügen verzehren mag, gilt ihm als unproduktiver Konsum.65

Vom gesellschaftlichen Standpunkt ist also die Arbeiterklasse auch außerhalb des Arbeitsprozesses ebensosehr Zubehör des Kapitals als das tote Arbeitsinstrument. Selbst ihr persönlicher Konsum ist innerhalb gewisser Grenzen nur ein Moment der Reproduktion des Kapitals. Es ist aber dafür gesorgt, daß diese selbstbewußten Produktionsinstrumente nicht weglaufen, indem ihre Produkte beständig ins Eigentum des Kapitals übergehen. Der persönliche Konsum sorgt einerseits für ihre eigene Erhaltung und Reproduktion, andererseits durch Vernichtung der Lebensmittel für ihr beständiges Wiedererscheinen auf dem Arbeitsmarkt. Der römische Sklave war durch Ketten, der Lohnarbeiter ist durch unsichtbare Fäden an seinen Eigentümer gebunden. Der Schein seiner Unabhängigkeit wird durch den beständigen Wechsel der Lohnherren und die juristische Fiktion66 des Kontrakts aufrechterhalten.

Früher machte das Kapital, wo es ihm nötig erschien, sein Eigentumsrecht auf den freien Arbeiter durch Zwangsgesetz geltend. So war z.B. die Auswanderung der Maschinenarbeiter in England bis 1815 bei schwerer Strafe verboten.

Die Reproduktion (ständige Neuschaffung) der Arbeiterklasse schließt zugleich die Überlieferung und Häufung des Geschicks von einer Generation zur anderen ein. Wie sehr der Kapitalist das Dasein einer solchen geschickten Arbeiterklasse unter die ihm zugehörigen Produktionsbedingungen zählt, zeigt sich, sobald eine Krise deren Verlust androht. Infolge des amerikanischen Bürgerkrieges und der ihn begleitenden Baumwollnot wurde bekanntlich die Mehrzahl der Baumwollarbeiter in Lancashire usw. aufs Pflaster geworfen. Aus dem Schoß der Arbeiterklasse selbst wie anderer Gesellschaftsschichten erhob sich der Ruf nach Staatsunterstützung oder freiwilliger Sammlung, um die Auswanderung der „Überflüssigen“ in englische Kolonien oder die Vereinigten Staaten zu ermöglichen. Damals veröffentlichte die Times (24. März 1863) einen Brief von Edmund Potter, früher Präsident der Manchester Handelskammer. Sein Brief ward mit Recht im Unterhaus als „das Manifest der Fabrikanten“ bezeichnet. Wir geben hier einige charakteristische Stellen, worin der Eigentumstitel des Kapitals auf die Arbeitskraft unverblümt ausgesprochen wird.

„Den Baumwollarbeitern mag gesagt werden, daß ihr Angebot zu groß ist … es müsse vielleicht um ein Drittel verringert werden und dann würde eine gesunde Nachfrage für die übrigen zwei Drittei eintreten … Die öffentliche Meinung dringt auf Auswanderung … Der Meister (d.h. der Baumwollfabrikant) kann nicht willig seine Arbeitszufuhr entfernt sehen; er mag denken, daß das ebenso ungerecht als unrichtig ist … Wenn die Auswanderung aus öffentlichen Fonds unterstützt wird, hat er ein Recht, Gehör zu verlangen und vielleicht zu protestieren.“ Selbiger Potter setzt dann weiter auseinander, wie nützlich die Baumwollindustrie, wie „sie unzweifelhaft die Bevölkerung aus Irland und den englischen Ackerbaubezirken weggesogen hat“, wie ungeheuer ihr Umfang, wie sie im Jahre 1860 513\frac{5}{13} des ganzen englischen Exporthandels lieferte, wie sie nach wenigen Jahren sich wieder ausdehnen werde durch Erweiterung des Marktes, besonders Indiens, und durch Erzwingung hinreichender „Baumwollzufuhr zu 6 Pence (51 Pf.) das Pfund“. Er fährt dann fort: „Zeit – ein, zwei, drei Jahre vielleicht – wird die nötige Quantität produzieren … Ich möchte dann die Frage stellen: Ist diese Industrie wert, sie zu erhalten? Ist es der Mühe wert, die Maschinerie (nämlich die lebendigen Arbeitsmaschinen) in Ordnung zu halten, und ist es nicht die größte Narrheit, daran zu denken, sie aufzugeben? Ich glaube das. Ich will zugeben, daß die Arbeiter nicht Eigentum sind, nicht das Eigentum Lancashires und der Meister; aber sie sind die Stärke beider; sie sind die geistige und geschulte Kraft, die in einer Generation nicht ersetzt werden kann; die andere Maschinerie dagegen, woran sie arbeiten, könnte zum großen Teil mit Vorteil ersetzt und verbessert werden in 12 Monaten.67 Ermuntert oder erlaubt (!) die Auswanderung der Arbeitskraft, und was wird aus dem Kapitalisten? (Dieser Herzensstoß erinnert an Hofmarschall Kalb)68 … Nimm den Rahm der Arbeiter weg, und das fixe Kapital wird in hohem Grade entwertet und das zirkulierende Kapital wird sich nicht dem Kampf mit schmaler Zufuhr einer niedrigeren Sorte von Arbeit aussetzen … Man sagt uns, die Arbeiter selbst wünschen die Auswanderung. Es ist sehr natürlich, daß sie das tun … Verringert das Baumwollgeschäft durch Wegnahme seiner Arbeitskräfte; durch Verminderung ihrer Lohnverausgabung sage um 13\frac{1}{3} oder 5 Millionen, und was wird dann aus der nächsten Klasse über ihnen, den Kleinkrämern? Was aus den Grundrenten, was aus der Miete der Wohnhäuser? … Was aus dem kleinen Pächter, dem besseren Hausbesitzer und dem Grundeigentümer? Und sagt nun, ob irgendein Plan für alle Klassen des Landes selbstmörderischer sein kann als dieser, die Nation zu schwächen durch den Export ihrer besten Fabrikarbeiter und die Entwertung eines Teils ihres produktivsten Kapitals und Reichtums? … Kann es irgend etwas Schlimmeres geben für Grundeigentümer oder Meister, als ihre besten Arbeiter aufzugeben und die übrigbleibenden zu demoralisieren und zu verstimmen durch eine ausgedehnte entleerende Auswanderung und Entleerung von Wert und Kapital in einer ganzen Provinz?“69

Potter, das auserwählte Organ der Baumwollfabrikanten, unterscheidet doppelte „Maschinerie“, deren jede dem Kapitalisten gehört und wovon die eine in seiner Fabrik steht, die andere des Nachts und Sonntags auswärts in ihren Wohnungen haust. Die eine ist tot, die andere lebendig. Die tote Maschinerie verschlechtert und entwertet sich nicht nur jeden Tag, sondern von ihr veraltet ein großer Teil durch den steten technischen Fortschritt beständig so sehr, daß sie vorteilhaft und in wenigen Monaten durch neuere Maschinerie ersetzbar. Die lebendige Maschinerie verbessert sich umgekehrt, je länger sie währt, je mehr sie das Geschick von Generationen in sich aufhäuft. — Die Times antwortete dem Fabrikmagnaten u.a.:

„Herr E. Potter ist so erfüllt von der außerordentlichen und absoluten Wichtigkeit der Baumwollmeister, daß er, um diese Klasse zu erhalten und ihr Gewerbe zu verewigen, eine halbe Million der Arbeiterklasse wider ihren Willen in ein großes moralisches Arbeitshaus einsperren will. Ist diese Industrie wert, sie zu erhalten?, fragt Herr Potter. Sicher, durch alle ehrbaren Mittel, antworten wir. Ist es der Mühe wert, die Maschinerie in Ordnung zu halten?, fragt wieder Herr Potter. Hier stutzen wir. Unter Maschinerie versteht Herr Potter die menschliche Maschinerie, denn er beteuert, daß er sie nicht als absolutes Eigentum zu behandeln vorhat. Wir müssen gestehen, wir halten es nicht ‚der Mühe wert‘ oder selbst für möglich, die menschliche Maschinerie in Ordnung zu halten, d.h. sie einzusperren und einzuölen, bis man ihrer bedarf. Menschliche Maschinerie hat die Eigenschaft, während der Untätigkeit zu verrosten, ihr mögt noch so viel dran ölen und reiben. Zudem ist menschliche Maschinerie, wie der Augenschein uns eben lehrt, imstand, von eigenen Stücken den Dampf anzulassen und zu platzen oder einen Veitstanz in unseren großen Städten zu tollen. Es mag, wie Herr Potter sagt, längere Zeit zur Reproduktion der Arbeiter erheischt sein. Aber mit Maschinisten und Geld zur Hand werden wir stets betriebsame, harte, industrielle Männer finden, um daraus mehr Fabrikmeister zu fabrizieren, als wir je verbrauchen können … Herr Potter plaudert von einer Wiederbelebung der Industrie in 1, 2, 3 Jahren und verlangt von uns, die Auswanderung der Arbeitskraft nicht zu ermuntern oder nicht zu erlauben! Er sagt, es sei natürlich, daß die Arbeiter auszuwandern wünschen, aber er meint, daß die Nation diese halbe Million Arbeiter mit den 700000, die an ihnen hängen, ihrem Verlangen zum Trotz in die Baumwolldistrikte einsperren und – eine notwendige Konsequenz – ihr Mißvergnügen durch Gewalt niederschlagen und sie selbst durch Almosen fristen muß, alles das auf die Möglichkeit hin, daß die Baumwollmeister ihrer an einem beliebigen Tage wieder bedürfen mögen … Die Zeit ist gekommen, wo die große öffentliche Meinung dieser Eilande etwas tun muß, um diese Arbeitskraft vor denen zu retten, die sie behandeln wollen, wie sie Kohle, Eisen und Baumwolle behandeln.“

Der Times-Artikel war nur Schaumschlägerei. Die „große öffentliche Meinung“ war in der Tat der Meinung des Herrn Potter, daß die Fabrikarbeiter Zubehör der Fabriken seien. Ihre Auswanderung wurde verhindert.70 Man sperrte sie in das „moralische Arbeitshaus“ der Baumwolldistrikte, und sie bilden nach wie vor „die Stärke der Baumwollmeister von Lancashire“.

Der kapitalistische Produktionsprozeß erneuert also aus sich selbst die Scheidung zwischen Arbeitskraft und Arbeitsbedingungen. Er zwingt beständig den Arbeiter zum Verkauf seiner Arbeitskraft, um zu leben, und befähigt beständig den Kapitalisten zu ihrem Kauf, um sich zu bereichern. Es ist nicht mehr der Zufall, welcher Kapitalist und Arbeiter als Käufer und Verkäufer auf dem Warenmarkt einander gegenüberstellt. Es ist die Zwickmühle des Vorgangs selbst, die den einen stets als Verkäufer seiner Arbeitskraft auf den Warenmarkt zurückschleudert und sein eigenes Produkt stets in das Kaufmittel des andern verwandelt.

Der kapitalistische Produktionsprozeß, im Zusammenhang betrachtet (oder als Reproduktionsprozeß), produziert also nicht nur Ware, nicht nur Mehrwert, er produziert immer von neuem auf der einen Seite den Kapitalisten, auf der anderen den Lohnarbeiter, und damit das Kapitalverhältnis selbst.

12.2 Anwachsen des Kapitals durch den Mehrwert. Das kapitalistische Eigentum71

Früher hatten wir zu betrachten, wie der Mehrwert aus dem Kapital, jetzt wie das Kapital aus dem Mehrwert entspringt. Wenn der Mehrwert nicht verbraucht, sondern als Kapital verwandt wird, bildet sich ein neues Kapital und tritt zu dem alten hinzu. Anwendung von Mehrwert als Kapital oder Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital heißt Akkumulation des Kapitals.

Betrachten wir diesen Vorgang zunächst vom Standpunkt des einzelnen Kapitalisten. Ein Spinner z.B. habe ein Kapital von 200000 M vorgeschossen, und zwar 45\frac{4}{5} in Baumwolle, Maschinen usw., 15\frac{1}{5} in Arbeitslohn. Er produziere jährlich 240000 Pfund Garn zum Wert von 240000 M. Bei einer Rate des Mehrwerts von 100% steckt der Mehrwert in 40000 Pfund Garn zum Wert von 40000 M, den der Verkauf realisieren (in Geld umsetzen) wird. Eine Wertsumme von 40000 M ist eine Wertsumme von 40000 M. Man riecht und sieht diesem Gelde nicht an, daß es Mehrwert ist. Daß eine Wertsumme Mehrwert ist, zeigt, wie sie zu ihrem Eigner kam, ändert aber nichts an der Natur des Wertes oder des Geldes.

Um die neu hinzugekommene Summe von 40000 M als Kapital zu verwenden, wird also der Spinner – alle anderen Umstände gleichbleibend – 45\frac{4}{5} davon vorschießen im Ankauf von Baumwolle usw. und 15\frac{1}{5} im Ankauf neuer Spinnarbeiter, die auf dem Markte die Lebensmittel finden werden, deren Wert er ihnen vorgeschossen hat. Dann fungiert das neue Kapital von 40000 M in der Spinnerei und bringt seinerseits einen Mehrwert von 8000 M ein.

Der Kapitalwert war ursprünglich vorgeschossen in Geldform. Werden die 200000 Pfund Garn, worin er steckt, verkauft, so gewinnt er seine ursprüngliche Form wieder. Der Mehrwert dagegen existiert von vornherein als Wert eines bestimmten Teils des Bruttoprodukts. Durch den Verkauf verwandelt also der Mehrwert seine ursprüngliche Daseinsweise. Von diesem Augenblick an sind jedoch Kapitalwert und Mehrwert beides Geldsummen, und ihre Wiederverwandlung in Kapital vollzieht sich auf ganz dieselbe Weise. Die eine wie die andere legt der Kapitalist an im Ankauf der Waren, die ihn instand setzen, die Verfertigung seines Artikels von neuem zu beginnen, und zwar diesmal auf erweiterter Stufenleiter. Um aber diese Waren zu kaufen, muß er sie auf dem Markte vorfinden.

Waren, die auf dem Markt gekauft werden sollen, müssen vorher produziert sein. Die Vorgänge auf dem Markt bewerkstelligen nur den Umsatz der einzelnen Bestandteile der Jahresproduktion, schicken sie von einer Hand in die andere, aber sie können weder die Gesamt-Jahresproduktion vergrößern noch die Natur der produzierten Gegenstände ändern.

Zunächst muß die Jahresproduktion alle die Gegenstände (Gebrauchswerte) liefern, aus denen die im Lauf des Jahres verbrauchten sachlichen Bestandteile des Kapitals zu ersetzen sind. Nach Abzug dieser bleibt das Netto- oder Mehrprodukt, worin der Mehrwert steckt. Und woraus besteht das Mehrprodukt? Vielleicht in Dingen, bestimmt zur Befriedigung der Bedürfnisse und Gelüste der Kapitalistenklasse? Wäre das alles, so würde der Mehrwert verjubelt bis auf die Hefen, und es fände nur einfache Reproduktion statt.

Um zu akkumulieren, muß man einen Teil des Mehrprodukts in Kapital verwandeln. Aber ohne Wunder zu tun, kann man nur solche Dinge in Kapital verwandeln, die im Arbeitsprozeß verwendbar sind, d.h. Produktionsmittel, und ferner Dinge, von denen der Arbeiter sich erhalten kann, d.h. Lebensmittel. Folglich muß ein Teil der jährlichen Mehrarbeit verwandt worden sein zur Herstellung zusätzlicher Produktions- und Lebensmittel im Überschuß über das Quantum, das zum Ersatz des vorgeschossenen Kapitals erforderlich war. Mit einem Wort: der Mehrwert ist nur deshalb in Kapital verwandelbar, weil das Mehrprodukt, dessen Wert er ist, bereits die sachlichen Bestandteile eines neuen Kapitals enthält.72

Um nun diese Bestandteile tatsächlich als Kapital fungieren zu lassen, bedarf die Kapitalistenklasse eines Zuschusses von Arbeit. Soll nicht die Ausbeutung der schon beschäftigten Arbeiter extensiv oder intensiv wachsen, so müssen zusätzliche Arbeitskräfte eingestellt werden. Dafür hat der Mechanismus der kapitalistischen Produktion ebenfalls schon gesorgt, indem der gewöhnliche Lohn hinreicht, nicht nur für die Erhaltung, sondern auch für die Vermehrung der Arbeiterklasse. Diese ihm durch die Arbeiterklasse auf verschiedenen Altersstufen jährlich gelieferten zuschüssigen Arbeitskräfte braucht das Kapital nur noch den in der Jahresproduktion schon enthaltenen zuschüssigen Produktionsmitteln einzuverleiben, und die Verwandlung des Mehrwerts in Kapital ist fertig.

Kehren wir jetzt zu unserem Beispiel zurück. Es ist die alte Geschichte: Abraham zeugte Isaak, Isaak zeugte Jakob usw. Das ursprüngliche Kapital von 200000 M bringt einen Mehrwert von 40000 M, der kapitalisiert wird. Das neue Kapital von 40000 M bringt einen Mehrwert von 8000 M; dieser, wiederum kapitalisiert, bringt einen neuen Mehrwert von 1600 M usw.

Wir sehen hier ab von dem vom Kapitalisten verzehrten Teil des Mehrwerts. Ebensowenig interessiert es uns für den Augenblick, ob die Zusatzkapitale zum ursprünglichen Kapital geschlagen oder von ihm zu selbständiger Verwertung getrennt werden; ob derselbe Kapitalist sie ausnutzt, der sie akkumuliert hat, oder ob er sie anderen überträgt. Nur dürfen wir nicht vergessen, daß neben den neugebildeten Kapitalien das ursprüngliche Kapital fortfährt, sich zu reproduzieren und Mehrwert zu produzieren, und daß dasselbe gilt von jedem akkumulierten Kapital.

Das ursprüngliche Kapital bildet sich durch den Vorschuß von 200000 M. Woher hat sie ihr Besitzer? Durch seine eigene Arbeit und die seiner Vorfahren! antworten uns einstimmig die Wortführer der politischen Ökonomie.

Ganz anders verhält es sich mit dem Zusatzkapital von 40000 M. Seine Entstehung kennen wir ganz genau. Es ist kapitalisierter Mehrwert. Von Ursprung an enthält er nicht ein einziges Wertatom, das nicht aus unbezahlter fremder Arbeit herstammt. Die Produktionsmittel, denen die zuschüssige Arbeitskraft einverleibt wird, wie die Lebensmittel, von denen diese sich erhält, sind nichts als Bestandteile des Mehrprodukts, des der Arbeiterklasse jährlich durch die Kapitalistenklasse entrissenen Tributs. Wenn diese mit einem Teil des Tributs von jener zusätzliche Arbeitskraft kauft, selbst zum vollen Preise, so daß gleicher Wert sich austauscht gegen gleichen Wert – es bleibt immer das alte Verfahren des Eroberers, der den Besiegten Waren abkauft mit ihrem eigenen geraubten Geld.

Wenn das Zusatzkapital seinen eigenen Produzenten beschäftigt, so muß dieser erstens fortfahren, das ursprüngliche Kapital zu verwerten, und zudem den Ertrag seiner früheren Arbeit zurückkaufen mit mehr Arbeit, als er gekostet hat. Als Geschäft nicht zwischen einzelnen Kapitalisten und Arbeitern betrachtet, sondern zwischen der ganzen Kapitalistenklasse und der ganzen Arbeiterklasse, ändert es nichts an der Sache, wenn mit der unbezahlten Arbeit der bisher beschäftigten Arbeiter neue, zuschüssige Arbeiter beschäftigt werden. Der Kapitalist verwandelt vielleicht auch das Zusatzkapital in eine Maschine, die den Arbeiter, der es geschaffen hat, aufs Pflaster wirft und durch ein paar Kinder ersetzt. In allen Fällen hat die Arbeiterklasse durch ihre diesjährige Mehrarbeit das Kapital geschaffen, das im nächsten Jahr zuschüssige Arbeit beschäftigen wird. Das ist es, was man nennt: Kapital durch Kapital erzeugen.

Die Voraussetzung der Akkumulation des ersten Zusatzkapitals von 40000 M war eine vom Kapitalisten vorgeschossne, ihm Kraft seiner „ursprünglichen Arbeit“ gehörige Wertsumme von 200000 M. Die Voraussetzung des zweiten Zusatzkapitals von 8000 M dagegen ist nichts anderes als die vorhergegangene Akkumulation des ersten, nämlich jener 40000 M, deren kapitalisierter Mehrwert es ist. Eigentum an vergangener unbezahlter Arbeit erscheint jetzt als die einzige Bedingung für gegenwärtige Aneignung lebendiger unbezahlter Arbeit in stets wachsendem Umfang. Je mehr der Kapitalist akkumuliert hat, desto mehr kann er akkumulieren.

Durch die eben geschilderten Vorgänge, d.h. die beständige Vergrößerung des Kapitals aus dem vorher gemachten Mehrwert, wovon also stets ein Teil zum Ankauf neuer Arbeitskräfte – und wir wollen selbst annehmen, zu ihrem wirklichen Wert – verwandt wird, schlägt offenbar das auf Warenproduktion und Warenzirkulation beruhende Privateigentum in sein direktes Gegenteil um. Der Austausch von gleichen Werten hat sich so gedreht, daß nur zum Schein ausgetauscht wird. Denn erstens ist der gegen Arbeitskraft ausgetauschte Kapitalteil selbst nur ein Teil des ohne Gegenwert angeeigneten fremden Arbeitsprodukts, und zweitens muß er von dem Arbeiter nicht nur ersetzt, sondern mit einem Überschuß ersetzt werden. Der Austausch zwischen Kapitalist und Arbeiter wird also zu einer bloßen Form, die mit dem Inhalt nichts mehr zu tun hat und ihn nur verschleiert. Der beständige Kauf und Verkauf der Arbeitskraft ist die Form. Der Inhalt ist, daß der Kapitalist einen Teil der (bereits in Waren vorhandenen) fremden Arbeit, die er sich unaufhörlich ohne Gegenwert aneignet, stets wieder gegen größeres Quantum lebendiger fremder Arbeit umsetzt. Ursprünglich erschien uns das Eigentumsrecht gegründet auf eigene Arbeit. Wenigstens mußte diese Annahme gelten, da sich nur gleichberechtigte Warenbesitzer gegenüberstehen, das Mittel zur Aneignung fremder Ware aber nur die Veräußerung der eigenen Ware und letztere nur durch Arbeit herstellbar ist. Eigentum erscheint jetzt auf Seite des Kapitalisten als das Recht, fremde unbezahlte Arbeit oder ihr Produkt, auf Seite des Arbeiters als Unmöglichkeit, sich sein eigenes Produkt anzueignen.

Man sah, daß selbst bei einfacher Reproduktion alles vorgeschossene Kapital, wie es auch ursprünglich erworben sein mag, sich in kapitalisierten Mehrwert verwandelt. Aber im Strom der Produktion wird überhaupt alles ursprünglich vorgeschossene Kapital eine verschwindende Größe, verglichen mit dem direkt akkumulierten Kapital, d.h. dem in Kapital rückverwandelten Mehrwert oder Mehrprodukt, ob nun in der Hand, die akkumuliert hat, oder in fremder Hand.

Es versteht sich,73 daß nur ein Teil des Mehrwerts zum Kapital geschlagen werden kann, ein Teil muß den Kapitalisten zum Lebensunterhalt dienen. Der eine dieser Teile wird um so größer sein, je kleiner der andere ist. Die Größe der Akkumulation hängt also ab von der Kleinheit des Konsums der Kapitalisten.

Nun liegt aber die historische Bedeutung und Existenzberechtigung des Kapitalisten darin, daß er rücksichtslos die Menschheit zur Produktion um der Produktion willen zwingt und daher zu einer Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkräfte und zur Schöpfung von materiellen Produktionsbedingungen, auf welchen allein eine höhere Gesellschaftsform sich aufbauen kann, deren Grundprinzip die volle und freie Entwicklung jedes Individuums ist. Außerdem macht die Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine fortwährende Steigerung des in einem industriellen Unternehmen angelegten Kapitals zur Notwendigkeit, und die Konkurrenz zwingt jeden einzelnen Kapitalisten, sein Kapital fortwährend auszudehnen, um es zu erhalten, und ausdehnen kann er es nur vermittelst wachsender Akkumulation.

13 Wirkung der Akkumulation auf die Arbeiter. Die industrielle Reservearmee. Die Verelendungstheorie.74

Wenn ein Teil des Mehrwerts zum Kapital geschlagen, also als zusätzliches Kapital verwendet wird, so versteht es sich, daß dieses Zusatzkapital auch wieder Arbeiter braucht. Sofern alle anderen Umstände unverändert bleiben, sofern insbesondere die gleiche Menge Produktionsmittel (konstantes Kapital) nach wie vor dieselbe Menge Arbeitskraft (variables Kapital) zu ihrer Verarbeitung erfordern, muß daher die Nachfrage nach Arbeit wachsen, und dies um so rascher, je rascher das Kapital wächst. Nun wird alljährlich Mehrwert produziert und ein Teil davon alljährlich zum Kapital geschlagen; ja, dieser Mehrwert wird sogar jedes folgende Jahr größer, weil – eben durch die Akkumulation – das Kapital größer geworden; endlich, wenn der Bereicherungstrieb besonders angespornt ist, wie z.B. durch Öffnung neuer Märkte, durch Entstehung neuer Industrien infolge neu entwickelter gesellschaftlicher Bedürfnisse usw., so genügt eine Verringerung des privaten Konsums der Kapitalisten, um plötzlich sehr viel mehr Mehrwert akkumulieren zu können. Aus all diesen Gründen können die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals das Wachstum der Arbeiteranzahl überflügeln und daher die Arbeitslöhne steigen. Dies muß sogar schließlich der Fall sein bei unveränderter Fortdauer obiger Voraussetzung. Da in jedem Jahr mehr Arbeiter beschäftigt werden als im vorhergehenden, so muß früher oder später der Punkt eintreten, wo die Bedürfnisse der Akkumulation anfangen, über die gewöhnliche Zufuhr von Arbeit hinauszuwachsen, wo also Lohnsteigerung eintritt. Klage hierüber ertönt in England während des ganzen 15. und der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Die mehr oder minder günstigen Umstände, worin sich die Lohnarbeiter erhalten und vermehren, ändern jedoch nichts an dem Grundcharakter der kapitalistischen Produktion. Wie die einfache Reproduktion fortwährend das Kapitalverhältnis neu erzeugt, Kapitalisten auf der einen Seite, Lohnarbeiter auf der anderen, so erzeugt die erweiterte Reproduktion (oder Akkumulation) das Kapitalverhältnis auf erweiterter Stufenleiter, mehr Kapitalisten oder größere Kapitalisten auf dieser Seite, mehr Lohnarbeiter auf jener. Akkumulation des Kapitals ist also Vermehrung des Proletariats.75

Schon 1696 sagte John Bellers: „Wenn jemand 100000 Acres hätte und ebenso viele Pfunde Geld und ebenso viel Vieh, was wäre der reiche Mann ohne den Arbeiter außer selbst ein Arbeiter? Und wie die Arbeiter Leute reich machen, so je mehr Arbeiter, desto mehr Reiche … Die Arbeit des Armen ist die Goldquelle des Reichen.“ So Bertrand de Mandeville im Anfang des 18. Jahrhunderts (1728): „Wo das Eigentum hinreichend geschützt ist, wäre es leichter ohne Geld zu leben als ohne Arme, denn wer würde die Arbeit tun? … Wie die Arbeiter vor Aushungerung zu bewahren sind, so sollten sie nichts erhalten, was der Ersparung wert ist. Wenn hier und da einer aus der untersten Klasse durch ungewöhnlichen Fleiß und Bauchkneipen sich über die Lage erhebt, worin er aufgewachsen war, so muß ihn keiner daran hindern; ja es ist unleugbar der weiseste Plan für jede Privatperson, für jede Privatfamilie, sparsam zu sein; aber es ist das Interesse aller reichen Nationen, daß der größte Teil der Armen nie untätig sei und sie dennoch stets verausgaben, was sie einnehmen … Diejenigen, die ihren Lebensunterhalt durch ihre tägliche Arbeit gewinnen, haben nichts, was sie anstachelt, dienstlich zu sein, außer ihren Bedürfnissen, welche es Klugheit ist zu lindern, aber Narrheit wäre zu kurieren. Das einzige Ding, das den arbeitenden Mann fleißig machen kann, ist ein mäßiger Arbeitslohn. Ein zu geringer macht ihn je nach seinem Temperament kleinmütig oder verzweifelt, ein zu großer macht ihn unverschämt und faul … Aus dem bisher Entwickelten folgt, daß in einer freien Nation, wo Sklaven nicht erlaubt sind, der sicherste Reichtum aus einer Menge arbeitsamer Armen besteht. Außerdem daß sie die nie versagende Zufuhrquelle für Flotte und Armee, gäbe es ohne sie keinen Genuß und wäre das Produkt keines Landes verwertbar. Um die Gesellschaft (die natürlich aus den Nichtarbeitern besteht) glücklich und das Volk selbst in kümmerlichen Zuständen zufrieden zu machen, ist es nötig, daß die große Mehrheit sowohl unwissend als arm bleibt. Kenntnis erweitert und vervielfacht unsere Wünsche, und je weniger ein Mann wünscht, desto leichter können seine Bedürfnisse befriedigt werden.“

Was Mandeville, ein ehrlicher Mann und heller Kopf, noch nicht begreift, ist, daß die Akkumulation selbst mit dem Kapital die Masse der „arbeitsamen Armen,“ d.h. der Lohnarbeiter vermehrt.

Unter den bisher unterstellten, den Arbeitern günstigsten Akkumulationsbedingungen kleidet sich ihre Abhängigkeit vom Kapital in erträgliche Formen. Von ihrem eigenen anschwellenden und schwellend in Zusatzkapital verwandelten Mehrprodukt strömt ihnen ein größerer Teil in der Form von Zahlungsmitteln zurück, so daß sie den Kreis ihrer Genüsse erweitern, ihren Konsum von Kleidern, Möbeln usw. besser ausstatten und kleine Reserven von Geld bilden können. So wenig aber bessere Kleidung, Nahrung, Behandlung und ein größeres Taschengeld die Abhängigkeit und die Ausbeutung des Sklaven aufheben, so wenig die des Lohnarbeiters. Steigender Preis der Arbeit infolge der Akkumulation des Kapitals besagt in der Tat nur, daß der Umfang und die Wucht der goldenen Kette, die der Lohnarbeiter sich selbst bereits geschmiedet hat, ihre losere Spannung erlauben. Zunahme des Arbeitslohns besagt im besten Falle nur Abnahme der unbezahlten Arbeit, die der Arbeiter leisten muß. Diese Abnahme kann nie bis zu dem Punkt fortgehen, wo sie das System selbst bedrohen würde. Entweder fährt der Preis der Arbeit fort zu steigen, weil seine Erhöhung den Fortschritt der Akkumulation nicht stört; es liegt darin nichts Wunderbares, denn, sagt A. Smith (1774), „selbst bei gesunkenem Profit vermehren sich die Kapitale dennoch; sie wachsen selbst rascher als vorher … Ein großes Kapital wächst selbst bei kleinerem Profit im allgemeinen rascher als ein kleines Kapital bei großem Profit.“ In diesem Fall ist es augenscheinlich, daß eine Verminderung der unbezahlten Arbeit die Ausdehnung der Kapitalherrschaft keineswegs beeinträchtigt. Dieser Vorgang gewöhnt vielmehr den Arbeiter daran, sein ganzes Heil in der Bereicherung seines Herrn zu sehen. — Oder die Akkumulation erschlafft infolge des steigenden Arbeitspreises, weil der Stachel des Gewinns abstumpft. Die Akkumulation nimmt ab. Damit hört dann aber auch die starke Nachfrage nach Arbeitskräften auf, die ja gerade aus der starken Akkumulation entsprang, und der Arbeitslohn sinkt wieder. Die kapitalistische Produktion beseitigt also selbst die Hindernisse, die sie vorübergehend schafft.

Man sieht: im ersten Fall ist es nicht die Abnahme im (absoluten oder verhältnismäßigen) Wachstum der Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital überschüssig, sondern umgekehrt die Zunahme des Kapitals, welche die verfügbare Arbeitskraft unzureichend macht. Im zweiten Fall ist es nicht die Zunahme im Wachstum der Arbeiterbevölkerung, welche das Kapital unzureichend, sondern umgekehrt die Abnahme des Kapitals, welche die verfügbare Arbeitskraft, oder vielmehr ihren Preis überschüssig macht. Es sind diese absoluten Bewegungen in der Akkumulation des Kapitals, welche sich als relative Bewegungen in der Masse der verfügbaren Arbeitskraft widerspiegeln und daher der eigenen Bewegung der letzteren geschuldet erscheinen. Und es ist eine völlige Verkennung der Tatsachen, wenn jene Vorgänge der Akkumulation dahin gedeutet werden, daß das eine Mal zu wenig und das andere Mal zu viel Lohnarbeiter existieren.

* * *

Was eine Lohnerhöhung herbeiführt, ist also weder der vorhandene Umfang des gesellschaftlichen Reichtums, noch die Größe des bereits erworbenen Kapitals, sondern lediglich das fortgesetzte Wachsen der Akkumulation und die Geschwindigkeit des Wachstums. Bisher haben wir diesen Vorgang nur unter der Voraussetzung betrachtet, daß die Produktivkraft der Arbeit unverändert bleibt, d.h., daß die gleiche Menge Produktionsmittel nach wie vor die gleiche Menge Arbeitskraft zu ihrer Verarbeitung erheischen, und daß daher die Teilung des Kapitals in cc (konstant) und vv (variabel) unverändert bleibt. Aber diese Voraussetzung wird durch den Vorgang selbst überholt und umgestoßen.

Durch die Akkumulation steigt die Produktivkraft der Arbeit. „Dieselbe Ursache,“ sagt A. Smith, „die die Löhne erhöht, nämlich die Zunahme des Kapitals, treibt zur Steigerung der produktiven Fähigkeiten der Arbeit und setzt eine kleinere Arbeitsmenge instand, eine größere Menge von Produkten zu erzeugen.“ Wachsende Produktivität der Arbeit bedeutet aber nichts anderes, als daß dieselbe Menge Arbeitskraft (vv) eine größere Menge Produktionsmittel (cc) verbraucht. Es muß also notwendigerweise im Fortgang der Akkumulation die innere, technische Zusammensetzung des Kapitals sich ändern, derart, daß verhältnismäßig ein größerer Teil des Kapitals für Produktionsmittel (cc), ein kleinerer für Arbeitskraft (vv) Verwendung findet. Es werden z.B. von einem Kapital ursprünglich 50 Prozent in Produktionsmitteln und 50 Prozent in Arbeitskraft ausgelegt. Später, mit der Zunahme der Produktivkraft der Arbeit, 80 Prozent in Produktionsmitteln und 20 Prozent in Arbeitskraft usw. Dies Gesetz des steigenden Wachstums des konstanten Kapitalteils im Verhältnis zum variablen wird auf jedem Schritt bestätigt durch die vergleichende Untersuchung der Warenpreise, gleichviel ob wir verschiedene Zeiten bei einer einzigen Nation vergleichen oder verschiedene Nationen zu derselben Zeit.

Die Abnahme des variablen Kapitals gegenüber dem konstanten oder die veränderte Zusammensetzung des Kapitalwerts zeigt jedoch nur annähernd den Wechsel in der Zusammensetzung seiner stofflichen Bestandteile an. Wenn z.B. heute der in der Spinnerei angelegte Kapitalwert zu 78\frac{7}{8} konstant und 18\frac{1}{8} variabel ist, während er Anfang des 18. Jahrhunderts 12\frac{1}{2} konstant und 12\frac{1}{2} variabel war, so ist dagegen die Masse von Rohstoff, Arbeitsmitteln usw., die ein bestimmtes Quantum Spinnarbeit heute aufzehrt, viel hundertmal größer als im Anfang des 18. Jahrhunderts. Denn mit der wachsenden Produktivität der Arbeit ist der Wert der Produktionsmittel gesunken, so daß er zwar an sich zugenommen hat, aber bei weitem nicht in dem Maße, wie ihr Umfang gewachsen ist. Obgleich also die Differenz zwischen konstantem und variablem Kapital wächst, so wächst doch viel schneller die Differenz zwischen der Masse der Produktionsmittel, worin das konstante, und der Masse Arbeitskraft, worin das variable Kapital umgesetzt wird.

Übrigens, wenn der Fortschritt der Akkumulation die relative Größe des variablen Kapitalteils vermindert, schließt er damit die Steigerung seiner absoluten Größe keineswegs aus. Gesetzt, ein Kapitalwert spalte sich anfangs in 50 cc und 50 vv, später in 80 cc und 20 vv. Ist inzwischen das ursprüngliche Kapital, sage 120000 M, gewachsen auf 360000 M, so ist sein variabler Bestandteil auch um 15\frac{1}{5} gewachsen. Er war 60000 M, er beträgt jetzt 72000 M. Wo aber früher ein Kapitalzuwachs von 20 Prozent genügt hätte, die Nachfrage nach Arbeit um 20 Prozent zu steigern, erfordert das jetzt Verdreifachung des ursprünglichen Kapitals.

Es wurde früher gezeigt, wie die Steigerung der Produktivkraft der Arbeit eine Kooperation auf großer Stufenleiter voraussetzt, wie nur unter dieser Voraussetzung Teilung und Zusammenwirken der Arbeit organisiert, Produktionsmittel durch massenhafte Konzentration erspart, solche Arbeitsmittel, die schon ihrer Natur nach nur gemeinsam anwendbar sind, z.B. Maschinerie, ins Leben gerufen, ungeheure Naturkräfte in den Dienst der Produktion gepreßt werden können. Auf Grundlage der Warenproduktion, wo die Produktionsmittel Eigentum von Privatpersonen sind, wo der Handarbeiter daher entweder vereinzelt und selbständig Waren produziert oder seine Arbeitskraft als Ware verkauft, weil ihm die Mittel zum Selbstbetrieb fehlen, verwirklicht sich jene Voraussetzung – nämlich die Kooperation – nur durch das Wachstum der Einzelkapitale oder im Maße, worin die Produktions- und Lebensmittel in das Privateigentum von Kapitalisten übergehen. Der Boden der Warenproduktion kann die Produktion auf großer Stufenleiter nur in kapitalistischer Form tragen. Eine gewisse Anhäufung von Kapital in den Händen einzelner Warenproduzenten bildet daher die Voraussetzung der kapitalistischen Produktionsweise. Aber alle Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit, die auf dieser Grundlage erwachsen, sind zugleich Methoden der gesteigerten Produktion des Mehrwerts oder Mehrprodukts, woraus wiederum die Akkumulation entspringt. Sie sind also zugleich Methoden einer beschleunigten Akkumulation des Kapitals. Die fortgesetzte Rückverwandlung von Mehrwert in Kapital stellt sich dar als wachsende Größe des in den Produktionsprozeß eingehenden Kapitals. Diese wird ihrerseits Grundlage zur Erweiterung der Produktion, der sie begleitenden Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit und beschleunigter Produktion von Mehrwert. Wenn also ein gewisser Grad von Kapitalakkumulation als Bedingung der kapitalistischen Produktionsweise erscheint, verursacht die letztere rückschlagend eine beschleunigte Akkumulation des Kapitals. Mit der Akkumulation des Kapitals entwickelt sich daher die kapitalistische Produktionsweise, und mit der kapitalistischen Produktionsweise die Akkumulation des Kapitals. Diese beiden erzeugen, nach dem zusammengesetzten Verhältnis des Anstoßes, den sie sich gegenseitig erteilen, den Wechsel in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, durch welchen der variable Bestandteil immer kleiner und kleiner wird verglichen mit dem konstanten.

Jedes einzelne Kapital ist eine größere oder kleinere Ansammlung von Produktionsmitteln mit entsprechendem Kommando über eine größere oder kleinere Arbeiterarmee. Jede Akkumulation wird das Mittel neuer Akkumulation. Sie erweitert mit der vermehrten Masse des als Kapital funktionierenden Reichtums seine Konzentration (Zusammenfassung) in den Händen der einzelnen Kapitalisten, daher die Grundlage der Produktion auf großer Stufenleiter und der spezifisch kapitalistischen Produktionsmethoden. Das Wachstum des gesellschaftlichen Kapitals vollzieht sich im Wachstum vieler Einzelkapitale. Zugleich reißen sich Ableger von den Einzelkapitalen los und funktionieren als neue selbständige Kapitale. Eine große Rolle spielt dabei unter anderm die Teilung des Vermögens in Kapitalistenfamilien. Mit der Akkumulation des Kapitals wächst daher auch mehr oder minder die Anzahl der Kapitalisten. Die Akkumulation und die sie begleitende Konzentration sind also nicht nur auf viele Punkte zersplittert, sondern das Wachstum der funktionierenden Kapitale ist durchkreuzt durch die Bildung neuer und die Spaltung alter Kapitale. Stellt sich die Akkumulation daher einerseits dar als wachsende Konzentration der Produktionsmittel und des Kommandos über Arbeit, so andererseits als Abstoßung vieler Einzelkapitale voneinander.

Dieser Zersplitterung des gesellschaftlichen Gesamtkapitals in viele Einzelkapitale wirkt entgegen ihre Anziehung. Darunter ist zu verstehen Konzentration bereits gebildeter Kapitale, Aufhebung ihrer Selbständigkeit, Enteignung von Kapitalist durch Kapitalist, Verwandlung vieler kleineren in weniger größere Kapitale. Dieser Vorgang unterscheidet sich von der Akkumulation dadurch, daß er nur veränderte Verteilung der bereits vorhandenen Kapitale voraussetzt, sein Spielraum also durch das Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums nicht beschränkt ist. Das Kapital schwillt hier in einer Hand zu großen Massen, weil es dort in vielen Händen verloren geht. Es ist die eigentliche Zentralisation im Unterschied zur Akkumulation und Konzentration.

Der Konkurrenzkampf wird durch Verwohlfeilerung der Waren geführt. Die Wohlfeilheit der Waren hängt – unter sonst gleichen Umständen – von der Produktivität der Arbeit, diese aber von dem Umfang der Produktion ab. Die größeren Kapitale schlagen daher die kleineren. Man erinnert sich ferner, daß mit der Entwickelung der kapitalistischen Produktionsweise der Mindestumfang des Einzelkapitals wächst, das erheischt ist, um das Geschäft unter seinen normalen Bedingungen zu betreiben. Die kleineren Kapitale drängen sich daher in Produktionszweige, deren sich die große Industrie nur erst vereinzelt oder unvollkommen bemächtigt hat. Die Konkurrenz endet stets mit Untergang vieler kleinerer Kapitalisten, deren Kapitale teils in die Hand des Siegers übergehen, teils untergehen. Abgesehen hiervon bildet sich mit der kapitalistischen Produktion eine ganz neue Macht, das Kreditwesen. Es wird nicht nur selbst zur neuen gewaltigen Waffe im Konkurrenzkampf. Durch unsichtbare Fäden zieht es die über die Oberfläche der Gesellschaft in größeren oder kleineren Mengen zersplitterten Geldmittel in die Hände einzelner oder assoziierter Kapitalisten. Es ist die spezifische Maschine zur Zentralisation der Kapitale.

Die Zentralisation der Kapitale nimmt zu in dem Verhältnis, worin sich mit der Akkumulation die kapitalistische Produktionsweise entwickelt. Ihrerseits wird die Zentralisation einer der großen Hebel jener Entwicklung. Sie ergänzt das Werk der Akkumulation, indem sie die Kapitalisten instand setzt, den Umfang ihrer Betriebe auszudehnen. Die gewachsene Ausdehnung der industriellen Betriebe bildet überall den Ausgangspunkt für eine umfassendere Organisation des Zusammenarbeitens vieler, für eine breitere Entwicklung ihrer materiellen Triebkräfte.

Es ist aber klar, daß die Akkumulation, die allmähliche Vermehrung des Kapitals durch kapitalisierten Mehrwert, ein gar langsames Verfahren ist im Vergleich mit der Zentralisation, die nur die schon vorhandenen Kapitale zusammenzieht, ihre Gruppierung ändert. Die Welt wäre noch heute (1874) ohne Eisenbahnen, hätte sie so lange warten müssen, bis die Akkumulation einige Einzelkapitale dahin gebracht hätte, dem Bau einer Eisenbahn gewachsen zu sein. Die Zentralisation dagegen hat dies, vermittelst der Aktiengesellschaften, im Handumdrehen fertig gebracht. Und während die Zentralisation so die Wirkungen der Akkumulation steigert und beschleunigt, erweitert und beschleunigt sie gleichzeitig die Umwälzungen in der technischen Zusammensetzung des Kapitals, die dessen konstanten Teil vermehren auf Kosten seines variablen Teils und damit die Nachfrage nach Arbeit verhältnismäßig vermindern.

Die durch die Zentralisation über Nacht zusammengeschweißten Kapitalmassen reproduzieren und vermehren sich wie die anderen, nur rascher, und werden damit zu neuen mächtigen Hebeln der Akkumulation.

Der wachsende Umfang der Einzelkapitale wird zur Grundlage einer beständigen Umwälzung der Produktionsweise selbst. Fortwährend erobert die kapitalistische Produktionsweise Arbeitszweige, die ihr noch gar nicht oder nur teilweis oder nur formell unterworfen sind. Daneben erwachsen auf ihrem Boden neue, ihr von vornherein angehörige Arbeitszweige. Endlich wird in den bereits kapitalistisch betriebenen Arbeitszweigen die Produktivkraft der Arbeit treibhausmäßig gereift. In allen diesen Fällen sinkt die Arbeiterzahl verhältnismäßig zur Masse der von ihr verarbeiteten Produktionsmittel. Ein stets größerer Teil des Kapitals wird in Produktionsmittel umgesetzt, ein stets kleinerer in Arbeitskraft. Mit dem Umfang der Konzentration und der technischen Wirksamkeit der Produktionsmittel vermindert sich progressiv der Grad, worin sie Beschäftigungsmittel der Arbeiter sind. Ein Dampfpflug ist ein ungleich wirksameres Produktionsmittel als der gewöhnliche Pflug, aber der in ihm ausgelegte Kapitalwert ist ein ungleich geringeres Beschäftigungsmittel, als wenn er in gewöhnlichen Pflügen ausgelegt wäre.

Zunächst ist es gerade die Zufügung von neuem Kapital zu altem, welche den Produktionsprozeß auszuweiten und technisch umzuwälzen erlaubt. Bald aber ergreift die veränderte Zusammensetzung und technische Umgestaltung mehr oder minder alles alte Kapital, das ausgedient hat und daher neu ersetzt wird.

Einerseits zieht also das im Fortgang der Akkumulation gebildete Zuschußkapital, verhältnismäßig zu seiner Größe, weniger und weniger Arbeiter an, andererseits stößt das periodisch in anderer Zusammensetzung erneuerte alte Kapital mehr und mehr früher von ihm beschäftigte Arbeiter ab.

* * *

Die Steigerung der Produktivkraft und der dadurch verursachte Wechsel in der organischen Zusammensetzung des Kapitals halten nicht nur Schritt mit dem Fortschritt der Akkumulation oder dem Wachstum des gesellschaftlichen Reichtums. Sie schreiten ungleich schneller, weil die einfache Akkumulation oder die Vermehrung des Gesamtkapitals begleitet ist von der Zentralisation, d.h. von der Zusammenziehung der Einzelkapitale, und weil die technische Umwälzung des neuen Kapitals die gleiche technische Umwälzung des alten nach sich zieht. Mit dem Fortgang der Akkumulation wandelt sich also das Verhältnis des konstanten zum variablen Kapital, wenn es ursprünglich wie 1:1 war, in 2:1, 3:1, 4:1, 5:1, 7:1 usw., so daß, wie das Kapital wächst, statt der Hälfte seines Gesamtwertes nur 13\frac{1}{3}, 14\frac{1}{4}, 15\frac{1}{5}, 16\frac{1}{6}, 18\frac{1}{8} usw. in Arbeitskraft, dagegen 23\frac{2}{3}, 34\frac{3}{4}, 45\frac{4}{5}, 56\frac{5}{6}, 78\frac{7}{8} usw. in Produktionsmittel umgesetzt werden. Da die Nachfrage nach Arbeit nicht durch den Umfang des Gesamtkapitals, sondern durch den seines variablen Bestandteils bestimmt ist, fällt sie also progressiv mit dem Wachstum des Gesamtkapitals, statt, wie vorhin unterstellt, verhältnismäßig mit ihm zu wachsen. Sie fällt verhältnismäßig zur Größe des Gesamtkapitals, und um so schneller, je schneller das Gesamtkapital wächst. Mit dem Wachstum des Gesamtkapitals wächst zwar auch sein variabler Bestandteil oder die ihm einverleibte Arbeitskraft, aber in beständig abnehmendem Verhältnis. Die Zwischenpausen, worin die Akkumulation als bloße Erweiterung der Produktion auf gegebener technischer Grundlage wirkt, verkürzen sich. Nicht nur wird eine in wachsendem Maße beschleunigte Akkumulation des Gesamtkapitals erheischt, um eine zusätzliche Arbeiterzahl oder auch – weil ja auch das alte Kapital sich beständig ändert – die bereits vorhandenen Arbeiter zu beschäftigen. Ihrerseits schlägt diese wachsende Akkumulation und Zentralisation selbst wieder um in eine Quelle neuer Wechsel der Zusammensetzung des Kapitals oder abermalig beschleunigter Abnahme seines variablen Bestandteils verglichen mit seinem konstanten. Da also mit dem Wachstum des Gesamtkapitals dessen variabler Bestandteil verhältnismäßig abnimmt und sogar schneller abnimmt, als das Gesamtkapital wächst, so erweckt dies auf der anderen Seite den Schein, als ob die Arbeiterbevölkerung schneller zunehme als das variable Kapital oder die Mittel sie zu beschäftigen. Infolge der kapitalistischen Akkumulation entsteht daher beständig eine für die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überschüssige Arbeiterbevölkerung. Mit der durch sie selbst bewirkten Akkumulation des Kapitals erzeugt die Arbeiterbevölkerung also in wachsendem Umfang die Mittel, sie selbst relativ überzählig zu machen. Es ist dies ein der kapitalistischen Produktionsweise eigentümliches Bevölkerungsgesetz, wie in der Tat jede besondere Produktionsweise ihre besonderen, nur für ihre Zeit gültigen Bevölkerungsgesetze hat. Ein für immer gültiges Bevölkerungsgesetz existiert nur für Pflanze und Tier, soweit der Mensch nicht geschichtlich eingreift.

Wenn aber eine Arbeiter-Übervölkerung notwendiges Resultat der Akkumulation oder der Entwicklung des Reichtums auf kapitalistischer Grundlage ist, wird diese Übervölkerung umgekehrt zum Hebel der kapitalistischen Akkumulation, ja zu einer Existenzbedingung der kapitalistischen Produktionsweise. Sie bildet eine verfügbare industrielle Reservearmee, die dem Kapital ganz so absolut gehört, als ob es sie auf seine eigenen Kosten großgezüchtet hätte. Sie schafft für seine wechselnden Verwertungsbedürfnisse das stets zur Ausbeutung bereite Menschenmaterial, unabhängig von den Schranken der wirklichen Bevölkerungszunahme. Mit der Akkumulation und der sie begleitenden Entwicklung der Produktivkraft der Arbeit wächst die plötzliche Ausdehnungskraft des Kapitals. Die mit dem Fortschritt der Akkumulation überschwellende und in Zusatzkapital verwandelbare Masse des gesellschaftlichen Reichtums drängt sich mit Überschwang in alte Produktionszweige, deren Markt sich plötzlich erweitert, oder in neu eröffnete, wie Eisenbahnen usw., deren Bedürfnis aus der Entwicklung der alten entspringt. In allen solchen Fällen müssen große Menschenmassen plötzlich und ohne sie den anderen Branchen zu entziehen auf die entscheidenden Punkte werfbar sein. Die Übervölkerung liefert sie. Der charakteristische Lebenslauf der modernen Industrie, die Form eines durch kleinere Schwankungen unterbrochenen 10jährigen Kreislaufs von Perioden mittlerer Lebendigkeit, Hochdruck, Krise und Stillstand, beruht auf der beständigen Entstehung, größeren oder geringeren Aufsaugung und Wiederentstehung der industriellen Reservearmee oder Übervölkerung.

Dieser eigentümliche Lebenslauf der modernen Industrie, der uns in keinem früheren Zeitalter der Menschheit begegnet, war auch in der Kindheit der kapitalistischen Produktion unmöglich. Die Zusammensetzung des Kapitals aus cc und vv veränderte sich nur sehr allmählich. Seiner Akkumulation entsprach also im ganzen verhältnismäßiges Wachstum der Arbeitsnachfrage. Langsam wie der Fortschritt seiner Akkumulation war, stieß er auf Naturschranken der verfügbaren Arbeiterbevölkerung, welche nur durch später zu erwähnende Gewaltmittel weggeräumt werden konnten. Die plötzliche und ruckweise Ausdehnung des Umfanges der Produktion ist die Voraussetzung seiner plötzlichen Zusammenziehung; letztere ruft wieder die erstere hervor, aber die erstere ist unmöglich ohne verfügbares Menschenmaterial, ohne eine vom natürlichen Wachstum der Bevölkerung unabhängige Vermehrung von Arbeitern. Sie wird geschaffen durch den einfachen Prozeß, der einen Teil der Arbeiter beständig „freisetzt“, durch Methoden, welche die Anzahl der beschäftigten Arbeiter im Verhältnis zur vermehrten Produktion vermindern. Die ganze Bewegungsform der modernen Industrie erwächst also aus der beständigen Verwandlung eines Teils der Arbeiterbevölkerung in unbeschäftigte oder halbbeschäftigte Hände. Der kapitalistischen Produktion genügt keineswegs das Quantum verfügbarer Arbeitskraft, welches der natürliche Zuwachs der Bevölkerung liefert. Sie bedarf zu ihrem freien Spiel einer von dieser Naturschranke unabhängigen industriellen Reservearmee.

Bisher wurde unterstellt, daß der Zu- oder Abnahme des variablen Kapitals genau die Zu- oder Abnahme der beschäftigten Arbeiterzahl entspricht. Bei gleichbleibender oder selbst verminderter Zahl der von ihm kommandierten Arbeiter wächst jedoch das variable Kapital, wenn der einzelne Arbeiter mehr Arbeit liefert und daher sein Arbeitslohn wächst, obgleich der Arbeitspreis gleich bleibt oder selbst sinkt, nur langsamer als die Arbeitsmasse steigt. Jeder Kapitalist hat das absolute Interesse, ein bestimmtes Arbeitsquantum aus kleinerer, statt ebenso wohlfeil oder selbst wohlfeiler aus größerer Arbeiterzahl auszupressen. In dem letzten Fall wächst die Auslage von konstantem Kapital verhältnismäßig zur Masse der in Fluß gesetzten Arbeit, im ersten Fall viel langsamer. Je größer der Umfang der Produktion, desto entscheidender dies Motiv. Seine Wucht wächst mit der Akkumulation des Kapitals.

Man hat gesehen, daß die Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise und Produktivkraft der Arbeit – zugleich Ursache und Wirkung der Akkumulation – den Kapitalisten befähigt, mit derselben Auslage von variablem Kapital mehr Arbeit durch größere Ausbeutung der einzelnen Arbeitskräfte flüssig zu machen. Man hat ferner gesehen, daß er mit demselben Kapitalwert mehr Arbeitskräfte kauft, indem er immer mehr geschicktere Arbeiter durch ungeschicktere, reife durch unreife, männliche durch weibliche, erwachsene durch jugendliche oder kindliche verdrängt. Einerseits macht also, im Fortgang der Akkumulation, größeres variables Kapital mehr Arbeit flüssig, ohne mehr Arbeiter zu werben, andererseits macht variables Kapital von derselben Größe mehr Arbeit mit derselben Masse Arbeitskraft flüssig und endlich mehr niedere Arbeitskräfte durch Verdrängung höherer.

Die Erzeugung einer relativen Übervölkerung oder die Freisetzung von Arbeitern geht daher noch rascher voran, als die ohnehin mit dem Fortschritt der Akkumulation beschleunigte technische Umwälzung des Produktionsprozesses und die entsprechende verhältnismäßige Abnahme des variablen Kapitalteils gegen den konstanten. Im Maß wie die Produktivkraft wächst, steigert das Kapital das Angebot von Arbeit rascher als seine Nachfrage nach Arbeitern. Die Überarbeit des beschäftigten Teils der Arbeiterklasse schwellt die Reihen ihrer Reserve, während umgekehrt der vermehrte Druck, den die letztere durch ihre Konkurrenz auf die erstere ausübt, diese zur Überarbeit und Unterwerfung unter die Gebote des Kapitals zwingt. Die Verdammung eines Teils der Arbeiterklasse zu erzwungenem Müßiggang durch Überarbeit des anderen Teils, und umgekehrt, wird Bereicherungsmittel des einzelnen Kapitalisten und beschleunigt zugleich die Erzeugung der industriellen Reservearmee auf einem dem Fortschritt der Akkumulation entsprechenden Maßstab. Wie wichtig dies Moment in der Bildung der relativen Übervölkerung, beweist z.B. England. Seine technischen Mittel zur „Ersparung“ von Arbeit sind kolossal. Dennoch, würde morgen (1867) allgemein die Arbeit auf ein vernünftiges Maß beschränkt, und für die verschiedenen Schichten der Arbeiterklasse wieder entsprechend nach Alter und Geschlecht abgestuft, so wäre die vorhandene Arbeiterbevölkerung absolut unzureichend zur Fortführung der Produktion auf ihrer jetzigen Stufenleiter. Die große Mehrheit der jetzt „unproduktiven“ Arbeiter müßte in „produktive“ verwandelt werden.

Im großen und ganzen sind die allgemeinen Bewegungen des Arbeitslohns ausschließlich reguliert durch die Vergrößerung und Verkleinerung der industriellen Reservearmee, welche dem Periodenwechsel des industriellen Kreislaufs entsprechen. Sie sind also nicht bestimmt durch die Bewegung der absoluten Anzahl der Arbeiterbevölkerung, sondern durch das wechselnde Verhältnis, worin die Arbeiterklasse in aktive Armee und Reservearmee zerfällt, durch die Zunahme und Abnahme der relativen Übervölkerung, durch den Grad, worin sie bald aufgesaugt, bald wieder freigesetzt wird. Für die moderne Industrie mit ihrem 10jährigen Kreislauf und besten periodischen Abschnitten (mittlere Lebendigkeit, Hochkonjunktur, Krise, Stockung), die außerdem im Fortgang der Akkumulation durch stets rascher auf einander folgende unregelmäßige Schwankungen durchkreuzt werden, wäre es in der Tat ein schönes Gesetz, welches die Nachfrage und Zufuhr von Arbeit nicht durch die Ausdehnung und Zusammenziehung des Kapitals, also nach seinen jedesmaligen Verwertungsbedürfnissen regelte, sodaß der Arbeitsmarkt bald relativ untervoll erscheint, weil das Kapital sich ausdehnt, bald wieder übervoll, weil es sich zusammenzieht, sondern umgekehrt die Bewegung des Kapitals von der absoluten Bewegung der Bevölkerungsmenge abhängig machte. So jedoch sieht die bürgerliche Wissenschaft die Dinge an. Sie hat das Dogma aufgestellt, daß infolge der Kapitalakkumulation der Arbeitslohn steigt. Der erhöhte Arbeitslohn spornt zur rascheren Vermehrung der Arbeiterbevölkerung, und diese dauert fort, bis der Arbeitsmarkt überfüllt ist. Nun sinkt der Arbeitslohn und es kommt die Kehrseite der Medaille. Durch den fallenden Arbeitslohn wird die Arbeiterbevölkerung nach und nach dezimiert, sodaß nun wieder die Nachfrage von seiten des Kapitals überwiegt, oder auch, wie andere es erklären, der fallende Arbeitslohn, der dem Kapital einen größeren Profit läßt, beschleunigt wieder die Akkumulation, während gleichzeitig der niedere Lohn das Wachstum der Arbeiterklasse in Schach hält. So tritt wieder das Verhältnis ein, worin die Arbeitszufuhr niedriger als die Arbeitsnachfrage, der Lohn steigt usw. Eine schöne Bewegungsmethode dies für die entwickelte kapitalistische Produktion! Bevor infolge der Lohnerhöhung irgend ein merkliches Wachstum der wirklich arbeitsfähigen Bevölkerung eintreten könnte, wäre die Frist aber und abermal abgelaufen, worin der industrielle Feldzug geführt, die Schlacht geschlagen und entschieden sein muß.

Zwischen 1849 und 1859 trat, zugleich mit fallenden Getreidepreisen, eine (praktisch betrachtet nur nominelle) Lohnerhöhung in den englischen Ackerbaudistrikten ein, z.B. in Wiltshire stieg der Wochenlohn von 7 auf 8 Schillinge, in Dorsetshire von 7 oder 8 auf 9 usw. Es war die Folge des übergewöhnlichen Abflusses der ländlichen Bevölkerung, verursacht durch Kriegsnachfrage, massenhafte Ausdehnung der Eisenbahnbauten, Fabriken, Bergwerke usw. Je niedriger der Arbeitslohn, desto höher drückt sich jedes noch so unbedeutende Steigen in Prozentzahlen aus. Ist der Wochenlohn z.B. 20 Schilling und steigt er auf 22, so macht dies 10 Prozent aus; ist er dagegen nur 7 Schilling und steigt auf 9, so sind das 2847\frac{4}{7} Prozent, was sehr erklecklich klingt. Jedenfalls heulten die Pächter und schwatzte sogar der „London Economist“ ganz ernsthaft von „einer allgemeinen und wesentlichen Steigerung“ mit Bezug auf diese Hungerlöhne. Was taten nun die Pächter? Warteten sie, bis die Landarbeiter sich infolge dieser brillanten Zahlung so vermehrt hatten, daß ihr Lohn wieder fallen mußte? Sie führten mehr Maschinerie ein und im Umsehen waren die Arbeiter wieder „überzählig“ in einem selbst den Pächtern genügenden Verhältnis. Es war jetzt „mehr Kapital“ in der Landwirtschaft angelegt als vorher und in einer produktiveren Form. Damit fiel die Nachfrage nach Arbeit nicht nur relativ, sondern absolut.

Jenes Dogma der bürgerlichen Wissenschaft verwechselt die Gesetze, welche die allgemeine Bewegung des Arbeitslohns regeln, mit den Gesetzen, welche die Arbeiterbevölkerung auf die verschiedenen Produktionszweige verteilen. Wenn z.B. infolge günstiger Konjunktur die Akkumulation in einer bestimmten Branche besonders lebhaft, die Profite hier größer als die Durchschnittsprofite, Zuschußkapital dahin drängt, so steigt natürlich Arbeitsnachfrage und Arbeitslohn. Der höhere Arbeitslohn zieht einen größeren Teil der Arbeiterbevölkerung in die begünstigte Branche, bis sie mit Arbeitskraft gesättigt ist und der Lohn auf die Dauer wieder auf seine frühere Durchschnittshöhe oder darunter fällt, falls der Zudrang zu groß war. Dann hört nicht nur die Einwanderung von Arbeitern in den fraglichen Geschäftszweig auf, sie macht sogar ihrer Auswanderung Platz. Hier glaubt die bürgerliche Wissenschaft zu sehen, „wo und wie“, mit Zunahme des Lohns eine absolute Zunahme von Arbeitern, und mit der absoluten Zunahme der Arbeiter eine Abnahme des Lohns. Aber sie sieht in der Tat nur die lokale Schwankung des Arbeitsmarktes einer besonderen Branche, sie sieht nur Vorgänge der Verteilung der Arbeiterbevölkerung in die verschiedenen Anlagezweige des Kapitals, je nach seinen wechselnden Bedürfnissen.

Die industrielle Reservearmee drückt während der Perioden des Stillstandes und des mittleren Geschäftsganges auf die aktive Arbeiterarmee und hält ihre Ansprüche während der Periode der Überproduktion und des fieberhaft überstürzten Geschäftsganges im Zaum. Die relative Übervölkerung ist also der Hintergrund, worauf das Gesetz der Nachfrage und Zufuhr von Arbeit sich bewegt. Sie zwängt den Spielraum dieses Gesetzes in die der Ausbeutungsgier und Herrschsucht des Kapitals zusagenden Schranken ein.

Es ist hier der Ort, auf eine der Großtaten „wissenschaftlicher“ Schönfärberei zurückzukommen. Man erinnert sich,76 daß, wenn durch Einführung neuer oder Ausdehnung alter Maschinerie ein Stück variables Kapital in konstantes verwandelt wird, der wissenschaftliche Lobredner des Kapitalismus diesen Vorgang, welcher Kapital „bindet“ und eben dadurch Arbeiter „freisetzt“, umgekehrt so deutet, daß er Kapital für den Arbeiter freisetzt. Erst jetzt kann man die Umverschämtheit solcher Schönrednerei vollständig würdigen. Was freigesetzt wird, sind nicht nur die unmittelbar durch die Maschine verdrängten Arbeiter, sondern ebenso ihre Ersatzmannschaft und der Zuwachs, der, bei gewohnter Ausdehnung des Geschäfts auf seiner alten Grundlage, Beschäftigung gefunden hätte. Sie sind jetzt alle „freigesetzt“, und jedes neue funktionslustige Kapital kann über sie verfügen. Ob es sie oder andere einstellt, die Wirkung auf die allgemeine Arbeitsnachfrage wird gleich Null sein, solange dies Kapital gerade hinreicht, um den Markt von ebensoviel Arbeitern zu befreien, als die Maschinen auf ihn geworfen. Beschäftigt es eine geringere Zahl, so wächst die Menge der Überzähligen; beschäftigt es eine größere, so wächst die allgemeine Arbeitsnachfrage nur um den Überschuß der Beschäftigten über die „Freigesetzten“. Der Aufschwung, den anlagesuchende Zusatzkapitale sonst der allgemeinen Arbeitsnachfrage gegeben hätten, ist also in jedem Fall insoweit aufgehoben, wie die von der Maschine aufs Pflaster geworfenen Arbeiter reichen. Das heißt also, der Mechanismus der kapitalistischen Produktion sorgt dafür, daß der Zuwachs von Kapital von keiner entsprechenden Steigerung der allgemeinen Arbeitsnachfrage begleitet ist. Und dies nennt der Schönredner einen Ausgleich für das Elend, die Leiden und den möglichen Untergang der verdrängten Arbeiter!

Sobald daher die Arbeiter hinter das Geheimnis kommen, wie es zugeht, daß im selben Maß, wie sie mehr arbeiten, mehr fremden Reichtum produzieren und die Produktivkraft ihrer Arbeit wächst, sogar ihre Beschäftigung immer unsicherer wird, sobald sie entdecken, daß die Konkurrenz unter ihnen selbst ganz und gar von dem Druck der relativen Übervölkerung abhängt, sobald sie daher durch Gewerkschaften usw. ein planmäßiges Zusammenwirken zwischen Beschäftigten und Unbeschäftigten zu organisieren suchen, um die vernichtenden Folgen jenes Naturgesetzes der kapitalistischen Produktion auf ihre Klasse zu brechen oder zu schwächen, zetert das Kapital und sein Sachwalter, die bürgerliche Wissenschaft, über Verletzung des „ewigen“ und sozusagen „heiligen“ Gesetzes von Angebot und Nachfrage. Jeder Zusammenhalt zwischen den Beschäftigten und Unbeschäftigten stört nämlich das „reine“ Spiel jenes Gesetzes. Sobald andererseits, in den Kolonien z.B. widrige Umstände die Schöpfung der industriellen Reservearmee und mit ihr die absolute Abhängigkeit der Arbeiterklasse von der Kapitalistenklasse verhindern, rebelliert das Kapital, samt seinem wissenschaftlichen Sachwalter, gegen das „heilige“ Gesetz von Angebot und Nachfrage und sucht ihm durch Zwangsmittel unter die Arme zu greifen.

* * *

Die relative Übervölkerung existiert in allen möglichen Schattierungen. Jeder Arbeiter gehört ihr an während der Zeit, wo er halb oder gar nicht beschäftigt ist. Sowohl in den eigentlichen Fabriken wie in allen großen Werkstätten, wo Maschinerie verwandt wird oder auch nur die moderne Teilung der Arbeit durchgeführt ist, braucht man massenhaft männliche Arbeiter bis zur Zurücklegung des Jugendalters. Dieser Termin einmal erreicht, bleibt nur eine sehr geringe Anzahl in denselben Geschäftszweigen verwendbar, während die Mehrzahl regelmäßig entlassen wird. Ein Teil davon wandert aus und reist in der Tat nur dem auswandernden Kapital nach. Eine der Folgen ist, daß die weibliche Bevölkerung rascher wächst als die männliche; Beweis: England. Daß der natürliche Zuwachs der Arbeitermasse die Akkumulationsbedürfnisse des Kapitals nicht sättigt und sie dennoch zugleich überschreitet, ist ein Widerspruch seiner Bewegung selbst. Es braucht größere Massen Arbeiter im früheren Alter, geringere im männlichen. Der Widerspruch ist nicht schreiender als der andere, daß über Mangel an Händen geklagt wird zur selben Zeit, wo viele Tausende auf dem Pflaster liegen, weil die Teilung der Arbeit sie an einen bestimmten Geschäftszweig kettet. Der Verbrauch der Arbeitskraft durch das Kapital ist zudem so rasch, daß der Arbeiter von mittlerem Alter sich meist schon mehr oder minder überlebt hat. Er fällt in die Reihen der überzähligen oder wird von einer höheren auf eine niedrigere Staffel hinabgedrängt. Gerade bei den Arbeitern der großen Industrie stoßen wir auf die kürzeste Lebensdauer. „Dr. Lee, der Gesundheitsbeamte von Manchester, hat festgestellt, daß in jener Stadt die mittlere Lebensdauer der wohlhabenden Klasse 38, die der Arbeiterklasse nur 17 Jahre ist. In Liverpool beträgt sie 35 Jahre für die erstere, 15 für die zweite. Es folgt also, daß die privilegierte Klasse eine Anweisung aufs Leben hat mehr als doppelt so groß als die ihrer weniger begünstigten Mitbürger.“ (Eröffnungsrede der Gesundheitskonferenz, zu Birmingham, 15. Januar 1875 von J. Chamberlain, damals Bürgermeister der Stadt, 1883 Handelsminister.)

Sobald sich die kapitalistische Produktion der Landwirtschaft, oder im Grad, worin sie sich derselben bemächtigt hat, nimmt mit der Akkumulation des hier funktionierenden Kapitals die Nachfrage für die ländliche Arbeiterbevölkerung absolut ab. Ein Teil der Landbevölkerung befindet sich daher fortwährend auf dem Sprung, in städtisches oder Manufakturproletariat überzugehen. Diese Quelle der relativen Übervölkerung fließt also beständig. Aber ihr beständiger Fluß nach den Städten setzt auf dem Lande selbst eine fortwährend verborgene Übervölkerung voraus, deren Umfang nur sichtbar wird, sobald sich die Abzugskanäle ausnahmsweise weit öffnen. Der Landarbeiter wird daher auf das Minimum des Lohns herabgedrückt und steht mit einem Fuß stets im Sumpf des Pauperismus (Zustand vollständiger Verarmung und Verkommenheit.)

Dazu kommt ein Teil der aktiven Arbeiterarmee, aber mit durchaus unregelmäßiger Beschäftigung. Sie bietet so dem Kapital einen unerschöpflichen Behälter verfügbarer Arbeitskraft. Ihre Lebenslage sinkt unter die normale Lage der arbeitenden Klasse und gerade dies macht sie zur breiten Grundlage eigener Ausbeutungszweige des Kapitals. Maximum der Arbeitszeit und Minimum des Lohn charakterisieren sie. Hauptsächlich lebt sie von der Hausarbeit. Sie rekrutiert sich fortwährend aus den Überzähligen der großen Industrie und Landwirtschaft, und namentlich auch in untergehenden Industriezweigen, wo der Handwerksbetrieb dem Manufakturbetrieb, letzterer dem Maschinenbetrieb erliegt. Jedoch vermehrt sie sich auch durch eigene Fortpflanzung, stärker als die übrigen Teile der Arbeiterklasse. In der Tat steht nicht nur die Masse der Geburten und Todesfälle, sondern die absolute Größe der Familien im umgekehrten Verhältnis zur Höhe des Arbeitslohns. Dies Gesetz der kapitalistischen Gesellschaft klänge unsinnig unter Wilden oder selbst zivilisierten Kolonisten. Es erinnert an die massenhafte Fortpflanzung schwacher und vielgehetzter Tierarten.

Der tiefste Niederschlag der relativen Übervölkerung endlich wird gebildet durch den Pauperismus. Abgesehen von Vagabunden, Verbrechern, Prostituierten, kurz dem eigentlichen Lumpenproletariat, besteht diese Gesellschaftsschicht aus drei Abteilungen. Erstens Arbeitsfähige. Man braucht die Statistik des englischen Pauperismus nur oberflächlich anzusehen und man findet, daß seine Masse mit jeder Krise schwillt und mit jeder Wiederbelebung des Geschäfts abnimmt. Zweitens Waisen und Pauperkinder. Sie sind Kandidaten der industriellen Reservearmee und werden in Zeiten großen Aufschwungs, wie 1860 z.B., rasch und massenhaft in die aktive Arbeiterarmee eingereiht. Drittens Verkommene, Verlumpte, Arbeitsunfähige. Es sind namentlich Personen, die an ihrer durch die Teilung der Arbeit verursachten Unbeweglichkeit untergehen, solche, die über das Normalalter des Arbeiters hinausleben, endlich die Opfer der Industrie, deren Zahl mit gefährlicher Maschinerie, Bergbau, chemischen Fabriken usw. wächst, Verstümmelte, Erkrankte, Witwen usw. Der Pauperismus bildet das Invalidenhaus der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht der industriellen Reservearmee. Seine Schöpfung ist eingeschlossen in der Schöpfung der relativen Übervölkerung, seine Notwendigkeit in ihrer Notwendigkeit, mit ihr bildet er eine Existenzbedingung der kapitalistischen Produktion und Entwicklung des Reichtums. Er gehört zu den Unkosten der kapitalistischen Produktion, die das Kapital jedoch großenteils von sich selbst ab auf die Schultern der Arbeiterklasse und der kleinen Mittelklasse zu wälzen weiß.

* * *

Je größer der gesellschaftliche Reichtum, das funktionierende Kapital, Umfang und Energie seines Wachstums, je größer deshalb auch die absolute Größe des Proletariats und die Produktivkraft seiner Arbeit, desto größer die industrielle Reservearmee. Die verfügbare Arbeitskraft wird durch dieselben Ursachen entwickelt, wie die Ausdehnungskraft des Kapitals. Die verhältnismäßige Größe der industriellen Reservearmee wächst also mit den Quellen des Reichtums. Je größer aber diese Reservearmee im Verhältnis zur aktiven Arbeiterarmee, desto massenhafter die Übervölkerung, deren Elend im umgekehrten Verhältnis zu ihrer Arbeitsqual steht. Je größer endlich die Lazarusschicht der Arbeiterklasse und die industrielle Reservearmee, desto größer der Pauperismus. Dies ist das absolute, allgemeine Gesetz der kapitalistischen Akkumulation. Es wird gleich allen anderen Gesetzen in seiner Verwirklichung durch mannigfache Umstände abgeändert, deren Untersuchung nicht hierher gehört.

Man begreift die Narrheit der ökonomischen Weisheit, die den Arbeitern predigt, ihre Zahl den Verwertungsbedürfnissen des Kapitals anzupassen. Der Mechanismus der kapitalistischen Produktion und Akkumulation paßt diese Zahl beständig diesen Verwertungsbedürfnissen an. Erstes Wort dieser Anpassung ist die Schöpfung einer relativen Übervölkerung oder industriellen Reservearmee, letztes Wort das Elend stets wachsender Schichten der aktiven Arbeiterarmee und das tote Gewicht des Pauperismus.

Das Gesetz, wonach eine immer wachsende Masse von Produktionsmitteln, dank dem Fortschritt in der Produktivität der gesellschaftlichen Arbeit, mit einer progressiv abnehmenden Ausgabe von Menschenkraft in Bewegung gesetzt werden kann – dies Gesetz drückt sich auf kapitalistischer Grundlage darin aus, daß, je höher die Produktivkraft der Arbeit, desto größer der Druck der Arbeiter auf ihre Beschäftigungsmittel, desto unsicherer also ihre Existenzbedingung: Verkauf der eigenen Kraft zur Vermehrung des fremden Reichtums oder zur Selbstverwertung des Kapitals. Rascheres Wachstum der Produktionsmittel und der Produktivität der Arbeit als der produktiven Bevölkerung drückt sich kapitalistisch also umgekehrt darin aus, daß die Arbeiterbevölkerung stets rascher wächst als das Verwertungsbedürfnis des Kapitals.

Wir sahen im 8. und 9. Kapitel: innerhalb des kapitalistischen Systems vollziehen sich alle Methoden zur Steigerung der Produktivkraft der Arbeit auf Kosten des Arbeiters; alle Mittel zur Entwicklung der Produktion schlagen um in Mittel zur Beherrschung und Ausbeutung des Produzenten, verstümmeln den Arbeiter in einen Teilmenschen, entwürdigen ihn zum Anhängsel der Maschine, vernichten mit der Qual seiner Arbeit ihren Inhalt, entfremden ihm die geistigen Vorgänge des Arbeitsprozesses, im selben Maße worin letzterem die Wissenschaft als selbständige Hilfskraft einverleibt wird; sie verunstalten die Bedingungen, innerhalb deren er arbeitet, unterwerfen ihn während des Arbeitsprozesses der kleinlichst gehässigen Despotie, verwandeln seine Lebenszeit in Arbeitszeit,77 schleudern sein Weib und Kind unter das Juggernautrad des Kapitals. Aber alle Methoden zur Produktion des Mehrwerts sind zugleich Methoden der Akkumulation, und jede Ausdehnung der Akkumulation wird umgekehrt Mittel zur Entwicklung jener Methoden. Es folgt daher, daß im Maße, wie Kapital akkumuliert, die Lage des Arbeiters, welches immer seine Zahlung, hoch oder niedrig, sich verschlechtern muß. Das Gesetz endlich, welches die relative Übervölkerung oder industrielle Reservearmee stets mit Umfang und Energie der Akkumulation im Gleichgewicht hält, schmiedet den Arbeiter fester an das Kapital als den Prometheus die Keile des Hephästos an den Felsen. Es bedingt eine der Akkumulation von Kapital entsprechende Akkumulation von Elend. Die Akkumulation von Reichtum auf der einen Seite ist also zugleich Akkumulation von Elend, Arbeitsqual, Sklaverei, Unwissenheit, Brutalisierung und moralischer Herabwürdigung auf der anderen.

[Fortsetzung folgt]


  1. Siehe „Zimmerwalder Linke: Vorschlag der Resolution und des Manifestes“, 5. September 1915, nach: Horst Lademacher (Hrsg.): Die Zimmerwalder Bewegung. I. Protokolle, Den Haag/Paris, 1967, S. 117–126.↩︎

  2. Abgedruckt in Ergebnisse & Perspektiven, Nr. 1, Januar 2020.↩︎

  3. ganz am Schluß des Abschnittes, in der „Volksausgabe“ S. 330. [In Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 407 – E&P.]↩︎

  4. In Marx/Engels, Werke, Bd. 24, S. 83 – E&P.↩︎

  5. In der neuen Bearbeitung von 1931 vergleiche man hierzu auch die Stelle in Kapitel 25 (Krisen), die ich dort im Text von mir geändert, in der Anmerkung im Originalwortlaut von Marx gegeben habe.↩︎

  6. Bd. III, 1. Teil, Abschnitt 1 [Marx/Engels, Werke, Bd. 25, S. 33–150 – E&P] und 2 [a.a.O., S. 151–220 – E&P]; dazu Bd. III, 2. Teil, S. 356–358 und 398–402. [Der 2. Teil beginnt a.a.O., S. 481 – E&P.]↩︎

  7. Bd. III, 1. Teil, Abschnitt 1 [Marx/Engels, Werke, Bd. 25, S. 33–150 – E&P] und 2 [a.a.O., S. 151–220 – E&P]; Bd. I, Kapitel 4, Nr. 2 [a.a.O., Bd. 23, S. 170–181 – E&P].↩︎

  8. Bd. I, Kapitel 1 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 49–98 – E&P] und 2 [a.a.O., S. 99-108 – E&P].↩︎

  9. Karl Marx, „Zur Kritik der politischen Ökonomie“, Berlin, 1859. Neue Ausgabe, Stuttgart, 1897, S. 5. [In Marx/Engels, Werke, Bd. 13, S. 18 – E&P.]↩︎

  10. Bd. I, Kapitel 4, Nr. 3 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 181–191 – E&P].↩︎

  11. Es wird gebeten, dies recht aufmerksam zu lesen. Herr Dr. juris Friedrich Kleinwächter, k.k. österr. Hofrat und Professor der Staatswissenschaften an der Franz-Josefs-Universität zu Czernowitz, hat dies so verstanden, daß Marx behauptet, der Arbeiter produziere in etwa 6 Stunden das, was er zur Fristung seines Lebens braucht! (Siehe des Herrn Professors „Lehrbuch der Nationalökonomie“, S. 153). J. B.↩︎

  12. Bd. I, Kapitel 5 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 192–213 – E&P].↩︎

  13. Die Zahlen sind hier ganz willkürlich.↩︎

  14. Der Unterschied zwischen höherer und einfacherer, qualifizierter und unqualifizierter Arbeit beruht zum Teil auf bloßen Illusionen oder wenigstens auf Unterschieden, die längst aufgehört haben, wirklich vorhanden zu sein und nur noch in herkömmlicher Einbildung fortleben; zum Teil auf der hilfloseren Lage gewisser Schichten der Arbeiterklasse, die ihnen minder als anderen erlaubt, den Wert ihrer Arbeitskraft zu ertrotzen. Zufällige Umstände spielen dabei eine so große Rolle, daß dieselben Arbeitsarten den Platz wechseln. Wo z. B. die körperliche Kraft der Arbeiterklasse abgeschwächt und relativ erschöpft ist, wie in allen Ländern entwickelter kapitalistischer Produktion, verkehren sich im allgemeinen wenig komplizierte Arbeiten, die viel Muskelkraft erfordern, in höhere gegenüber viel feineren Arbeiten, die auf die Stufe einfacher Arbeit herabsinken, wie z. B. die Arbeit eines Maurers in England eine viel höhere Stufe einnimmt als die eines Damastwirkers. Auf der anderen Seite figuriert die Arbeit eines Baumwollsamtscherers, obgleich sie viel körperliche Anstrengung kostet und obendrein sehr ungesund ist, als einfache Arbeit. Übrigens muß man sich nicht einbilden, daß die sogenannte qualifizierte Arbeit einen bedeutenden Umfang in der Arbeit einer Nation einnimmt. Laing rechnet, daß in England und Wales die Existenz von 11 Millionen auf einfacher Arbeit beruht. Nach Abzug einer Million Aristokraten und einer anderen Million Armenhäusler, Vagabunden, Verbrecher, Prostituierte usw. von den 18 Millionen der Bevölkerungszahl zur Zeit seiner Schrift bleiben 4 Millionen Mittelklasse mit Einschluß kleinerer Rentner, Beamten, Schriftsteller, Künstler, Schulmeister usw. Um diese 4 Millionen herauszubekommen zählt er zum arbeitenden Teil der Mittelklasse, außer Bankiers usw., alle besserbezahlten „Fabrikarbeiter“! Auch die Maurer fehlen nicht unter den qualifizierten Arbeitern. Bleiben ihm dann die besagten 11 Millionen. (S. Laing, „Das Elend der Nation“ usw., London 1844.) „Die große Klasse, die für ihren Lebensunterhalt nichts zu bieten hat als gewöhnliche Arbeit, bildet die große Masse des Volkes.“ (James Mill in Artikel „Colony“, Nachtrag zur Britischen Enzyklopädie, 1831.)↩︎

  15. Bd. I, Kapitel 6–7 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 214–225 und S. 226–244 – E&P]; Bd. III, 1. Teil, Kapitel 8–10 [Marx/Engels, Werke, Bd. 25, S. 151–163, S. 164–181 und S. 182–209 – E&P]; Bd. II, Kapitel 8 [Marx/Engels, Werke, Bd. 24, S. 158–182 – E&P].↩︎

  16. Von hier ab Bd. III, I. Teil, Kapitel I [Marx/Engels, Werke, Bd. 25, S. 33–50 – E&P].↩︎

  17. Fälschlich als „fixieren“ gedruckt – E&P.↩︎

  18. Die Zahlen sind alle nur beispielsweise gewählt; es können ebensogut 1180 Millionen M sein.↩︎

  19. Bd. III, 1. Teil, Kapitel 9 [Marx/Engels, Werke, Bd. 25, S. 164–181 – E&P].↩︎

  20. So wollen wir die Preise nennen, die herauskommen, wenn auf den Kostpreis des Kapitalisten der Durchschnittsprofit aufgeschlagen wird.↩︎

  21. In Wirklichkeit muß der Preis der Jacken natürlich viel höher sein. Wir haben nur denjenigen Teil des Kapitals in Betracht gezogen, der für den Ankauf der Leinwand erheischt ist.↩︎

  22. Bd. I, Kapitel 8 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 245–320 – E&P], 9 [a.a.O., S. 321–330 – E&P], 10 [a.a.O., S. 331–340 – E&P].↩︎

  23. Bd. I, Kapitel 11 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 341–355 – E&P]↩︎

  24. Bd. I, Kapitel 12 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 356–390 – E&P]↩︎

  25. „Historischer und beschreibender Bericht von Britisch-Indien.“ Von Hugh Murray, James Wilson usw. Edinburg 1832, Bd. II, S. 449. Der indische Webstuhl ist hochschäftig, d. h. die Kette ist senkrecht aufgespannt.↩︎

  26. Darwin bemerkt in seinem epochemachenden Werk über „Die Entstehung der Arten“ mit Bezug auf die natürlichen Organe der Pflanzen und Tiere: „Solange ein und dasselbe Organ verschiedene Arbeiten zu verrichten hat, läßt sich ein Grund für eine Veränderlichkeit vielleicht darin finden, daß natürliche Züchtung jede kleine Abweichung der Form weniger sorgfältig erhält oder unterdrückt, als wenn dasselbe Organ nur zu einem besonderen Zwecke allein bestimmt wäre. So mögen Messer, welche allerlei Dinge zu schneiden bestimmt sind, im ganzen so ziemlich von einerlei Form sein, während ein nur zu einerlei Gebrauch bestimmtes Werkzeug für jeden anderen Gebrauch auch eine andere Form haben muß.“↩︎

  27. Genf hat im Jahre 1854 80000 Uhren produziert, noch nicht 15\frac{1}{5} der Uhrenproduklion des Kantons Neuenburg. Chaux-de-Fonds, das man als eine einzige Uhrenmanufaklur betrachten kann, liefert allein jährlich doppelt so viel wie Genf. Von 1850 bis 1861 lieferte Genf 750000 Uhren. Wenn die Zusammenhanglosigkeit der Prozesse, worin die Produktion nur zusammengesetzter Machwerke zerfällt, an und für sich die Verwandlung solcher Manufakturen in den Maschinenbetrieb der großen Industrie sehr erschwert, kommen bei der Uhr noch zwei andere Hindernisse hinzu: die Kleinheit und Zartheit ihrer Teile und ihr Luxuscharakter, daher ihre verschiedene Ausführung, so daß z. B. in den besten Londoner Häusern das ganze Jahr hindurch kaum ein Dutzend Uhren gemacht wird, die sich ähnlich sehen. Die Uhrenfabrik von Vacheron & Constantin, die mit Erfolg Maschinerie anwendet, liefert auch höchstens 3–4 verschiedeae Sorten von Größe und Form.↩︎

  28. In der Uhrmacherei, diesem klassischen Beispiel derjenigen Manufaktur, die selbständige Teilprodukte zusammensetzt, kann man sehr genau die obenerwähnte, aus der Zersetzung der handwerksmäßigen Tätigkeit entspringende Differenzierung und Spezialisierung der Werkzeuge studieren.↩︎

  29. Die ganze Entwicklungsgeschichte der Maschinerie läßt sich verfolgen an der Geschichte der Getreidemühlen. Die Fabrik heißt im Englischen immer noch mill (Mühle). In deutschen technischen Schriften aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunders findet man noch den Ausdruck Mühle nicht nur für alle mit Naturkräften getriebene Maschinerie, sondern selbst für alle Manufakturen, die maschinenartige Apparate anwenden.↩︎

  30. Ein römischer Patrizier. Soll ums Jahr 500 vor unserer Zeitrechnung einen Aufstand der Plebejer gedämpft haben, indem er sie mit den Gliedern eines Körpers verglich, die gegen den Magen rebellieren und sich dadurch selbst zugrunde richten. J. B.↩︎

  31. A. Ferguson. Geschichte der bürgerlichen Gesellschaft. Edinburg 1767.↩︎

  32. Der gemütliche Glaube an das Erfindungsgenie, womit der Kapitalist die einzelnen Handgriffe der Arbeitsteilung vorher ersinne, findet sich nur noch bei deutschen Professoren, wie Herrn Roscher z. B., der dem Kapitalisten, aus dessen Jupiterhaupt die Teilung der Arbeit fertig hervorspringe, zum Dank „diverse Arbeitslöhne“ widmet. Die größere oder geringere Anwendung der Teilung der Arbeit hängt von der Länge der Börse ab, nicht von der Größe des Genies.↩︎

  33. Bd. I, Kapitel 13, Nr. 1–2 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 391–416 – E&P]↩︎

  34. (Der Engländer John Stuart Mill lebte 1806–1873.) Mill hätte sagen sollen „irgend eines menschlichen Wesens, das nicht von andrer Leute Arbeit lebt“. Denn die Maschinerie hat unstreitig die Zahl der vornehmen Müßiggänger sehr vermehrt.↩︎

  35. In einer kommunistischen Gesellschaft hätte daher die Maschinerie einen ganz anderen Spielraum als in der bürgerlichen Gesellschaft.↩︎

  36. Bd. 1, Kapitel 13. Nr. 3-10 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 416–530 – E&P].↩︎

  37. Während der großen Baumwollkrise, die Anfang der 60er Jahre – infolge des amerikanischen Bürgerkrieges – in England tobte, schickte die englische Regierung einen Arzt, Dr. Smith, in einige Bezirke der Baumwollindustrie, um über den Gesundheitszustand der Arbeiter zu berichten. Er berichtete u.a.: Rein gesundheitlich habe die Krise, abgesehen davon, daß die Arbeiter aus der schlechten Fabrikluft herauskämen, vielerlei andre Vorteile. Die Arbeiterfrauen fänden jetzt die nötige Muße, ihren Kindern die Brust zu reichen, statt sie mit Opiat zu vergiften. Sie hätten die Zeit gewonnen, kochen zu lernen. Unglücklicherweise fiel diese Kochkunst in einen Augenblick, wo sie nichts zu essen hatten. Ebenso wurde die Krise benutzt, um in eigens zu diesem Zweck errichteten Schulen die Töchter der Arbeiter nähen zu lehren. Eine amerikanische Revolution und eine Weltkrise mußte also kommen, damit die Arbeitermädchen, die für die ganze Welt spinnen, nähen lernen! In solchem Maße hat sich das Kapital auch die für die Familienarbeit nötige Zeit angeeignet.↩︎

  38. Über diese von der offiziellen politischen Ökonomie verheimlichten Tatsachen findet man reichliches Material in den Berichten der englischen Fabrikinspektoren, der „Kinderarbeit-Kommission“, und namentlich auch in den Berichten über das öffentliche Gesundheitswesen (in England).↩︎

  39. 6. Bericht über das öffentliche Gesundheitswesen. London 1864. S. 34.↩︎

  40. Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 225ff. – E&P.↩︎

  41. „Seit einigen Jahren sind so bedeutende und zahlreiche Verbesserungen in der Tüllfabrikation gemacht worden, daß eine gut erhaltene Maschine zum ursprünglichcn Kostenpreis von 1200 Pfund Sterling (ungefähr 24000 M) einige Jahre später zu 60 Pfund Sterling (ungefähr 1200 M) verkauft wurde… Die Verbesserungen folgten sich mit solcher Geschwindigkeit, daß Maschinen unvollendet in der Hand ihrer Erbauer blieben, weil sie durch glücklichere Erfindungen bereits veraltet waren.“ (Babbage, London 1832.) In dieser Sturm- und Drangperiode dehnten daher die Tüllfabrikanten bald die ursprüngliche Arbeitszeit von 8 Stunden mit doppelter Mannschaft auf 24 Stunden usw.↩︎

  42. Ich gebe hier die Stolbergsche Übersetzung des Gedichts, weil es den Gegensatz der antiken Anschauung zur modernen charakterisiert.

    „Schonet der mahlenden Hand, o Müllerinnen, und schlafet
    Sanft! Es verkünde der Hahn euch den Morgen umsonst!
    Däo hat die Arbeit der Mädchen den Nymphen befohlen,
    Und itzt hüpfen sie leicht über die Räder dahin,
    Daß die erschütterten Achsen mit ihren Speichen sich wälzen,
    Und im Kreise die Last drehen des wälzenden Steins.
    Laßt uns leben das Leben der Väter, und laßt uns der Gaben
    Arbeitslos uns freun, welche die Göttin uns schenkt.“

    (Gedichte aus dem Griechischen übersetzt von Christian Graf zu Stolberg.
    Hamburg 1782.)

    ↩︎
  43. Von hier ab Bd. I, Kapitel 8, Nr. 6 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 294–315 – E&P].↩︎

  44. Bd. I, Kapitel 8, Nr. 3 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 258–271 – E&P].↩︎

  45. Crispin und Crispinian, zwei Heilige der katholischen Kirche. Sollen Leder gestohlen haben, um für die Armen umsonst Schuhe zu machen. Daher bedeutet Crispin jemand, der auf anderer Leute Kosten wohltätig ist. J. B.↩︎

  46. Eine Kammer von 24 Geschworenen, die zu entscheiden hat, ob ein Angeklagter vor das ordentliche Gericht gestellt wird.↩︎

  47. Reynold’s Paper vom 20. Januar 1866. Woche für Woche bringt dasselbe Wochenblatt gleich darauf unter sensationellen Überschriften eine ganze Liste neuer Eisenbahnkatastrophen. Darauf antwortet am 4. Februar 1866 ein Arbeiter von der North-Stafford-Linie: „Jedermann kennt die Folgen, wenn die Aufmerksamkeit von Lokomotivführer und Heizer einen Augenblick erlahmt. Und wie ist es anders möglich bei maßloser Verlängerung der Arbeit im rauhesten Winter, ohne Pause und Erholung? Nehmt als Beispiel, wie es täglich vorkommt, folgenden Fall: Letzten Montag begann ein Heizer sehr früh morgens sein Tagewerk. Er endete es nach 14 Stunden 50 Minuten. Bevor er auch nur die Zeit hatte, seinen Tee zu nehmen, rief man ihn von neuem zur Arbeit. Er hatte also 29 Stunden 15 Minuten ununterbrochen durchzuschanzen. Der Rest seines Wochenwerks war wie folgt: Mittwoch 15 Stunden, Donnerstag 15 Stunden 35 Minuten, Freitag 141214\frac{1}{2} Stunden, Sonnabend 14 Stunden 10 Minuten; zusammen für die Woche 88 Stunden 40 Minuten. Und nun denkt euch sein Erstaunen, als er nur Zahlung für 6 Arbeitstage erhielt. Der Mann war ein Neuling und fragte, was man unter einem Tagewerk verstehe. Antwort: 13 Stunden, also 78 Stunden pro Woche. Aber wie mit der Zahlung für die überschüssigen 10 Stunden 40 Minuten? Nach langem Hader erhielt er eine Vergütung von 10 Pence (85 Pf.).“↩︎

  48. Vergleiche Fr. Engels, Lage der arbeitenden Klassen in England, S. 253, 254 [Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 426f. – E&P].↩︎

  49. Dr. Richardson, „Arbeit und Überarbeit“, in Social Science Review, Juliheft 1863.↩︎

  50. Jetzt wieder Bd. I, Kapitel 13, 3c [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 431–440 – E&P].↩︎

  51. Bd. I, Kapitel 13, 4 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 441–450 – E&P].↩︎

  52. Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 398 – E&P.↩︎

  53. Bericht des Komitees für den „Verteidigungsfonds der Spinnerei- und Manufaktur-Meister“. Manchester 1854, S. 17. Man wird später (S. 113) sehen, daß der „Master“ aus einem anderen Loch pfeift, sobald er mit Verlust seiner „lebendigen“ Automaten bedroht ist.↩︎

  54. Marx/Engels, Werke, Bd. 2, S. 398–400 – E&P.↩︎

  55. Bd. I, Kapitel 13, 5 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 451–461– E&P].↩︎

  56. Am 7. November 1930 veröffentlichte die „Deutsche Technikerzeitung“ zu Berlin die folgenden Mitteilungen eines Fachmanns der Textilindustrie: „Die Einführung sogenannter arbeitsparender Maschinen ist eins der am meisten angewandten Rationalisierungselemente. Durch Vereinfachung der Bedienung, durch leichtere Beaufsichtigungsmöglichkeit, durch Vereinfachung komplizierter Mechanismen, durch Verkürzung der Maschinenstillstände, durch höhere Drehziffern, durch Halb- und Vollautomatisierung bestimmter Arbeitsmaschinen, durch präzisere Konstruktion und durch vervollkommnete Materialien usw. wurden höhere Leistungsfähigkeit, bessere Qualitäten und billigere Produkte erzielt. Daß aber vielfach durch die höheren Anschaffungswerte und die damit verbundene Amortisation und Verzinsung, mitunter auch wegen der umfangreicheren und deshalb teuren Unterhaltung dieser arbeitsparenden Maschinen das Gegenteil erreicht wurde, darf an dieser Stelle keineswegs verschwiegen werden. Die betrübliche soziale Folgeerscheinung in Gestalt einer vermehrten Arbeitslosigkeit hat sich in dem Wettlauf nach der produktivsten und ertragreichsten Maschinenanlage nicht vermeiden lassen. So konnte beispielsweise die Kunstseidenindustrie die Arbeitsgeschwindigkeit der Spinnmaschinen um 50–70% erhöhen, und zwar im Laufe der letzten drei bis vier Jahre. Es gibt Beurteiler, die die Vermehrung der Leistungsfähigkeit in der Kunstseidenspinnerei noch höher beziffern. In der Naturseiden- und Kunstseidenwinderei konnte man, je nach Art und Qualität des Materials, die Produktion um 20, 30, 40 und sogar 50% vermehren. Ein Schulbeispiel für die Verdrängung von Arbeitskräften durch die Maschine bedeutet die Einführung der sogenannten vollautomatischen Webstühle, für die seinerzeit in England eine großartige Propaganda aufgezogcn wurde. Nach diesen englischen Angaben sollte ein Weber in Zukunft 24 Webstühle bedienen können. Ganz so schlimm hat sich die Praxis aber doch nicht gezeigt; denn der automatische Webstuhl ist in den Baumwollwebereien, Buntwebereien, zum Teil auch Futterstoffwebereien und ähnlichen in Deutschland, Frankreich, Schweiz und Nordamerika schon seit Jahren eingeführt und gebräuchlich, ein Beweis, daß die englische Webereiindustrie überaus rückständig ist. Nach den zuverlässigen Angaben erster Fachleute der deutschen Breitwebereiindustrie ist es möglich, daß ein geübter Weber 12 bis 16 Webstühle bedient. Da sich die Entwicklung zum vollautomatischen Webstuhl, der übrigens nur für ganz bestimmte glatte und verhältnismäßig einfach bindende Gewebe geeignet ist, über fast zwei Jahrzehnte erstreckte, ist bei dieser Gelegenheit die Ablösung von Facharbeitern nicht so kraß wie in der Kunstseidenindustrie in Erscheinung getreten.

    „Die praktische Anwendung gewisser arbeitsparender Betriebsorganisationsmethoden hat ebenfalls eine Bresche bezüglich der Verwendung von Textilfacharbeitern geschlagen. So wurden zahlreiche Facharbeiter der Textilindustrie von unproduktiven Nebenarbeiten, zu denen beispielsweise Transporte von Materialien gehören, vollständig entlastet. Weiterhin erreichte man durch geeignete und ins einzelne gehende Vordisposition in Webereien, Bandwebereien, Wirkereien, Färbereien u.a., sowie durch glatte und hemmungsfreie Überleitung des Fabrikationsgutes von Abteilung zu Abteilung und durch Verkürzung der innerbetrieblichen Transportwege infolge rationellerer Anordnung der einzelnen Fabrikationsabteilungen eine wesentliche Verkürzung der Arbeitsprozesse. Die früher mitunter üblichen recht langen Wartezeiten auf Materialien (Ketten, Spulen usw.) wurden ausgeschaltet und außerdem die unumgänglichen Stillstandszeiten verkürzt. Auf der andern Seite hat man die Einführung von Fließarbeit und Taylorsystem in der deutschen Textilindustrie stark überschätzt. In der Baumwoll- und Wollspinnerei existierte schon vor dem Kriege die, wenn man sie so nennen will, Fließarbeit. Eine Taylorisierung durch Vornahme von Zeit- und Bewegungsstudien hat sich hauptsächlich in der Breitweberei, Wirkerei und zu einem Teil in der Kunstseidenindustrie bewährt. Die zahlenmäßigen Auswertungen solcher Maßnahmen in der deutschen Textilindustrie sind allerdings auch in dieser Beziehung schwer zu treffen, denn die individuellen Eigenarten innerhalb der einzelnen Branchen spielen bei einer Gesamtbeurteilung eine wesentliche Rolle. Das Institut für Betriebsorganisation der Samt- und Seidenindustrie in Krefeld hat auf Grund der von ihm vorgenommenen Zeitmessungen in den Betrieben bei Maschinenarbeit 20–30%ige Leistungssteigerungen ermittelt, während bei überwiegender Handarbeit Produktionssteigerungen bis zu 100% verzeichnet wurden.

    „Die Verkürzung der Arbeitsprozesse ist aber nicht nur eine Folge der arbeitsparenden Maschinen und Betriebsorganisationen, sondern in der deutschen Textilindustrie vielfach auf Veränderung und Verbesserung der Rohmaterialien zurückzuführen. So ließ die neuzeitliche Kunstseidenpräparation eine Erhöhung des Verarbeitungsgrades in Breit- und Bandweberei, Wirkerei, Flechterei und Spitzenfabrikation zu. Die Kunstseidenindustrie konnte im Laufe der letzten Jahre eine andersgeartete und ausgiebigere Zusammensetzung der Spinnflüssigkeiten erzielen, wodurch es gelungen ist, den sogenannten Reifeprozeß der Viskose, welcher früher acht bis vierzehn Tage dauerte, auf zwei bis drei Tage abzukürzen, ja sogar ungereifte Viskose zu verspinnen.

    „Die technischen und kaufmännischen Angestellten in der Textilindustrie sind durch die Rationalisierung in gewissem Sinne benachteiligt worden, da auch in diesen Kreisen ein Teil der Erwerbslosigkeit auf derartige Maßnahmen zurückgeführt wird. So wird die Veränderung in der Meisterfunktion viel erörtert. Der Werkmeister ist in der Textilindustrie schon lange nicht mehr das bekannte ‚Mädchen für alles‘, höchstens daß in kleineren Unternehmungen noch alles und jedes von einem Meister ausgeführt wird. Es kristallisiert sich nämlich in dem Textilfachmeister von heute immer mehr der eigentliche Funktionsmeister, das Ideal Taylors, heraus. Neben der rein beaufsichtigenden und anleitenden Tätigkeit eines Textilmeisters ist seine Funktion auf ein bestimmtes, fest umrissenes Fachgebiet beschränkt. Den deutschen Verhältnissen entsprechend konnte allerdings die übertriebene amerikanische Spezialisierung der Meisterfunktion in der Textilindustrie nicht bis auf das i-Tüpfelchen durchgeführt werden. Wir betrachten diese Entwicklung als unvermeidlich, obwohl manche tüchtige Meisterkräfte durch die Rationalisierung erwerbslos wurden.

    „Ebenso ist seit Jahren die Abgrenzung der Tätigkeit der technischen Angestellten in der Textilindustrie erfolgt. Die Bezeichnungen: Betriebsleiter, Fabrikationsleiter, Abteilungsleiter, Wiegkammerleiter, Werkführer, Disponent, Manipulant, Dessinateur, Musterzeichner, Patroneur, Spinnereitechniker, Webereitechniker, Kolorist, Färbereitechniker usw. kennzeichnen die Funktionen, die von diesen Posteninhabern ausgeübt werden, ziemlich genau. So ist auf Grund einer Rationalisierung der eigentlichen Tätigkeitsgebiete nicht viel zu erreichen gewesen, hingegen hat aber die Mechanisierung der Büroarbeit bei den technischen Angestellten der deutschen Textilindustrie ihre Spuren hinterlassen.

    „Vor allem aber ist die Erwerbslosigkeit unter den kaufmännischen Angestellten der Textilindustrie durch neuzeitliche und arbeitsparende Büroorganisation, durch Ausschaltung von Leerlauf innerhalb der kaufmännischen Abteilungen und durch moderne Büromaschinen gesteigert worden. Wenngleich in manchen deutschen Textilunternehmungen die Gefahr einer Überorganisation infolge umständlicher Kontrollmaßnahmen besteht, wodurch sogar ein zweifelhafter Endeffekt zu verzeichnen ist, hat sich doch die kaufmännische Angestelltentätigkeit immer mehr spezialisiert. Auch in dieser Beziehung sind zahlenmäßige Auswertungen schwer zu errechnen und zu beschaffen wegen der bekannten Branchenzersplitterung in der Textilindustrie.

    „Ein weiterer Effekt der Rationalisierung in der Textilindustrie ist in der Ablösung gelernter Fachkräfte durch Hilfsarbeiter, in dem Ersatz männlicher durch weibliche Fachpersonen bei manchen Arbeitsverrichtungen sowie in einem teilweisen Austausch des älteren, erfahrungsreichen Facharbeiter- und Angestelltenstammes zugunsten wenig erfahrener, aber dafür billiger arbeitender jüngerer Kräfte zu erblicken.“

    Zur selben Zeit gab der Deutsche Textilarbeiterverband die Ergebnisse einer Erhebung bekannt, die er unter seinen 300000 Mitgliedern – rund ein Drittel aller in der deutschen Textilindustrie Beschäftigten – vorgenommen hatte. Ich entnehme daraus die folgenden Stellen:

    In Wirklichkeit ist ein Abbau der wirklich gezahlten, der Effektivlöhne erfolgt, der die Lebenshaltung der Arbeiter weit unter die Grenze des Möglichen gedrückt hat. Dabei ist im Rahmen einer Rationalisierung, die weder sozialen noch technischen Sinn verrät, sondern nur auf äußerste Anspannung der menschlichen Arbeitskraft hinausläuft, dem Arbeiter und der Arbeiterin eine beispiellose Mehrarbeitsleistung aufgebürdet worden. Die Rationalisierung, die die Leistung pro Kopf im phantastischen Ausmaß steigert und die Arbeitskraft in einem Maße verbilligt, wie das noch nie in der Wirtschaftsgeschichte der Fall gewesen ist, sieht nach den Feststellungen der Textilarbeitergewerkschaften in ihrer Eingabe an die Reichsregierung – wir greifen nur einige Beispiele heraus – so aus:

    „Eine Spinnerei in Westfalen rationalisierte derart, daß dem Spinner statt drei nur noch zwei Anmacher beigegeben sind. Bis dahin erhielt der Spinner eine Vergütung von 6%, wenn ein Anmacher fehlte. Diese Vergütung ist in Fortfall gekommen.

    „In einer rheinischen Spinnerei müssen zwei Maschinen statt wie bisher eine bedient werden. Dabei werden in 43 Arbeitsstunden 2,50–3 M weniger verdient als früher bei einer Maschine.

    „Ein großer Spinnereibetrieb in Württemberg verminderte die Zahl der Hilfskräfte für jeden Selfaktorspinner um je einen Andreher.

    „Eine badische Spinnerei läßt durch eine Spinnerin 450 Spindeln bedienen statt wie bisher 300. In einem andern Spinnereibetrieb kamen vor Jahresfrist noch auf 1000 Ringspindeln 10 Arbeiterinnen, jetzt nur noch 8. Ein anderer badischer Spinnereibetrieb baute die Zahl der Hilfskräfte von 33 auf 28 ab. Zu gleicher Zeit erfolgte ein Lohnabbau von 33 bis 35%.

    „Eine schlesische Spinnerei ersparte durch Übergang von zwei auf drei Seitenbedienung bei einer Belegschaft von 200 Leuten 30.

    „In einer sächsischen Baumwollspinnerei bediente bis Ende 1928 ein Spinner einen Selfaktor, dazu hatte er zwei Hilfspersonen. Von Anfang Mai 1929 bis Mitte 1929 bediente ein Spinner zwei Selfaktoren, dazu als Hilfspersonal ein Hilfsspinner und drei Aufstecker; seit Anfang Juli hat man überall den Hilfsspinner weggenommen, so daß also jetzt zwei Selfaktoren von einem Spinner und drei Aufsteckern bedient werden müssen. Bei den Fleyerinnen ist es dasselbe. Bis Ende vorigen Jahres bediente eine Fleyerin einen Fleyer, und zu vier Fleyern war noch eine Hilfsperson; jetzt muß eine Fleyerin zwei Fleyer bedienen, für vier Fleyer kommt noch eine Hilfsperson dazu. Mehr Lohn ist in beiden Fällen nicht gezahlt worden.

    „Aus einer anderen sächsischen Spinnerei wird berichtet, daß eine Anzahl älterer Selfaktoren umgebaut und dadurch von 500 bzw. 600 Spindeln auf 1000 Spindeln gebracht worden sind. Das Bedienungspersonal ist an Zahl das gleiche geblieben. Die dadurch bedingte Mehrleistung der Arbeiter und Arbeiterinnen hat keinerlei Mehrverdienst gebracht. Es soll sich im Gegenteil der Akkordverdienst der Spinner im Durchschnitt um 4 bis 5 M vermindert haben.

    „In einer andern Baumwollspinnerei Sachsens mußten zwei Fleyerinnen drei Fleyer bedienen, auch wurde eine Hilfskraft weggenommen. Bei den Spinnern wurden überall Hilfskräfte abgebaut insofern, daß drei Aufstecker zwei Selfaktoren bedienen müssen, während früher jeder Selfaktor zwei Aufstecker hatte. Auf den Zwirnmaschinen mußten die Zwirnerinnen drei Hälften bedienen.

    „Ein andrer Spinnereibetrieb in Sachsen hat an jedem Selfaktor eine Hilfskraft abgebaut, ohne daß die übrig bleibenden Arbeiter für die Mehrleistung entschädigt wurden.

    „In einem Großbetrieb der Baumwollspinnerei, ebenfalls in Sachsen, besteht die Mehrleistung darin, daß die Bedienung der Ringspinnmaschinen von zwei auf drei Seiten erhöht worden ist. Seit etwa zehn Wochen sind die jeder Maschine beigegebenen Hilfskräfte um einen Andreher verringert worden. Eine Lohnerhöhung ist für die Mehrarbeit, die dadurch geleistet werden muß, nicht eingetreten. Im Gegenteil kann durch die Wegnahme des Hilfsarbeiters nicht mehr so viel verdient werden.“

    Diese Angaben zeigen, wie die Entwicklungsgesetze der Wirtschaft, die Karl Marx vor bald drei Menschenaltern ermittelt hat, heute noch unvermindert fortwirken. J. B.↩︎

  57. Bd. I, Kap. 13, 6. [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S.-461–470 – E&P] – Vgl. hierzu weiter unten Kap. 13, S. 132.↩︎

  58. Ich gebe das Beispiel ganz in der Weise der obengenannten Schriftsteller.↩︎

  59. Bd. I, Kap. 13, 7 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 470–482 – E&P].↩︎

  60. Bd. I, Kapitel 23, 2, Bd. III, 1, Kapitel 13–15 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 650 und Bd. 25, S. 221ff, S. 242ff und S. 251ff. – E&P].↩︎

  61. Über Akkumulation siehe das nächste Kapitel.↩︎

  62. Anhäufung, ständige Vergrößerung.↩︎

  63. Bd. I, Kapitel 21 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 591ff. – E&P]↩︎

  64. „Die Arbeiter in den Bergwerken Südamerikas, deren tägliches Geschäft – das schwerste vielleicht in der Welt – darin besteht, eine Last Erz im Gewicht von 180 bis 200 Pfund aus einer Tiefe von 450 Fuß auf ihren Schultern zutage zu fördern, leben nur von Brot und Bohnen. Sie würden das Brot allein zur Nahrung vorziehen, allein ihre Herren, welche gefunden haben, daß sie mit Brot nicht so stark arbeiten können, behandeln sie wie Pferde und zwingen sie, die Bohnen zu essen; die Bohnen sind aber verhältnismäßig an Knochenerde weit reicher als das Brot.“ (Liebig, „Die Chemie in ihrer Anwendung auf Agrikultur und Physiologie“. 7. Aufl. 1862, I. Teil, S. 194, Note.)↩︎

  65. James Mill, „Grundbegriffe der politischen Ökonomie“, französische Übersetzung von Parissot, Paris 1823, S. 238ff.↩︎

  66. Juristische Fiktion ist die gesetzliche Vorschrift, daß etwas nicht Geschehenes oder Vorhandenes als geschehen oder vorhanden zu erachten sei. Beispiel: Wenn eine noch nicht 21 Jahre alte Person vom Gericht für volljährig erklärt wird, so bleibt sie darum in Wahrheit minderjährig; doch gelten für sie die Rechte und Pflichten des Volljährigen. Die Volljährigkeit ist Fiktion: Hiervon ausgehend, wird das Wort Fiktion allgemein im Sinne von falscher Vorspiegelung gebraucht. Hier bedeutet es einfach Spiegelfechterei. J. B.↩︎

  67. Man erinnert sich, daß dasselbe Kapital aus einem anderen Loch pfeift unter gewöhnlichen Umständen, wenn es gilt, den Arbeitslohn herabzusetzen. Dann erklären „die Meister“ aus einem Munde (siehe 10. Kapitel, S. ): „Die Fabrikarbeiter sollten in heilsamer Erinnerung halten, daß ihre Arbeit in der Tat eine sehr niedrige Sorte geschickter Arbeit ist, daß keine leichter aneigenbar und in Anbetracht ihrer Qualität besser belohnt ist, daß keine durch kurze Unterweisung des mindest Erfahrenen in so kurzer Zeit und in solchem Überfluß zugeführt werden kann. Des Meisters Maschinerie (die, wie wir jetzt hören, in 12 Monaten mit Vorteil und verbessert ersetzt werden kann) spielt in der Tat eine viel wichtigere Rolle in dem Geschäft der Produktion als die Arbeit und das Geschick des Arbeiters (die jetzt in 30 Jahren nicht ersetzbar sind!), die eine Erziehung von 6 Monaten lehren und jeder Bauernknecht lernen kann.“↩︎

  68. In Schillers Drama „Kabale und Liebe".↩︎

  69. In gewöhnlichen Zeiten behauptet der Kapitalist im Gegenteil, die Arbeiter brauchten keine demoralisierten und mißvergnügten Hungerleider zu sein, wenn sie weise genug wären, ihre Kopfzahl zu verringern, um den Preis der Arbeit zu steigern.↩︎

  70. Das Parlament bewilligte keinen Pfennig für Auswanderung, sondern nur Gesetze, welche die Kommunalbehörden befähigten, die Arbeiter zwischen Leben und Sterben zu halten oder sie auszubeuten ohne Zahlung von Normallöhnen. Als dagegen 3 Jahre später die Rinderseuche ausbrach, durchbrach das Parlament wild sogar die parlamentarische Etikette und bewilligte im Umsehen Millionen zur Schadloshaltung der Millionäre von Landlords, deren Pächter sich ohnehin durch Steigerung der Fleischpreise schadlos hielten.↩︎

  71. Bd. I, Kapitel 22, Nr. 1 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 605ff – E&P].↩︎

  72. Es wird hier abgesehen vom Ausfuhrhandel, vermittelst dessen eine Nation Luxusartikel in Produktions- oder Lebensmittel umsetzen kann und umgekehrt. Um den Gegenstand der Untersuchung in seiner Reinheit, frei von störenden Nebenumständen aufzufassen, müssen wir hier die gesamte Handelswelt als eine Nation ansehen und voraussetzen, daß die kapitalistische Produktion sich überall festgesetzt und sich aller Produktionszweige bemächtigt hat.↩︎

  73. Bd. I, Kapitel 22, Nr. 3 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 617ff.– E&P].↩︎

  74. Bd. 1, Kapitel 23 [Marx/Engels, Werke, Bd. 23, S. 640ff. – E&P]↩︎

  75. Unter „Proletarier“ ist ökonomisch nichts zu verstehen als der Lohnarbeiter, der Kapital produziert und verwertet und aufs Pflaster geworfen wird, sobald er für die Verwertungsbedürfnisse des Kapitals überflüssig ist.↩︎

  76. Siehe oben Kapitel 10, S. 96.↩︎

  77. In der Ausgabe von 1931 heißt es hier nur „Arbeit“; wir verwenden das Wort „Arbeitszeit“, wie in Marx’ Originaltext und in der 2. Auflage (von 1920) dieser Kurzfassung – E&P.↩︎

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